Neuer HSH-Nordbank-Chef Constantin von Oesterreich warnt vor Abwicklung der Bank. Sein erstes Interview überhaupt.
Hamburg . Es ist sein erstes Interview überhaupt. Der neue Vorstandsvorsitzende der HSH Nordbank, Constantin von Oesterreich, spricht im Abendblatt über die Krise der Bank, die Bedrohung für Hamburg und Schleswig-Holstein und seinen Spitznamen.
Hamburger Abendblatt: Sie sind gebürtiger Hamburger und führen nun die größte Hamburger Bank. Geht ein Traum in Erfüllung oder ist es eher ein Albtraum?
Constantin von Oesterreich: Ein Traum ist, dass ich wieder in der Stadt leben und arbeiten darf, in der meine Familie seit 1885 beheimatet ist. Es ist eine herausfordernde und äußerst spannende Aufgabe, für die ich mich sehr bewusst entschieden habe. Mein Ziel ist es, die Bank in eine sichere Zukunft zu führen.
Direkt nach Amtsantritt haben Sie mitgeteilt, dass die HSH Nordbank die Garantien der Länder mit bis zu 1,3 Milliarden Euro ab 2019 in Anspruch nehmen wird. Bislang war die Politik, dass das wohl nicht eintritt. Was war der Grund für die Verschärfung der Tonart?
Von Oesterreich: Der Markt hat den Ton verändert. Das Umfeld, in dem wir agieren hat sich seit Sommer in einer Weise eingetrübt, die nicht vorhersehbar war. Die Euro-Staatsschuldenkrise, die weltweite konjunkturelle Eintrübung und allem voran die deutlich verschärfte Lage der internationalen Seeschifffahrt, die für uns von besonderer Bedeutung ist, sind die Stichworte. Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Risikovorsorgeplanung umfassend überarbeiten müssen. Auf dieser Basis gehen wir davon aus, dass wir die Ländergarantie bis Ende 2025 voraussichtlich mit bis zu 1,3 Milliarden Euro in Anspruch nehmen werden.
Wie haben Sie die Summen errechnet?
Von Oesterreich: Wir haben das Risikomanagement der Bank inhaltlich und personell maßgeblich verstärkt - gemeinsam mit mir sitzen allein im Top-Management 75 Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet. Mit diesem Know-how wurde das Kreditbuch unserer Bank Punkt für Punkt durchforstet. So sind wir auf diese Größe gekommen.
Wie muss man sich das vorstellen: Sie sitzen gemeinsam in einem Raum über einem Stapel Papieren? Oder lassen Sie nur Computerprogramme durchlaufen?
Von Oesterreich: Zunächst kommen die Computerdurchläufe, dann weiß man, auf welche großen Brocken man gucken muss. Darauf aufbauend erfolgt die Gewichtung. Das ist eine Synthese aus Wissenschaft, Erfahrung und Handwerk. Sie können gewisse quantitative Erfahrungen in die Zukunft fortschreiben, aber mit der Bewertung funktioniert das nicht. Diese Krise ist viel härter und langwieriger als vorherige, sie ist weder regional begrenzt wie die Asienkrise noch auf eine Branche wie seinerzeit die Internet-Blase, da funktionieren historische Werte nicht mehr.
Haben Sie in diese Prognose eine Sicherheitsspanne eingebaut?
Von Oesterreich: Um es klar zu sagen: Ich halte die Größenordnung für realistisch. Natürlich kann es Schwankungen geben, schließlich betrachten wir einen sehr langen Zeitraum.
Würden Sie den Steuerzahlern versprechen, dass es, wenn es jetzt kein unvorhersehbares Ereignis gibt und die Wirtschaft sich erholt, in etwa auf diese Summe von 1,3 Milliarden Euro hinausläuft?
