Das Albert-Ballin-Konsortium ist aufgelöst. Nun können die Investoren mit ihren Anteilen an Deutschlands größter Container-Reederei machen, was sie wollen. Dazu gehört auch die Stadt Hamburg.
Hamburg. Der künftige Vorstandschef der größten deutschen Reederei Hapag-Lloyd, Rolf Habben-Jansen, muss sich auf deutlich beweglichere Eigentümer einstellen. Nach der Auflösung des Aktionärskonsortium Albert Ballin KG, das 78 Prozent der Anteile auf sich vereinte, werden sich die Ex-Konsorten höchstens wieder zu einem lockeren Verbund zusammenschließen – wenn überhaupt. Ein entsprechender Kooperationsvertrag sei unterschriftsreif, sagte einer der Beteiligten dem Abendblatt. „Nur ist nicht sicher, ob er von allen unterschrieben wird.“ Eigentlich sollte das bis Ende Oktober geschehen sein, dieser Termin sei inzwischen unrealistisch.
Durch die Auflösung des Konsortiums öffnet sich die Tür für bislang ausgeschlossene Interessenten – wie Konkurrenten der fünftgrößten Container-Reederei der Welt, die 2012 bei einem Umsatz von 6,8 Milliarden Euro auf einen Verlust von 128 Millionen Euro kam. Denn im Extremfall könnten die Einzelaktionäre ihre Anteile derzeit angesichts des Schwebezustands frei verkaufen. Durch den Konsortialvertrag war ihnen das bislang nicht möglich. Diese neue Freiheit stärkt die Machtposition der Alteigner gegenüber dem Management. Und selbst wenn der Kooperationsvertrag zustande kommen sollte, haben die Ex-Konsorten künftig mehr Bewegungsfreiheit.
Ende September hatte sich die Albert Ballin KG aufgelöst, seitdem halten deren einstige Kommanditisten ihre Aktien direkt und sind demnach völlig frei in ihren Entscheidungen. Die wichtigsten Einzel-Eigentümer sind die Stadt Hamburg mit 36,9 Prozent sowie der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne mit 28,2 Prozent. Mit großem Abstand folgen die Versicherer Signal Iduna und Hanse Merkur mit 5,3 respektive 1,8 Prozent, die HSH Nordbank mit 2,9 Prozent sowie mit zusammen 2,9 Prozent die Privatinvestoren Friedhelm Behn und Detlev Meyer, Gründer des Modekonzerns CBR, die es mit Marken wie „Street One“ und „Cecil“ zu einigem Wohlstand gebracht haben. Sie lassen sich durch die Privatbank M.M. Warburg vertreten.
Außerhalb der Ex-Konsorten steht seit jeher der Reisekonzern TUI, der 22 Prozent hält. Die Ballin-Aktivisten hatten sich 2008 zusammengefunden, um einen Verkauf Hapag-Lloyds durch die TUI an einen ausländischen Konzern zu verhindern. Seitdem streben sie einen Börsengang an, um ihre Anteile wieder loszuschlagen beziehungsweise bis auf eine Hamburger Sperrminorität zu reduzieren.
Mehrere Börsenanläufe scheiterten. Derzeit ist als neues Zieldatum Ende 2014 ausgegeben – wobei erste Beteiligte intern die Diskussion provozieren, warum man nicht das aktuell gute Börsenklima für den Schritt nutze. Wochenlang wurde zudem mit der Unternehmerfamilie Oetker über einen Zusammenschluss mit deren Reederei Hamburg Süd verhandelt. Inzwischen ist das Projekt aber abgebrochen.
Für das Management um Habben-Jansen, der im April 2014 seinen Job aufnimmt, wird nun entscheidend sein, wie berechenbar und homogen seine Eigentümer künftig auftreten – vor allem die Hauptaktionäre Stadt Hamburg und Kühne. Für die Hansestadt ist die Beteiligung eine risikoreiche Unternehmung: Ausweislich der Bilanz ihrer Holdingsgesellschaft HGV hat sie für ihren Hapag-Anteil von 36,9 Prozent ein Eigenkapital von 2,5 Milliarden Euro gebunden. Erst ab einem Börsenwert von rund 6,8 Milliarden Euro wäre für die Stadt also ein schadloser Ausstieg ohne Abschreibungen möglich.
Klaus-Michael Kühne selbst lässt es offen, wie es mit seinem Engagement bei Hapag-Lloyd weitergehen wird. Kühne hat als Privatmann und nicht über sein Transportunternehmen rund eine Milliarde Euro in die Containerreederei investiert. Der gebürtige Hamburger lässt sich mehrere Optionen offen. Mehrmals schon hat Kühne betont, dass er die Börsenpläne unterstützt. „Der Börsengang ist immer noch das richtige Ziel, darauf arbeiten wir auch hin“, hat sein Vertrauter Karl Gernandt zuletzt gesagt. Noch sei die Zeit aber nicht geeignet.
Wichtigstes Ziel für Kühne ist es nach eigener Aussage, Hapag in Hamburg zu halten. Eine Aufstockung seiner Anteile von derzeit 28 Prozent an Hapag-Lloyd ist unwahrscheinlich, eine Reduzierung hat Kühne zuletzt dagegen nicht mehr ausgeschlossen.
Doch während in früheren Jahren im Zusammenhang mit dem Namen Kühnes oftmals über Auseinandersetzungen in dem Konsortium berichtet wurde, ist die Lage nun eine andere. „Unter den durchaus streiterprobten Gesellschaftern herrscht im Moment eine konstruktive und positive Ruhe“, hat Gernandt in dem Gespräch gesagt. Auf lange Sicht hält Kühne nach früheren Aussagen Hapag-Lloyd für ein zu kleines Unternehmen, um in dem Konkurrenzkampf der größten Containerreedereien der Welt überleben zu können. Ein Partner aus Asien ist seiner Meinung nach die sinnvolle Ergänzung der Hamburger Reederei. Dabei hat Kühne mehrmals Neptune Orient Lines aus Singapur ins Gespräch gebracht.
Der Entwurf des Kooperationsvertrags sieht nach Informationen des Abendblatts ein deutlich unverbindlicheres Zusammenspiel vor als ein Poolvertrag oder gar ein Konsortium. Er soll auch nur eine Kündigungsfrist von wenigen Monaten haben. Immerhin sieht der Vertragsentwurf für die Ex-Konsorten aber vor, bei einer Entscheidung wie einem Börsengang oder einer Fusion zusammen zu stimmen und bei Verkaufsplänen zuerst auf die Partner zuzugehen.
Ein Sprecher der Stadt Hamburg teilte mit, man wolle den Kooperationsvertrag unterzeichnen. Martin Görge, der bisherige Geschäftsführer der Albert Ballin KG war nicht zu erreichen. Er arbeitet inzwischen für Kühne, als Chef der Kühne Immobilia GmbH.