Der gemeinsamer Anlageraum in Europa ist tot. Der Grund dafür: Die Finanzmärkte an der Peripherie der Euro-Zone stürzen ab. Privatanleger verlassen mit ihren Investments in Scharen den Euro-Raum und die Währung sackt dramatisch ab. Der Euro fällt auf niedrigsten Stand seit 19 Monaten.
Der gemeine Privatanleger gilt selten als Trendsetter an den Märkten. Ob zum Internethype zur Jahrtausendwende oder dem Bullenmarkt zwischen 2003 und 2008: immer kamen die kleinen Investoren erst dann aufs Parkett, wenn die Börsenmesse schon gelesen war. Doch in einem Punkt haben die deutschen Sparer offenbar ein überraschend gutes Gespür: beim Euro.
Geht es um die Stabilität und Zukunft ihrer Währung steuern sie zielgenau und vor allem rechtzeitig alternative Häfen an. So sind die hiesigen Anleger in den vergangenen Monaten in Scharen aus europäischen Aktienfonds geflohen und haben ihr Erspartes in globale oder US-Produkte investiert. Nach Zahlen des Branchenverbandes BVI zogen sie im ersten Quartal eine Dreiviertel Milliarde aus Europafonds ab und steckten im Gegenzug fast 500 Mio. Euro in Aktienprodukte mit Anlageschwerpunkt USA.
Anscheinend zu recht. Denn Europa scheint als einheitliche Anlageklasse ausgedient zu haben. Augenfällig wird das an der Talfahrt des Euro. Ungeachtet des 750 Mrd. Euro schweren Rettungspakets für die Euro-Zone rutschte die Gemeinschaftswährung zum Wochenschluss unter die Marke von 1,24 Dollar auf den tiefsten Stand seit Oktober 2008.
Einflussreiche Finanzmarktakteure wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann äußerten Zweifel daran, dass Griechenland seine Schulden jemals zurückbezahlen kann. US-Präsidentenberater Paul Volcker sagte gar einen Kollaps der Euro-Zone voraus.
Auch die Entwicklung der europäischen Aktienbörsen offenbart das Drama. Seit dem Beginn der Euro-Turbulenzen Mitte Oktober nehmen die Börsianer die Euro-Zone auseinander. Analog zu den Diskrepanzen bei europäischen Staatsanleihen driften auch die Börsenindizes auf dem Kontinent extrem auseinander. Die griechische Börse ist in den vergangenen 19 Monaten um knapp 43 Prozent abgerutscht und hält damit die rote Laterne, gefolgt von Spanien und Portugal mit minus 21,4 beziehungsweise 20,6 Prozent. Zum Wochenschluss stürzte die Börse in Madrid in der Spitze noch einmal um über sieben Prozent ab.
Dagegen steht Deutschland noch relativ stabil da. Nicht nur, dass der Dax zum Wochenschluss mit einem Minus von drei Prozent glimpflich davonkam. Seit vergangenen Oktober verzeichnete er ein Plus von über fünf Prozent. Noch besser ist es den nordischen Börsen ergangen. Dänemarks Index hat fast 19 Prozent zugelegt, Finnland notiert immerhin noch sieben Prozent. Damit klaffen innerhalb Europas Differenzen von fast 60 Prozentpunkten, innerhalb der Eurozone immerhin noch 50 Prozent.
Derart große Divergenzen hat es seit der Einführung des Euro 1999 nicht mehr gegeben. Die gemeinsame Währung hatte zu einer Annäherung der Börsenentwicklung geführt. Anleger mussten seither nicht mehr nach Ländern differenzieren, sondern ihr Erspartes lediglich in Europafonds packen, deren Manager wiederum die Aktien ausschließlich nach Branchen herauspickten. Folgerichtig wurden einzelne Länderfonds von den Investmentgesellschaften dicht gemacht.
Das funktioniert nun nicht mehr. Seit im vergangenen Oktober Griechenland seine Schuldenzahlen korrigieren musste und damit die Euro-Zone in die Krise schickte, ist es mit der Einheit vorbei. „Was ist Europa?“, fragen provokant die Strategen der Citigroup und geben Anlegern eine klare Antwort. „Europa hat vielleicht eine große Bevölkerung und erwirtschaftet ein hohes Sozialprodukt.
Allerdings steht der Kontinent vor beispiellosen fiskalischen Herausforderzungen.“ Angesichts der Verschlechterung der Staatsfinanzen und der unterschiedlichen konjunkturellen Entwicklung raten die Citigroup-Experten dazu, künftig den Ländern ein großes Augenmerk zu schenken. Zu den präferierten zählen mit den nordischen Staaten oder Deutschland jene Nationen, die noch finanziellen Spielraum haben. Dagegen sollten Anleger von Südeuropa die Finger lassen.
Das hat auch Konsequenzen für die Fondsanleger. Europafonds ist längst nicht mehr Europafonds. Zwischen den Produkten klaffen immense Unterschiede. Seit Mitte Oktober hat der Primus, der Allianz RCM Wachstum Europa, 16 Prozent an Wert gewonnen. Dagegen steht der schwächste Europafonds, der gehebelte Indexfonds von Comstage auf den Euro-Stoxx-50, mit 13 Prozent im Minus.
Er ist nicht der einzige, der seit den Euro-Turbulenzen negative Renditen für die Anleger erwirtschaftete. Bei den großen Europa-Schlachtschiffen fallen die Performance-Diskrepanzen kleiner aus. Hier hat der mit 3,5 Mrd. Euro schwerste Fonds, der Fidelity European Growth, seit Oktober 7,4 Prozent zugelegt. Dagegen notieren der zweit- und drittschwerste Fonds, der Deka-EuroStocks und der UniEuroAktien, geringfügig im Minus.
Für Sparer besteht das Kunststück nun darin, ihre Europafonds auf Länderverteilung hin zu untersuchen. Viele werden sich eine solche umfassende Analyse sparen und der Euro-Zone als Anlageklasse lieber ganz den Rücken kehren.