Eingeweihte: Anhebung des Renteneintrittsalters wird beschleunigt. Kreise: Renten sollen nicht mehr an Inflation angepasst werden.

Madrid. Die spanische Regierung drückt bei der Rentenreform aufs Tempo. Nach Auskunft mehrerer mit der Angelegenheit vertrauter Personen soll die Rente mit 67 schneller kommen als geplant. Auch die Abschaffung des Inflationsausgleichs für Senioren werde erwogen.

Es sei bereits eine ausgemachte Sache, dass das Renteneintrittsalter von derzeit 65 auf 67 Jahre nicht erst schrittweise über 15 Jahre eingeführt werden soll, sondern zügiger, sagten die Eingeweihten am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Saenz de Santamaria dementierte dies.

Umstritten ist den Kreisen zufolge die Frage, ob die Renten nicht mehr an die Inflation angepasst und damit de facto gekürzt werden sollen. Allein durch diesen Schritt könnte die Regierung in Madrid jedes Jahr mindestens vier Milliarden Euro einsparen. Im Wahlkampf hatte Regierungschef Mariano Rajoy noch versprochen, die Renten nicht anzutasten.

Trotz zuletzt sinkender Risikoaufschläge auf spanische Staatsanleihen wird damit gerechnet, dass das Land bald ein komplettes Hilfsprogramm seiner Euro-Partner über den Rettungsschirm ESM beantragen könnte und im Gegenzug dafür seine Sparbemühungen verstärken muss. Zur Stützung seiner kriselnden Banken bekam Spanien von den Euro-Staaten bereits Hilfsgelder von bis zu 100 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, wovon 50 bis 60 Milliarden Euro in Anspruch genommen werden dürften. Die damit verbundenen Auflagen beziehen sich allein auf den Finanzsektor, weshalb trotz der Milliarden-Summe von einem „kleinen Hilfsprogramm“ die Rede ist.

Das Bundesfinanzministerium in Berlin bezeichnete Medienberichte als Spekulation, wonach die spanische Regierung beantragte Bankenhilfen aus dem ersten Euro-Rettungsschirm EFSF in staatliche Hilfen umwidmen will. Auf die Frage, ob Spanien übrig bleibende Gelder aus dem Bankenhilfsprogramm für andere Zwecke umwidmen könne, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble vor der Auslandspresse in Berlin: „Das ist eine gefährliche Vorstellung.“

Sein Sprecher Martin Kotthaus sagte, Spanien habe EFSF-Hilfen zur Restrukturierung seiner Banken beantragt, wobei die benötigte Summe Ende September genannt werden solle. „Das Bankenrekapitalisierungsprogramm sieht 100 Milliarden Euro für den Bereich Rekapitalisierung von Banken vor. Dafür ist das Geld vorgesehen“, sagte Kotthaus. Alles weitere seien Spekulationen.

Mit den nun anvisierten Reformen bei der Rente will die spanische Regierung offenbar den Weg für ein „großes Hilfsprogramm“ ebnen und den damit verbundenen Sparauflagen teilweise zuvorkommen. Die Maßnahmen könnten bereits nächste Woche bei der Vorstellung des Haushalts 2013 bekanntgegeben werden, sagte ein Insider. EU-Vertreter in Brüssel verwiesen wiederum auf die am 21. Oktober anstehenden Regionalwahlen im Baskenland und in Galicien, der Heimat des konservativen Ministerpräsidenten Rajoy. Hinzukommen könnten außerdem noch vorgezogene Wahlen in Katalonien: Regionalpräsident Artur Mas hält sich diese Option ausdrücklich offen, nachdem ihm Rajoy bei seinem Werben um weitgehende Steuerautonomie für die hoch verschuldete Region einen Korb gegeben hat. Ein Hilfsantrag Spaniens vor dem „Superwahltag“ sei eher unwahrscheinlich, sagten mit der Angelegenheit befasste Personen in Brüssel.

Rajoy hatte vor seiner Wahl im vergangenen Jahr wiederholt erklärt, die Renten nicht antasten zu wollen. Kurz nach der Amtsübernahme führte er sogar den Inflationsausgleich für Rentner wieder ein, den sein sozialistischer Vorgänger Jose Luis Rodriguez Zapatero noch im Mai 2010 abgeschafft hatte. Eingeweihte erklärten nun, dass Rajoy eine Kehrtwende vorbereite. Dabei verwiesen sie auch auf Äußerungen von Vize-Regierungschefin Soraya Saenz de Santamaria, die zuletzt nur noch davon gesprochen hatte, dass die Regierung vorerst keine Kürzungen bei der Rente plane.

Unter Experten unumstritten ist, dass Spanien definitiv bei der Rentenreform nachlegen müsste, sollte es beim ESM einen Hilfsantrag stellen. So hatten auch schon Griechenland, Irland und Portugal im Gegenzug für milliardenschwere Hilfskredite der Euro-Partner die Renten um bis zu 40 Prozent kürzen müssen. Wie viele andere Länder in Südeuropa leidet auch Spanien unter einer hohen Arbeitslosigkeit besonders unter jungen Menschen. Mit der steigenden Arbeitslosenquote von bald über 25 Prozent schrumpft zunehmend die Zahl der Menschen, die überhaupt noch ins staatliche Rentensystem einzahlen.