Die EU fordert von Deutschland regides Sparen. Doch was heißt das? Eine Studie der Deka-Bank zeigt jetzt, welche Überschüsse die EU-Staaten erwirtschaften müssten, um allein ihren derzeitigen Schuldenstand konstant zu halten. Deutschland benötigt bessere Zahlen als in Boomjahren.

Die Ermahnungen waren ziemlich schonungslos. Deutschland? Legt keinerlei konkrete Maßnahmen vor, wie es sparen will. Italien und Spanien? Verlassen sich auf zu optimistische Wachstumsprognosen. England? Wird seine Konsolidierungsziele nach jetzigem Stand verfehlen.

Die EU-Kommission macht ernst. In den vergangenen Monaten haben die Probleme Griechenlands die überbordende Verschuldung der großen EU-Staaten überschattet. Doch jetzt, wenn Länder wie Deutschland ihre neuen Haushaltsentwürfe vorlegen wird deutlich, wie auch sie immer stärker in den Schuldenstrudel geraten – und wie wenig sie dagegen tun.

Doch wenn die EU-Staaten den Schalter nicht ganz schnell umlegen, drohen sie im Schuldensumpf zu versinken. Das verdeutlicht eine Berechnung der Deka-Bank, die WELT ONLINE vorliegt. Die Experten des Finanzhauses haben ausgerechnet, welche Überschüsse (oder Defizite) einzelne Staaten erwirtschaften müssen, um ihren Gesamtschuldenstand gemessen an der Wirtschaftskraft ab 2012 konstant halten zu können. Die Ergebnisse sind erschreckend: Weil die meisten Länder nach der Finanzkrise schwächer wachsen werden als davor, müssen sie deutlich höhere Überschüsse erzielen als in der wirtschaftlichen Boomphase zwischen 2003 und 2007. „Die Staaten stehen vor einer einzigartigen Konsolidierungsaufgabe“, sagte Dekabank-Chefvolkwirt Ulrich Kater.

Beispiel Deutschland: Die Volkswirte der Dekabank rechnen damit, dass die Bundesrepublik in den kommenden Jahren statt wie bisher um 1,4 Prozent nur noch um ein Prozent pro Jahr wachsen wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Finanzminister Wolfgang Schäuble muss seine Sparanstrengungen erhöhen. Wenn er die Gesamtschulden ab 2012 konstant halten will, braucht er jährlich einen Haushaltsüberschuss von 1,6 Prozent – und da sind die Zinszahlungen für ausstehende Kredite noch nicht einmal eingerechnet.

Wie gewaltig diese Aufgabe ist, zeigt ein Blick auf die Finanzpolitik der jüngsten Vergangenheit: Obwohl die Wirtschaft zwischen 2003 und 2007 boomte, fuhr Deutschland durchschnittlich ein Haushaltsdefizit von minus 0,1 Prozent ein. Deutschland war damit nicht allein. Andere Staaten wie Frankreich oder Griechenland fuhren in diesem Zeitraum noch höhere Defizite ein.

„Dass die Länder in dieser Wachstumsphase nicht für schlechte Zeiten vorgesorgt haben, deckt das ganze Versagen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes auf“, sagt Kater. Der Pakt fordert von den EU-Mitgliedsstaaten in normalen Zeiten einen nahezu ausgeglichenen Haushalt, damit sie im Abschwung genügend Spielraum haben, die Wirtschaft zu stabilisieren. Länder, die in Zukunft stärker wachsen werden als Deutschland, haben dagegen größeren Spielraum. Irland etwa: Da die Wirtschaft laut Prognosen künftig um zwei Prozent zulegen wird, kann es sich sogar Jahr für Jahr ein Haushaltsdefizit von minus ein Prozent leisten, um die Gesamtschulden konstant zu halten. Was zunächst unlogisch erscheint, ergibt durchaus Sinn: Das stärkere Wachstum gleicht das jährliche Haushaltsdefizit wieder aus.

Irland sei eine flexible Volkswirtschaft und habe seine Hausaufgaben gemacht, sagt Kater. Deutschland hingegen bräuchte noch etliche Reformen. Kürzungspotential sieht er etwa bei den Subventionen oder den vielen Ausnahmen im Steuersystem. Ingesamt ist er für Deutschland recht zuversichtlich: „Angesichts der Historie ist Deutschland das letzte Land, das man verdächtigen sollte, dauerhaft eine unsolide Haushaltspolitik zu betreiben“, sagt Kater. Bei anderen Ländern ist er pessimistischer – besonders bei denen, die ihre Sozialsysteme nicht reformiert haben. Dann rücken auf einmal neue Länder in den Fokus, die bisher noch nicht im Blickpunkt standen.

Während Italien, das die Finanzmärkte zu den fünf schwächsten Euro-Staaten zählen, etwa dank seiner Rentenreform verhältnismäßig gut dasteht, müsse Frankreich laut Kater erst noch beweisen, dass es seine Sozialsysteme reformieren kann – und sie nicht schon bald zum Sprengsatz für ein weiter aus dem Ruder laufende Staatsverschulden werden.

Quelle: Welt Online