Die Hamburger Frauenfinanzgruppe berät unabhängig über notwendige Versicherungen und Geldanlagen. Auch Männer schätzen ihre Tipps.
Hamburg. Nichts in ihren Firmenräumen deutet auf eine Finanzberatung hin. Statt greller Plakate zu Finanzprodukten und Versicherungen hängen an den Wänden und in den Schaufenstern Fotografien mit beruhigenden Motiven am Strand. Susanne Kazemieh hat vor über zwei Jahrzehnten die Frauenfinanzgruppe in Hamburg gegründet, um vieles anders zu machen als in den Banken.
Dazu gehört auch, auf Werbung für Produkte zu verzichten. "Das Produkt steht bei uns erst ganz am Ende der Beratung", sagt Kazemieh, die zusammen mit 13 Mitarbeiterinnen rund 12.000 Kundinnen bei ihren Geldanlagen berät. Vorrangig vermittelt sie Versicherungen und Investmentfonds. Nach eigenen Angaben ist es bundesweit das größte Beratungsunternehmen dieser Art für Frauen. Doch rund 20 Prozent der Kunden sind inzwischen Männer. "Die Frauen schicken sie einfach auch zu uns", sagt Kazemieh.
Benötigen Frauen eine spezielle Finanzberatung? "Die Produkte sind für Frauen nicht anders als für Männer, aber Frauen wünschen sich eine achtsamere Begleitung, damit sie Lust haben, ihre Finanzplanung in die eigenen Hände zu nehmen", sagt Kazemieh. Sie sucht zunächst das Gespräch mit den Kundinnen, erforscht ihre Situation. Mitunter ist es viel wichtiger; erst einmal existenzielle Risiken wie Berufsunfähigkeit abzusichern, bevor mit dem Sparen begonnen wird.
Auch ein geldwerter Tipp kann neue Kundinnen an das Beratungsunternehmen binden. Eine von ihrem Partner getrennt lebende Kundin wollte eine private Krankenversicherung für ihren Sohn abschließen, weil sie selbst privat versichert war. Das Gespräch brachte eine ganz andere Lösung: Der Sohn konnte auch über seinen Vater in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert werden, also kostenlos. Ein Tipp, der einige Tausend Euro wert sein kann. In einem solchen Fall verlangt Kazemieh ein Beratungshonorar oder sie verzichtet mitunter auch darauf, weil sie weiß, die Kundin wird wiederkommen und sie wird noch anderen von ihrem Erlebnis erzählen. "Ein Großteil der Neukunden kommt durch persönliche Empfehlungen zu uns", sagt Kazemieh.
Vielleicht liegt ihr Erfolg auch darin, dass sie gar nicht aus dem Finanzfach kommt. Studiert hat die Mutter von drei erwachsenen Kindern Sonderpädagogik und Musikwissenschaft. Erst später ging sie bei einem Versicherungsmakler in die Lehre, eignete sich ihr weiteres Finanzwissen im Selbststudium an. Damals war es in der Branche noch üblich, Sachversicherungsverträge über eine Laufzeit von zehn Jahren ohne vorzeitige Kündigungsmöglichkeit zu verkaufen. Dass sie das nicht tat und auch auf andere Vertretertricks verzichtete, brachte ihr das nachhaltige Vertrauen ihrer Kundinnen ein.
Ihr Engagement für die weiblichen Kunden kommt aus der Frauenbewegung. Noch heute ärgert sie sich darüber, dass die Benachteiligung von Frauen tief im Sozialversicherungsrecht verankert ist und nur langsam korrigiert wird, etwa wenn es um die Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung geht. Als sie 1989 die Frauenfinanzgruppe gründete, gingen die ersten Versicherungen mit speziellen Produkten auf Frauenfang. Dem wollte sie etwas entgegensetzen. Ihre ersten Kundinnen waren freiberufliche Hebammen, denen überraschend die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht drohte, obwohl sie meist schon privat vorgesorgt hatten. Hier galt es abzuwägen, was künftig der bessere Weg ist.
