Mit rund 13 Millionen abgeschlossenen Verträgen gilt sie als wichtigster Eckpfeiler der privaten Altersvorsorge. Doch nun gerät die Riester-Rente unter Druck. Sparer beklagen zu hohe Kosten, undurchsichtige Vertragsbedingungen und eine verfehlte Förderung. Zwischen den Anbietern gibt es zudem riesige Unterschiede.

Riestern als Form der privaten Altersvorsorge gerät immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik. Verbraucherschützer kritisieren die hohen Kosten und die undurchsichtigen Vertragsunterlagen. Wirtschaftsforscher bemängeln, dass wichtige Sparergruppen bei der derzeitigen Förderung außen vor bleiben. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) will zu den Vorwürfen noch in dieser Woche Stellung beziehen.

Vor neun Jahren hatte die damalige rot-grüne Regierungskoalition im Zuge ihrer Rentenreform die nach ihrem Arbeits- und Sozialminister Walter Riester benannte private Rente aus der Taufe gehoben. Die Grundidee war nicht schlecht: Kürzungen bei den gesetzlichen Altersrenten sollten durch eine staatlich geförderte Privatvorsorge teilweise aufgefangen werden. Bewusst wurde der Kreis der Berechtigten so weit gefasst, dass nahezu jeder Erwerbstätige samt Ehepartner für die staatliche Förderung der Rente in Frage kommt. Riester-Verträge sollten zur Volksvorsorge werden. Doch bislang ist es beim frommen Wunsch geblieben.

Bis Ende 2009 hatten die Bundesbürger mehr als 13 Millionen Riester-Verträge abgeschlossen. Mit knapp 9,8 Millionen Policen entfiel der Löwenanteil auf Lebensversicherungen.

Auf den ersten Blick erscheinen die Zahlen beeindruckend. Von einer annähernden Lösung des Renten-Problems kann jedoch keine Rede sein. Kürzlich beklagte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), bislang hätten allenfalls 37 Prozent aller Förderberechtigten einen Riester-Vertrag abgeschlossen. Damit stellten sich die Berliner klar gegen Bundesarbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen, die erst Anfang Februar die bisherige Riester-Abschlussquote als vollen Erfolg gewertet hatte: "Das ist ein gutes Signal." Sie wünsche sich, dass der Boom weiter anhielte. Kornelia Hagen, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim DIW, sieht das völlig anders: "Es handelt sich hier um Erfolgsmeldungen ohne Fundament." Vor allem Geringverdiener als eine der maßgeblichen Zielgruppen seien bei Riester deutlich unterrepräsentiert.

Der Fehler liegt im System. Zwar gibt es vom Staat eine großzügige Förderung. Neben der Grundzulage von 154 Euro zahlt er für jedes Kind weitere 185 Euro, für alle ab 2008 geborenen Kinder sogar jeweils 300 Euro. Insgesamt können jedoch Beiträge bis zu 2100 Euro als Sonderausgaben steuerlich abgesetzt werden. Von der daraus entstehenden Steuerentlastung werden die Zulagen abgezogen. Dafür müssen inklusive Zulagen vier Prozent des rentenversicherungspflichtigen Einkommens in den Vertrag gesteckt werden. Wer weniger als 5350 Euro im Jahr verdient, zahlt selbst nur einen Sockelbetrag von 60 Euro und erhält dennoch volle Zulagen. Doch dabei bleibt es, weil er keine Steuern zahlt, von denen etwas abzugsfähig wäre. Das gilt im Übrigen für alle Singles, die nicht mehr als 8004 Euro im Jahr verdienen. Von der Förderung profitieren demnach vor allem Gutverdiener mit hohem persönlichem Steuersatz. Sie sind nicht einmal auf zulagenberechtigte Kinder angewiesen, um mit Verträgen bei leistungsstarken Anbietern ordentliche Renditen zu erzielen.

Für alle Betroffenen gleichermaßen ärgerlich sind jedoch die teils hohen Kosten, die viele Anbieter von Riester-Verträgen grundsätzlich oder von Fall zu Fall in Rechnung stellen. Wie hoch die Kostenbelastung einer Riesterpolice ist, lässt sich am besten an der garantierten Rente erkennen. Denn bei neu abgeschlossenen Verträgen dürfen die Versicherer hierfür nur einen Rechnungszins von zurzeit maximal 2,25 Prozent zugrunde legen. Und zwar auf das tatsächlich, also nach Abzug der Kosten angelegte Geld.

Die Unterschiede zwischen den Anbietern sind gigantisch. Top-Riester-Policen führen bei einem 25-jährigen Single mit 30.000 Euro Einkommen und 846 Euro jährlichem Eigenbeitrag nach 40 Jahren zu einer garantierten Rente von bis zu 268 Euro. Mit Überschüssen ist sogar eine Rente von bis zu 559 Euro drin. Bei teuren Angeboten kann sich der Kunde lediglich auf 175 Euro verlassen und darf auf gerade einmal 347 Euro hoffen. Zwar ist bei Riester-Verträgen ein Wechsel des Anbieters jederzeit möglich, übrigens auch zwischen Versicherungs-, Fonds- oder Banksparplänen. Das vorhandene Kapital wird in diesem Fall auf den neuen Vertrag überschrieben. Jedoch fallen dann zusätzliche Kosten an, und über die Wechsel-Konditionen macht mancher Versicherer für den Laien unverständliche Angaben.

Daran hat auch das im Juli 2008 eingeführte Produktinformationsblatt nichts geändert. Dort müssen zwar alle Kosten genau aufgeführt sein, doch moniert Lars Heermann, Bereichsleiter Lebensversicherung bei der Rating-Agentur Assekurata: "Die Transparenz ist hier auf halber Strecke liegen geblieben." Die Kunden vieler Versicherer müssen sich zum Beispiel selbst einen Reim darauf machen, was sie unter den Begriffen Deckungskapital, Aufschubzeit oder Emissionsrendite zu verstehen haben. Denn davon ist öfter im Zusammenhang mit prozentualen Abschlägen zum Beispiel bei der Kündigung eines Vertrages die Rede. Für Heermann ist das ein Unding: "Was soll der Kunde mit solchen Informationen anfangen?"

Zahlen müssen die meisten Versicherten auch, wenn sie zu einem anderen Anbieter wechseln wollen. Dann fällt eine Gebühr zwischen 50 und 150 Euro, in Einzelfällen sogar noch deutlich darüber an. Und natürlich wird der neue Vertrag, außer bei den Direktversicherern, erneut mit Vertriebsprovisionen belastet. Wie häufig Kunden ihren Riester-Anbieter wechseln, ist statistisch nicht erfasst. Für das Jahr 2008 meldete das Bundesarbeits- und Sozialministerium unter Berufung auf den GDV zwar 480.000 Vertragskündigungen. Wie viele davon aber in einen neuen Vertrag bei einem anderen Versicherer mündeten, bleibt offen.

Kosten in genannter Höhe stellen viele Gesellschaften darüber hinaus auch bei der Beitragsfreistellung einer Police in Rechnung. Während bei den meisten Fondssparplänen für die Zeit der Beitragsbefreiung jedoch weiter Depotgebühren anfallen, müssen Versicherte über die von Fall zu Fall erhobenen Gebühren hinaus zumindest keine weiteren Zahlungen mehr vornehmen.

Quelle: Welt Online