Von Oesterreich: Davon bin ich zum jetzigen Zeitpunkt überzeugt. Demgegenüber stehen aber auch unsere Garantiegebühren, die wir Jahr für Jahr zahlen - 2012 allein 280 Millionen Euro. Hochgerechnet bis zum Jahr 2025 übersteigt die Summe unsere Garantiegebühren den von den Ländern voraussichtlich zu tragenden Verlust substanziell.
Die Verluste resultieren vor allem aus der Schifffahrtskrise. Wie lange wird diese aus Ihrer Sicht noch dauern und welche Folgen wird sie für Hamburg haben?
Von Oesterreich: Wir gehen nicht davon aus, dass sich vor 2014 nachhaltig etwas verbessert. Es kann also auch 2015 oder 2016 werden. Darauf sind wir vorbereitet - auch wenn die Krise der Schifffahrt länger dauert als ursprünglich erwartet und wir härter davon betroffen sind. Die Schifffahrt wird sich erholen, da sie im Welthandel alternativlos ist. Und wir bekennen uns zu unserer Rolle als langfristiger, zuverlässiger Partner der maritimen Wirtschaft, die für Hamburg und den gesamten Norden von immenser Bedeutung ist.
Es gibt Experten, die befürchten, dass von Ihrem 30 Milliarden Euro großen Schifffahrtsportfolio die Hälfte ausfallen wird. 15 Milliarden Verlust würden Hamburg und Schleswig-Holstein finanziell ruinieren. Muss nicht versucht werden, Hilfe vom Bund zu bekommen?
Von Oesterreich: Auch ich bin mir der Bedeutung der Bank für die Länder bewusst. Mein oberstes Ziel ist es, Schaden von unseren Anteilseignern und den Bürgern fernzuhalten. Allerdings muss ich auch einräumen, dass in der Bank in den Jahren vor 2009 schwere Fehler gemacht wurden. Mit diesen müssen wir jetzt sehr verantwortungsvoll umgehen. Dazu gehört auch, dass nicht von jeder Seite irgendeine beliebige Verlustgröße für unser Shipping-Portfolio in die Welt gesetzt werden sollte. Unsere überarbeitete Risikovorsorgeplanung bildet die erwarteten Verluste in unserm Shipping-Portfolio aus heutiger Sicht umfänglich ab. Vom Bund ist für die maritime Wirtschaft aktuell wohl keine Unterstützung zu erwarten.
Welche Möglichkeiten, die Bank zu stabilisieren, prüfen Sie sonst noch?
Von Oesterreich: Vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wäre es unvernünftig, wenn wir uns nicht auf weitere Unannehmlichkeiten vorbereiten würden. Deshalb haben wir Ende August erklärt, dass wir Maßnahmen zur Sicherung angemessener Kapitalquoten prüfen, die wir teilweise bereits umsetzen.
Ihr Aufsichtsratsvorsitzender Hilmar Kopper hat die Aufstockung der Länder-Garantie von sieben auf zehn Milliarden Euro ins Gespräch gebracht.
Von Oesterreich: Das hätte eine sehr positive Wirkung auf unsere Kapitalquoten. Auch wenn wir es derzeit nicht benötigen, haben die Länder uns zugesichert, dass sie eine Anhebung der Garantie begleiten würden.
Was ist mit der möglichen Beteiligung privater Investoren? JC Flowers aus den USA, der bereits an der HSH beteiligt ist, soll Interesse haben, einen Teil der Garantie zu übernehmen. Damit würden Sie ein neues EU-Verfahren wegen staatlicher Beihilfen umgehen.
Von Oesterreich: Die Aufstockung der Zweitverlustgarantie durch die Beteiligung privater Investoren ist eine denkbare Option. Voraussetzung wäre allerdings, dass der private Investor die Garantie zu gleichen Konditionen übernehmen würde wie die Länder. Ein neues Beihilfeverfahren - das niemand haben möchte - würde diese Variante sicher nicht nach sich ziehen.
Finanzsenator Tschentscher sagt, Hamburg habe ein Interesse daran, dass es eine Bank gibt, die die maritime Wirtschaft finanziert. Inwiefern ist die HSH für den Norden systemrelevant?
