Das Traditionsblatt der Reporterlegenden Bob Woodward und Carl Bernstein wird künftig von einem Internet-Mogul regiert. Der exzentrische Milliardär Jeff Bezos stellt den Kunden in den Mittelpunkt.

Washington/Seattle. Es ist die Zeitung der unbeugsamen Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein, der „Unbestechlichen“, das Blatt der angesehene Familie Graham. Und nun gehört die „Washington Post“ dem Gründer der Internetplattform Amazon, dem Milliardär Jeff Bezos. Es mag die Ironie der amerikanischen Mediengeschichte sein, dass eine der renommiertesten Zeitungen der USA den Besitzer wechselt und an den neben Bill Gates, Steve Jobs und Mark Zuckerberg wohl wichtigsten IT-Unternehmer geht. Jeff Bezos machte aber beim Kauf gleich klar: Er kaufe die „Washington Post“ als Privatmann. Mit der Plattform Amazon habe der Deal über 250 Millionen Dollar nichts zu tun.

Donald Graham, der Chef der Washington Post Company, führte die schwierige Lage der Zeitungsbranche als Grund für den Verkauf ins Feld. Auch bei der „Washington Post“ waren Auflage und Anzeigeneinnahmen geschrumpft. Bezos sei ein „einzigartig guter neuer Besitzer“, sagte Graham.

Bezos zeigte sich zuversichtlich für die Zukunft und versprach: „Die Werte der Post werden sich nicht ändern.“ Die bisherigen Verantwortlichen sollen in ihren Ämtern bleiben, darunter Herausgeberin Katharine Weymouth und Chefredakteur Martin Baron. Zusammen mit der „Washington Post“ gehen auch mehrere kleinere Blätter an Bezos.

Der Führungsstil von Bezos bei Amazon ist so eigenwillig wie kontrovers. Man erzählt, er lasse in Besprechungen oft einen Stuhl frei – für den imaginären Kunden. In den klammen Anfangsjahren wurden kurzerhand Türen zu Schreibtischen unfunktioniert, Top-Manager müssen alle paar Jahre an die Telefon-Hotline für Kunden. Und: Wachstum geht vor Gewinn.

Dieses Motto wird die „Washington Post“ beruhigen, denn von Gewinn spricht man in der Zeitungsbranche in den USA nur noch hinter vorgehaltener Hand. Die neuen Bezahlmodelle im Internet müssen sich erst durchsetzen. Die „Post“ hat praktisch keins, anders als das „Wall Street Journal“ oder die „New York Times“. Bezos hat Zeit und Geld, deshalb ist der Innovationsdruck bei der „Post“ etwas gewichen.

Die „Washington Post“ deckte den Watergate-Skandal auf, weil die beiden Lokalreporter Bob Woodward und Carl Bernstein am Einbruch in das Wahlkampfhauptquartier der Demokraten 1972 dranblieben, die Hintergründe aufdeckten und so dazu beitrugen, dass Präsident Richard Nixons schmutzige Tricks, Bespitzelungen und Rechtsbrüche öffentlich wurden. Noch bevor ein Amtsenthebungsverfahren gegen Nixon eingeleitet wurde, trat er 1974 zurück. Die „Washington Post“ gewann etliche Preise für herausragende journalistische Leistungen.

Die börsennotierte Washington Post Company stellt sich schon seit Jahren neu auf. Zu ihr gehören unter anderem ein Bildungsanbieter, lokale Fernsehstationen und ein Kabelnetz-Betreiber. Das Unternehmen wird seinen Namen nach Abschluss des Zeitungsverkaufs ändern, der bis zum Ende des Jahres erwartet wird. Ein neuer Name sei aber noch nicht gefunden, hieß es.

Jeff Bezos besitzt nach Schätzungen des Finanzdienstleisters Bloomberg aktuell ein Vermögen von 28,2 Milliarden Dollar, das vor allem in Amazon steckt. Damit landet er in der Rangliste der Superreichen auf Rang 15. Erst am Wochenende hatte der „Boston Globe“ für 70 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt. Die New York Times Company hatte das Traditionsblatt verkauft. Auch hier war es ein reicher Einzelunternehmer, der zuschlug. Zuvor hatte bereits Starinvestor Warren Buffett über seine Investmentholding Berkshire Hathaway rund 70 lokale Blätter übernommen.

Parallel hat Medienmogul Rupert Murdoch seine Zeitungen (dem unter anderem das „Wall Street Journal“ gehört) in ein eigenständiges Unternehmen abgespalten. Einen ähnlichen Weg geht momentan die Tribune Company („Chicago Tribune“, „Los Angeles Times“), die sich aufs lokale Fernsehen verlegt.