Jeder Zweite kann sich über eine größere Überweisung freuen als im Vorjahr. Einzelhändler hoffen auf ein gut laufendes Weihnachtsgeschäft.
Düsseldorf/Berlin. Für viele fällt das Weihnachtsgeld in diesem Jahr so üppig aus wie lange nicht. Rund 14 Millionen Beschäftigten wird nach Schätzungen von Experten mit dem Novembergehalt die zusätzliche Zahlung vom Arbeitgeber überwiesen. Jeder Zweite von ihnen kann sich sogar über eine größere Überweisung freuen als 2011, sagte der Leiter des WSI-Tarifarchivs der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Reinhard Bispinck. Denn die höheren Tarifabschlüsse in zahlreichen Branchen schlagen auch auf das Weihnachtsgeld durch, das in den meisten Fällen an das Monatseinkommen gekoppelt ist.
Auch die Einzelhändler warten sehnsüchtig auf den Zahltag und hoffen, dass die Menschen möglichst viel Geld für Weihnachtsgeschenke ausgeben. „Mit dem Weihnachtsgeld bekommen die Kunden pünktlich zum für den Handel sehr wichtigen Weihnachtsgeschäft zusätzliches Geld auf das Konto“, erklärte ein Sprecher des Handelsverbandes Deutschland (HDE). „Der Handel profitiert davon, weil zur Weihnachtszeit viele Arbeitnehmer mit dem zusätzlichen Geld Geschenke einkaufen gehen oder sich selbst etwas gönnen.“
Ende November wird das Weihnachtsgeschäft voraussichtlich richtig in Gang kommen. „Vor allem dann, wenn in den Haushalten die 13. Monatsgehälter überwiesen werden, wird das Ganze noch einmal an Dynamik gewinnen“, hatte GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl kürzlich gesagt. Allerdings betonte er auch: „Vor dem Hintergrund der Konjunkturabschwächung und der Eurokrise ist es sicherlich ein Erfolg, wenn man das Niveau des Weihnachtsgeschäfts vom Vorjahr halten oder leicht steigern kann.“
Das Weihnachtsgeld hat in Deutschland eine jahrzehntelange Tradition. Bereits in den 50er und 60er Jahren sei die Zahlung für einzelne Branchen vereinbart worden, sagte Bispinck. In der Breite sei diese in den 70ern eingeführt worden. In der Metallindustrie gibt es das Weihnachtsgeld seinen Angaben zufolge seit 1972, damals betrug es bis zu 30 Prozent eines Monatseinkommens. Mitte der 90er stieg es auf bis zu 60 Prozent, in diesem Jahr sind es bis zu 55 Prozent.
Doch das Weihnachtsgeld ist nicht die einzige zusätzliche Zahlung. Rund 17 Prozent der Arbeitnehmer erhalten eine Gewinnbeteiligung, 21 Prozent weitere Sonderzahlungen, ergab eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage der Internetseite www.lohnspiegel.de, die vom WSI-Tarifarchiv betreut wird.
Vor allem größere Unternehmen zahlten ihren Beschäftigten neben dem tariflich vereinbarten Weihnachtsgeld auch eine Sonderzahlung, mit der sie ihre Mitarbeiter am Gewinn beteiligen, heißt es beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln). Aus Daten des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit gehe hervor, dass 2011 jeder dritte Betrieb mit 500 oder mehr Mitarbeitern seine Belegschaft oder Teile seiner Belegschaft am Unternehmensgewinn beteiligt habe. So hatten zum Beispiel Beschäftigte in der Autobranche von dicken Prämien profitiert.
Für die Arbeitgeber ist laut IW Köln vor allem die Gewinnbeteiligung ein wichtiges Instrument, um Motivation und Leistung der Mitarbeiter zu steigern. Außerdem ermögliche sie eine flexible Beteiligung der Belegschaft am Unternehmenserfolg, erläutert das arbeitgebernahe Institut. Die tariflichen Sonderzahlungen seien hingegen fest vereinbart. Sie könnten nur im Ausnahmefall gekürzt werden, zum Beispiel bei einer schwierigen Geschäftslage.
Jüngstes Beispiel: Die Beschäftigten der angeschlagenen Baumarktkette Praktiker beteiligen sich an der Sanierung des Unternehmens – in erster Linie durch Reduzierung oder Streichung des Weihnachtsgelds sowie tariflicher und betrieblicher Prämien.
Nach Berechnungen des Arbeitskostenexperten Christoph Schröder vom IW Köln machten die fest vereinbarten Sonderzahlungen, zu denen auch das tarifliche Weihnachtsgeld gehört, in der Industrie im vergangenen Jahr rund sieben Prozent der Jahreseinkommen der Arbeitnehmer aus und variable Sonderzahlungen wie Gewinnbeteiligungen knapp vier Prozent.
Handelsexperte Thomas Harms von der Beratungsgesellschaft Ernst & Young sieht jedoch dunkle Wolken am Konjunkturhimmel aufziehen. Viele deutsche Unternehmen schraubten ihre Umsatz- und Gewinnprognosen herunter und die Konjunktur in Europa werde sich noch mindestens ein Jahr lang sehr schwach entwickeln. „Auf Sonderprämien, die im Vorjahr viele Großunternehmen angesichts der guten Geschäftslage an ihre Mitarbeiter ausgezahlt haben, dürften die meisten Beschäftigten in diesem Jahr vergeblich warten.“