Minister: Europa gewinnt Vertrauen zurück - Schäuble nennt Europas Kommunikation ein Desaster - Die Fortschritte sind unbestreitbar

Singapur. Wolfgang Schäuble hat eine Mission: Der Bundesfinanzminister will im fernen Asien verloren gegangenes Vertrauen für Europa zurückgewinnen. Dafür legt er sich bei Politikerkollegen und Anlegern mächtig ins Zeug – beim IWF-Herbsttreffen in Tokio ebenso wie in Singapur mit seinen finanzstarken Staatfonds. Auch bei der Konferenz der asiatischen und europäischen Finanzminister, zu der er am Sonntag nach Bangkok flog, will er gut Wetter machen für die vielstimmige Alte Welt. Der Finanzminister des wichtigsten Euro-Landes fühlt sich dabei auch persönlich gefordert. Europa, so seine Kritik, könne Erfolge im Kampf gegen die Krise nicht vermitteln und schaffe es daher nicht, für mehr Ruhe zu sorgen.

„Europa ist schwierig“, räumt Schäuble bei jeder Gelegenheit ein. Besonders im Blick hat er Asiens finanzstarke Investoren, die fernab von Europa wenig Verständnis für dessen tägliche Irrungen und Wirrungen haben. Die will er gewinnen, wieder stärker in europäische Staatsanleihen zu investieren. Europa verdient einen Vertrauensvorschuss, so seine Botschaft.

Natürlich werde die Bewältigung der Krise noch lange dauern, bittet der 70-Jährige um Geduld. Daran, dass sie international immer noch so schwach dastehen, sind die Europäer nach seiner Auffassung zu einem Großteil selbst Schuld. „Natürlich ist unsere Kommunikation ein Desaster“, gibt er vor Geschäftsleuten in Singapur freimütig zu. „Und das wird auch so bleiben.“ Schuldige nennt er allerdings nicht. So bleibt offen, ob er sie in Brüssel oder in den europäischen Hauptstädten sieht.

Aber Schäuble wirbt um Verständnis. In der Euro-Zone gebe es eben 17 Länder, 17 Regierungen, 17 Kommunikationsstrategien und Medienlandschaften. „Jeder gibt Interviews, jeder fragt, jeder gibt Antworten“, beklagt er. Da könne ja kein einheitliches Bild entstehen. Und etwas später wähnt sich Schäuble in der Rolle eines Zuchtmeister, der immer wieder sagt: „Man sollte nicht spekulieren.“ Spekulationen sorgen nur für Unsicherheiten, wie eine seiner Weisheiten lautet. Und die brauche man momentan überhaupt nicht. Er wirkt zunehmend genervt, manchmal offen verärgert und hin und wieder auch ätzend sarkastisch. Dabei gibt Schäuble selbst mit Andeutungen und unscharfen Formulierungen oft genug Anlass für vielfältige Interpretationen.

Dabei hat es Europa aus Schäubles Sicht verdient, dass ihm rund um den Erdball wieder mehr Vertrauen geschenkt wird. Es habe sich inzwischen die richtigen Instrumente zur Bekämpfung der Krise und für Finanzdisziplin gegeben, gehe in Richtung einer gemeinschaftlicheren Finanz- und Wirtschaftspolitik und stehe fest zum Euro.

Schäuble spricht gerne auch vom Abbau überhöhter Staatsdefizite. „Ich habe meine Kollegen daran erinnert, dass wir, die entwickelten Länder, uns 2010 versprochen haben, unsere Defizite bis 2013 zu halbieren“, sagt er bei der IWF-Jahrestagung. „Ich sage, die Euro-Zone als Ganzes hat ihr Defizit von 2009 bis 2012 halbiert, von 6,4 Prozent auf 3,2 Prozent. Unsere Zahlen sind besser als in anderen fortgeschrittenen Ländern“, erläutert er mit Blick auf die USA und andere. Auch bei den Arbeitskosten, einem Kernfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, hätten gerade Euro-Krisenländer Sprünge nach vorne gemacht. „Das heißt, der Abbau von Ungleichgewichten in der Euro-Zone schreitet voran.“

Hält man es mit dem Bundesfinanzminister, wird die Welt bald erkennen, dass sie ihre Aufmerksamkeit von Europa auf andere Krisenfälle wie die USA richten muss. Noch ist es aber nicht soweit. Dafür sorgt allein schon das, was der Minister immer wieder beklagt: die tägliche Vielstimmigkeit der Europäer.