Heute beraten Kazemieh und ihre 13 Mitarbeiterinnen in einer ehemaligen Haspa-Filiale in der Grindelallee. Schon vor rund zehn Jahren wagte sie den Umzug in ein Quartier, das viermal größer war als ihr vorheriges in Eppendorf. Ihr Vertrauen in ihren Wachstumskurs hat sich bewahrheitet: Die Zahl der Kunden als auch der Mitarbeiterinnen hat sich in einem Jahrzehnt fast verdoppelt. In den ersten sieben Wochen dieses Jahres registrierte sie bereits weitere 50 Neukundinnen. Sie profitiert davon, dass sich ihre Klientel bei den Banken nicht gut beraten fühlt.
Denn Aktien und Fonds scheinen für viele Frauen ein Buch mit sieben Siegeln zu sein, kommentiert die Comdirect Bank das Ergebnis einer aktuellen, repräsentativen Umfrage. Danach geben 43 Prozent der Frauen an, sich nicht über Wertpapiere zu informieren. Bei den Männern sind das nur 28 Prozent. Es sind Meldungen wie diese, die Kazemieh auf die Palme bringen. "Man muss das Thema den Frauen nur richtig erklären, dann sind sie sehr aufgeschlossen dafür und wollen ihre Finanzangelegenheiten auch in die eigene Hand nehmen", sagt Kazemieh. Für sie sind Aktienfonds ein wichtiges Element des Vermögensaufbaus oder der Altersvorsorge. "Ich sehe viele Zeichen für ein gutes Aktienjahrzehnt", sagt die Expertin. Natürlich solle nicht das gesamte Geld in Aktien fließen. "Aber wenn ich die Mittel mindestens zehn Jahre nicht benötige, dann sind festverzinsliche Papiere wegen der extrem niedrigen Zinsen keine Alternative. Je vermeintlich sicherer ich anlege, desto sicherer gehe ich in die Altersarmut."
Frauen, die 2011 in Rente gegangen sind, erhalten im Durchschnitt eine gesetzliche Rente von nur 520 Euro. Das liegt unter der durchschnittlichen Grundsicherung für Rentner, die 668 Euro beträgt. "Eine zu geringe Altersvorsorge der Frauen ist ihr größtes Problem", sagt die Expertin. "Die Ursachen sind unterbrochene Erwerbsbiografien durch die Kindererziehung, Teilzeitarbeit und geringere Verdienste."
Sie rät deshalb zu einer privaten Vorsorge, aber erst wenn existenzielle Risiken wie Berufsunfähigkeit oder private Haftpflichtschäden abgesichert sind. An erster Stelle sieht sie dann oft eine betriebliche Altersvorsorge (bAV), auf die jeder Arbeitnehmer inzwischen Anspruch hat. "Wenn der Chef dann noch die eingesparten Sozialabgaben von 20 Prozent mit in die bAV gibt, ist diese Form der Versorge unschlagbar. Bei einem angenommenen Beitrag von 120 Euro monatlich, muss die Arbeitnehmerin netto dann nur 50 Euro aufwenden. Bei aller Kritik an dem Produkt kann sie auch der Riester-Rente Positives abgewinnen. "Es gibt Verträge mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis", sagt sie. Außerdem könnten dafür auch schwankungsanfälligere Anlageformen gewählt werden, weil der Kapitalerhalt von Einzahlungen und staatlicher Förderung gesichert ist. Die Expertin sieht auch bei der Riester-Rente die staatliche Förderung als einen wichtigen Aspekt.
"Das Schlimmste ist, wenn sich Ehefrauen bei der Altersvorsorge auf ihren Ehemann verlassen. Denn bei einer Trennung bleibt von solchen Hoffnungen meist nichts", sagt Kazemieh. Deshalb stellt sie auch energische Forderungen auf: "Wenn die Frau zur Kindererziehung zu Hause bleibt, dann muss sie von ihrem Partner einen Betrag für die persönliche Altersvorsorge einfordern." Auf die Lebensversicherung ihres Partners sollten sich Frauen nicht verlassen, selbst wenn sie die Begünstigten des Vertrages sind. "Der Mann kann das als Versicherungsnehmer jederzeit ändern", sagt Kazemieh aus ihrer Beratungstätigkeit. "Frauen müssen sich davor hüten, in die Romantikfalle zu tappen."