Branchenkenner sehen den Zusammenschluss von EADS mit BAE Systems mit Skepsis. An den Börsen stürzte der Kurs des Airbus-Mutterkonzerns ab.
Hamburg. Zumindest der Aktie des Airbus-Mutterkonzerns EADS sind die Pläne für einen Zusammenschluss mit dem britischen Rüstungsunternehmen BAE Systems nicht gut bekommen: Der Kurs des Papiers sackte gestern an der Börse zeitweise um mehr als zehn Prozent ab. Dagegen konnten die Anteilsscheine der Briten zwar die hohen Kursgewinne nach Bekanntwerden der Fusionsgespräche nicht halten, pendelte sich aber auf höhere Notierungen als in den Tagen zuvor ein.
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"Was die EADS-Papiere drückt, ist vor allem das vorgesehene Umtauschverhältnis", sagt Ingo Schmidt, Analyst der Haspa: Nach Angaben der beiden Unternehmen sollen die Anteilseigner von EADS künftig mit 60 Prozent an einem gemeinsamen Konzern beteiligt sein und die BAE-Aktionäre mit 40 Prozent. Aber: Gemessen am bisherigen Börsenwert müsste der EADS-Anteil bei 69 Prozent liegen und der BAE-Anteil nur bei 31 Prozent. "Die Aktionäre von EADS würden verglichen damit also deutlich schlechter gestellt", erklärt Schmidt.
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Die Logik hinter der angepeilten Fusion sei hingegen klar nachvollziehbar, findet der Experte: "EADS war zuletzt immer stärker daran interessiert, den Rüstungsbereich durch Zukäufe auch in den USA auszubauen. Das ist bisher aber nicht wirklich gelungen." Die Brücke nach Amerika ließe sich durch den Zusammenschluss mit BAE Systems jedoch schlagen. Denn die Briten erwirtschaften von ihrem Gesamtumsatz in Höhe von umgerechnet 24 Milliarden Euro knapp zehn Milliarden Euro allein in den USA. Außerdem hat das Unternehmen in den USA gut 37 000 Beschäftigte - mehr als in Großbritannien - und arbeitet an wichtigen amerikanischen Rüstungsprojekten mit, zum Beispiel am Kampfflugzeug F-35 Lightning II des Herstellers Lockheed Martin. "Eindeutig ist: Will man auf dem US-Rüstungsmarkt, der mehr als zehnmal so groß ist wie der deutsche, Erfolg haben, muss man dort vor Ort vertreten sein", sagt Sebastian Hein, Branchenanalyst beim Bankhaus Lampe. "Diese Präsenz in den USA würde BAE Systems bieten."
Wie wichtig dieser Faktor ist, wurde dem Management des Airbus-Mutterkonzern im vergangenen Jahr drastisch klargemacht: In der Ausschreibung für einen Tankflugzeug-Auftrag der US-Luftwaffe im Wert von 35 Milliarden Dollar zog EADS gegen Boeing den Kürzeren, obwohl Beobachter den Europäern gute Chancen eingeräumt hatten.
Ob es aber zu der geplanten Fusion kommt, ist nicht gewiss. Auch wenn EADS-Chef Thomas Enders zweifellos im Vorfeld mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über sein Vorhaben gesprochen hat, ist eine Zustimmung der Regierungen in Berlin, Paris und Madrid, die allesamt Beteiligungen an dem Konzern halten, nach Auffassung von Ingo Schmidt keineswegs ausgemacht.
"Es wird sicherlich Widerstände geben", meint auch Hein. "Infolge der Fusion würden die staatlichen EADS-Anteilseigner an Einfluss verlieren. Vielleicht tun sich die Franzosen, die eine aktivere Industriepolitik verfolgen, damit etwas schwerer." Auf der anderen Seite könne es für das Unternehmen und für den Aktienkurs auf längere Sicht positiv sein, wenn der staatliche Einfluss auf die Geschäftspolitik abnehme, gibt Schmidt zu bedenken.
Aber nicht nur in Europa müssen erst noch Hürden genommen werden. So könnten die Amerikaner, mit denen BAE Systems eng zusammenarbeitet, Bedenken haben, dass Informationen über ihre Technologien nach Kontinentaleuropa gelangen könnten. "Dennoch dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass es wirklich zu dem Zusammenschluss kommt, bei mehr als 50 Prozent liegen", schätzt Hein.
Mit der Fusion würden die beiden europäischen Partner den US-Konzern Boeing als größtes Luft- und Raumfahrtunternehmen der Welt überholen und auch an Lockheed-Martin als dem weltweit bedeutendsten Rüstungsanbieter vorbeiziehen. Branchenexperte Hein ist dennoch nicht restlos von der Strategie des EADS-Chefs überzeugt: "Die Frage ist, ob sich EADS nicht zu stark am Modell Boeing mit den zwei starken Standbeinen Ziviljets und Rüstung orientiert." Zwar argumentiere EADS schon seit längerer Zeit, die Zivilluftfahrt sei extrem schwankungsanfällig. "Aber langfristig ist das Wachstum in diesem Bereich ein Megatrend." Die Motive von BAE Systems hingegen seien klar: "Die Briten wollen einen Fuß ins zivile Geschäft bekommen."
Hein ist keineswegs der einzige Marktbeobachter, der die Pläne im Hinblick auf EADS skeptisch sieht. So stufte das Analysehaus Independent Research die Aktie wegen der mit der angestrebten Fusion gestiegenen Unsicherheiten von "kaufen" auf "halten" herab.
Die Arbeitnehmerseite hält sich mit einer Einschätzung bisher zurück. Es sei noch zu früh, mögliche Auswirkungen auf Airbus beurteilen zu können, sagt IG-Metall-Sprecher Heiko Messerschmidt. "Die Aktivitäten von EADS in Hamburg und Norddeutschland liegen aber überwiegend im zivilen Bereich, daher dürften sich keine gravierenden Veränderungen ergeben."