Von Oesterreich: Wir sind einer der wenigen voll handlungsfähigen und -bereiten Anbieter für Schiffsfinanzierungen, andere haben sich aus diesem Bereich zurückgezogen. In dieser Funktion haben wir eine große Bedeutung für die Region. Wir sind aber auch außerhalb der Schifffahrt ein bedeutender Kreditgeber für die Wirtschaft - nicht nur in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Was sagen Sie Kritikern, die die Abwicklung der HSH Nordbank fordern?
Von Oesterreich: Das wäre weder sachgerecht noch vernünftig. Wer die Abwicklung der Bank fordert, muss sich im Klaren darüber sein, welchen immensen Schaden das für die Länder und die Region nach sich ziehen würde. Die Haushalte würden nachhaltig belastet, es würde ein erheblicher Schaden für den Norden und insbesondere für die maritime Wirtschaft entstehen. Mehr als 3000 Arbeitsplätze bei uns und viele weitere im Umfeld wären gefährdet.
Die HSH will sich als "Bank für Unternehmer" positionieren. Sie haben selbst eingeräumt, dass Sie mit dem Erreichten nicht zufrieden sind. Woran hakt es?
Von Oesterreich: Jedenfalls nicht am Geschäftsmodell. Mit ähnlichen waren auch unsere Vorgängerinstitute erfolgreich. Wir hatten es aus dem Fokus verloren und angesichts der Turbulenzen in den vergangenen Jahren Kunden eingebüßt. Die müssen wir nun zurückgewinnen. Das Wort Kredit kommt vom Lateinischen "credere" und das heißt "vertrauen". Auch ich werde mich sehr viel und intensiv um die Kundenwerbung kümmern. Unsere Ergebnisse zeigen aber auch, dass wir mit unserem Geschäftsmodell zunehmend Tritt fassen. Die Zahlen der Bereiche werden von Monat zu Monat besser.
Kopper sagte, der Verlust 2012 werde "sicher höher" sein als das Minus von 263 Millionen Euro in 2011.
Von Oesterreich: Wir tun natürlich alles in unserer Kraft stehende, um besser abzuschließen. Im Moment sieht es nicht so aus, als werde der Verlust höher sein als im Vorjahr. Aber ausschließen können wir das nicht.
Hilmar Kopper gilt als starker Mann bei der HSH. Er stand zunächst hinter Vorstandschef Nonnenmacher, hat ihn dann doch fallen gelassen. Dann holte er Paul Lerbinger zur HSH und wechselte auch ihn nach anderthalb Jahren aus. Auch Sie hat er geholt und zum Vorstandschef gemacht. Wie sehen Sie seine Rolle?
Von Oesterreich: Herr Kopper ist der von den Anteilseignern bestellte Aufsichtsratsvorsitzende. Mir steht es nicht an, mich zu ihm zu äußern.
Nonnenmacher darf seine Millionenabfindung wohl unabhängig vom Ausgang der juristischen Verfahren behalten. Verstehen Sie die Aufregung darüber?
Von Oesterreich: Natürlich kann ich verstehen, dass so ein emotionales Thema die Menschen bewegt. Allerdings ist dies keine Angelegenheit des Vorstands, sondern des Aufsichtsrats. Ich gehe davon aus, dass der Aufsichtsrat wie angekündigt Maßnahmen ergreift, um eine Verjährung von Schadenersatzansprüchen zu verhindern.
HSH-Mitarbeiter gaben ihnen den Spitznamen "Sissi". Wie gehen Sie damit um?
Von Oesterreich: In der Zeit meiner Berufung zum Vorstand gab es in Länderkreisen für mich den Codenamen "Sissi", und das hat sich nun verselbstständigt. Wenn ich mich so anschaue, habe ich keine Ähnlichkeit mit der Kaiserin, aber ich nehme das mit Humor.