Die Kritiker fordern zwei Wochen vor Hauptversammlung einen Wandel in der Kultur des angeschlagenen Unternehmens.

Düsseldorf. Zwei Wochen vor der Hauptversammlung des angeschlagenen ThyssenKrupp -Konzerns haben Aktionärsschützer das Management und den Aufsichtsrat um Chefkontrolleur Gerhard Cromme scharf kritisiert. Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre will auf dem Treffen dem Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung verweigern. Er begründet dies unter anderem mit Kartellrechtsverstößen des Unternehmens und dem milliardenschweren Desaster bei den neuen Stahlwerken in Übersee. Auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) nimmt den Aufsichtsrat und die Vorstände ins Visier, die zum Jahresende ThyssenKrupp verlassen mussten.

Die Kritischen Aktionäre haben einen grundlegenden Wandel in der Unternehmenskultur des Mischkonzerns mit weltweit mehr als 150.000 Mitarbeitern gefordert. „Der Vorstand von ThyssenKrupp hat gegen die Regeln verantwortungsvoller Unternehmensführung (Corporate Governance) verstoßen, Kartellrechtsverstöße begangen sowie unverantwortliche Investitionen in Stahlwerke und in Rüstungsproduktion getätigt“, hieß es in einem Gegenantrag zur Hauptversammlung, der am Freitag auf der Internetseite von ThyssenKrupp zu lesen war. Der Wert und die Reputation des Unternehmens seien dadurch erheblich gemindert worden. Der Aufsichtsrat sei seiner Kontrollpflicht gegenüber dem Vorstand nicht gerecht geworden und sei daher mitverantwortlich.

ThyssenKrupp nahm zu den Gegenanträgen zunächst nicht Stellung. Der Konzern hat mehrere Gutachten in Auftrag gegeben, um etwaige Verfehlungen zu untersuchen. Im Fall der illegalen Preisabsprachen mit anderen Schienenherstellern sieht sich der Vorstand selbst als Opfer von Mitarbeitern, die „durch bewusstes Verschweigen und systematisches Lügen mit hoher krimineller Energie“ eine frühere Aufdeckung verhindert hätten.

Die Aktionärsschützer des DSW geben sich mit den bisherigen Ergebnissen nicht zufrieden. Sie wollen die Ex-Vorstände Olaf Berlien, Edwin Eichler und Jürgen Claassen auf dem Treffen am 18. Januar in Bochum nicht entlasten. Erst wenn die Ermittlungen beendet und Klarheit über alle Verantwortlichen für die „sehr beunruhigenden Entwicklungen“ des Konzerns bekannt seien, könne über eine Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrats nachgedacht werden. Notfalls müsse die Hauptversammlung einen Sonderprüfer bestellen, um für eine vollständige Aufklärung zu sorgen. Berlien und Eichler waren als langjährige Vorstände wegen der Kostenexplosion bei den neuen Stahlwerken in Brasilien und den USA in die Kritik geraten. Claassen musste nach Berichten über Luxusreisen auf Firmenkosten seinen Hut nehmen.

Eine Verweigerung der Entlastung wäre in erster Linie von symbolischer Bedeutung und ohne weitreichende praktische Folgen. Eine Mehrheit für die Gegenanträge ist jedoch ohnehin unwahrscheinlich, da die mächtige Krupp-Stiftung die Kritik abschmettern dürfte. Sie hält gut 25 Prozent an dem Konzern. Aufsichtsratschef Cromme hat bereits einen Rücktritt abgelehnt.