Zwei Jahre Sparaufschub - doch Zeit bedeutet Geld. Wie der Aufschub finanziert werden soll, ist unter den Geldgebern umstritten.
Brüssel/Berlin/Lissabon. Rettung in letzter Minute: Das krisengeschüttelte Griechenland soll zwei Jahre mehr zum Sparen bekommen. Das haben die Euro-Finanzminister nach Vorschlag der internationalen Geldgeber der „Troika“ am späten Montagabend beschlossen. Der Aufschub sei „eine angemessene Anpassung angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung“, heißt es in einer Erklärung der Eurogruppe vom späten Montagabend.
Die Kredittranche von 31,5 Milliarden Euro aus dem laufenden Hilfsprogramm wird erst später freigegeben. Vor einem bindenden Beschluss müssen mehrere nationale Parlamente – darunter der Bundestag – zustimmen. „Es gibt auch noch parlamentarische Prozeduren, die es zu beachten gilt, nicht nur in Deutschland“, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker.
An den Finanzmärkten wurde der Vorschlag der Troika mit Erleichterung aufgenommen, der Euro gewann am Montag leicht hinzu.
Das laufende Hilfsprogramm von 130 Milliarden Euro läuft bis 2014 - diese Frist würde dann nach dem derzeitigen Szenario bis 2016 verlängert. Die Finanzierungslücke beziffert die „Troika“ allein für kommenden beiden Jahre auf 20,7 Milliarden Euro – insgesamt könnten es laut Schätzungen rund 30 Milliarden Euro sein. „Mehr Zeit kostet auch mehr Geld“, sagte Österreichs Finanzministerin Maria Fekter. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Minister wieder zu ihren eigenen Steuerzahlern gehen.“
Fekter sprach von einem „Mix von Möglichkeiten“ wie etwa die Streckung von Zahlungszielen. Die Europäische Zentralbank EZB könne Gewinne mit griechischen Staatsanleihen an nationale Notenbanken weiterleiten, die diese wiederum an Eurostaaten auszahlen könnten. Der Staatsbankrott droht schon bald, da Griechenland bereits am 16. November alte Schulden bedienen muss. Als wahrscheinlichste Lösung zeichnet sich ab, dass der griechische Staat kurzfristig weiter auf EZB-Hilfe zurückgreifen kann.
Andere Optionen – etwa ein teilweiser Schuldenerlass, zusätzliche Kredite oder der Rückkauf griechischer Staatsanleihen – sind umstritten. Vor allem Deutschland wehrt sich gegen einen Schuldenschnitt oder ein drittes Hilfspaket.
Die „Troika“-Geldgeber aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) schlagen den Aufschub von zwei Jahren vor. Dies geht aus dem Entwurf einer neuen Vereinbarung der „Troika“ mit der griechischen Regierung („Memorandum of Understanding“/MoU) zur Umsetzung der Reformen hervor, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Juncker befürwortet den Aufschub. „Der Troika-Bericht ist im Grundton positiv, weil die Griechen ja wirklich geliefert haben.“ Die Geldgeber bescheinigten dem Land Fortschritte.
Das Rettungsprogramm muss wegen der Rezession in Griechenland und der wachsenden Schuldenlast nachgebessert werden. Die Europartner sind fest entschlossen, das Land nicht pleitegehen zu lassen.
Bei der Bewertung der Lage Griechenlands fehlt noch ein Bericht zur Schuldentragfähigkeit, das heißt der Frage, wann das Land seine Schulden wieder komplett zurückzahlen kann, ohne sein Wachstum zu gefährden. Bislang soll die Zielgröße von 120 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 erzielt werden.
Der Termin für eine weitere Sitzung stehe noch nicht fest. Juncker will nach eigenen Worten vor dem EU-Sondergipfel am 22. und 23. November zu einer Entscheidung zu kommen.
Griechenland hatte jüngst mit der parlamentarischen Billigung eines Spar- und Reformpakets sowie der Verabschiedung eines weiteren Sparhaushalts für 2013 eine Voraussetzung für Hilfen beschlossen.
Die Euro-Länder sind sich über das Vorgehen nicht einig. Während Frankreich Tempo für eine schnelle Auszahlung der nächsten Griechenland-Hilfen macht, pocht Deutschland auf Gründlichkeit. „Wir müssen mit dem griechischen (Hilfs-)Programm vorankommen“, forderte Finanzminister Pierre Moscovici – auch wenn noch nicht alle Punkte restlos geklärt seien. Der Pariser Minister lobte die „enormen Anstrengungen“ Griechenlands auf dem Weg zu gesunden Staatsfinanzen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte dagegen vor übereilten Entscheidungen: „Man muss erst mal sehen, was Griechenland geliefert hat.(..) Die Gründlichkeit muss sein.“ Die Troika habe noch keine Lösung gefunden, wie die Finanzierungslücke zu schließen sei.
Unterdessen verteidigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die schwierigen Reformen bei verschuldeten Euro-Partnern trotz heftiger Proteste. „Es geht nicht um Sparprogramme als Selbstzweck“, sagte Merkel am Montag bei einem Kurzbesuch in Lissabon, der von einem großen Polizeiaufgebot geschützt werden musste. Immer neue Schulden dürften es künftigen Generationen aber nicht unmöglich machen, Investoren anzulocken und Arbeitsplätze zu schaffen. Die Kanzlerin ermutigte Portugal, das seit vergangenem Jahr unter dem Euro-Rettungsschirm steht, zu weiteren Bemühungen.