BMW, Daimler, VW und Newcomer wie die US-Firma Tesla setzen auf die neue Pkw-Technik. Sogar ein Trabi für die Steckdose ist geplant.
Hamburg. Bei der Fahrt mit dem Tesla durch Hamburg traut so mancher Passant seinen Ohren nicht: Die rote Flunder jagt an der Ampel davon wie ein Formel-1-Renner. Und ist dabei still wie ein Stein. Kein Laut zu hören, kein tiefes Grummeln, der Sound eines Kraftprotzes fehlt - umso überraschender die Power, die aus dem Nichts zu kommen scheint. Ein leichter Druck aufs Gaspedal, und der Tesla wird zum Geschoss. In 3,6 Sekunden ist der Roadster auf 100 Kilometer pro Stunde, der 911er von Porsche braucht eine Sekunde länger. Überraschung: Der Tesla ist ein reines Elektroauto.
IAA wird Elektroauto-Show
Weil das Geheimnis des Geschwindigkeitsrausches in einem dicken Batterieblock und nicht im Benzintank sitzt, wird der Tesla einer der Stars auf der diesjährigen Internationalen Automobilausstellung (IAA) sein, die schon flapsig mit EAA als Ausstellung für Elektroautos angekündigt wird. In zehn Jahren dürfte weltweit jeder zehnte Pkw mit Elektroantrieb fahren, schätzt Autoexperte Stefan Bratzel, Wissenschaftler der FH Bergisch Gladbach. Bis 2030 könnte sogar die Hälfte aller neuen Autos ganz oder teilweise mit Strom angetrieben werden, schreibt die Unternehmensberatung PRTM in einer Studie.
Sixt vermietet bereits heute die ersten Elektrofahrzeuge - allerdings zunächst nur in Dänemark. Die Bundesregierung fördert mit 115 Millionen Euro acht "Modellregionen Elektromobilität", in denen der Strom für Elektroautos aus regenerativer Energie gewonnen werden soll. Denn anderenfalls könnte die Klimabilanz bei Elektroautos schlechter als bei konventionellen Motoren ausfallen, warnen die Umweltschützer von Greenpeace. Schließlich wird in Deutschland immer noch ein erheblicher Teil des Stroms aus Kohlekraftwerken gewonnen, deren Schornsteine viel Kohlendioxid ausstoßen. Dennoch visiert das Umweltministerium Kaufhilfen in Höhe von 5000 Euro für Elektromobile an.
Modelle bisher noch in Testphase
Bisher fahren in Deutschland Pkw mit Strom aus der Steckdose nur in Pilotprojekten. Ewa in Berlin, wo Daimler 100 E-Smarts testet. Dennoch sind die Hoffnungen groß, die die Gesellschaft auf die neue Generation der Antriebe setzt. Horrorszenarien wie unbezahlbare Spritpreise mit dem Versiegen der Ölreserven und immer strengere Umweltschutzauflagen mit schwer einzuhaltenden CO2-Grenzen treiben die Forscher in der Industrie dazu, neue Wege zu gehen.
Dabei gilt der bisherige Hoffnungsträger Hybrid nur als Durchgangsstation, weil er mit seinen beiden Antrieben aus Elektro- und Verbrennungsmotor als zu teuer für Volumenfahrzeuge und zu schwer für gute Effizienzwerte gilt.
VW gilt als Gewinner
Allerdings ist der Weg bis zur Massentauglichkeit der Elektrowagen lang, teuer und nicht ganz risikolos. Autoexperte Bratzel schätzt, dass nur die weltweit größten Player wie VW gute Chancen auf eine längerfristige Innovationsführerschaft beim Elektroantrieb haben. "Die Investitionen müssen schließlich refinanziert werden, und das funktioniert über Stückzahlen", sagt Bratzel.
Zur Begrenzung der Kosten setzen die Autokonzerne auf Allianzen - oft mit Unternehmen aus anderen Industriezweigen. VW kooperiert bei Strom mit E.on und beim Motor mit Toshiba. BMW arbeitet mit Vattenfall zusammen, der inzwischen insolvente Auftragsfertiger Karmann mit dem Energiekonzern EWE. Doch kein deutscher Hersteller hat bisher ein günstiges Alltagsgefährt mit Batteriebetrieb in der Pipeline. Entweder sind die Akkus zu schwer oder zu teuer. Die Reichweite ist zu gering und die Ladedauer zu lang. Der chinesische Konzern Build Your Dreams (BYD) geht den umgekehrten Weg und entwickelt als ursprünglich reiner Batteriehersteller seit 2003 auch Autos.
Die Chinesen wollen schon 2010 ein Elektrofahrzeug für 27 000 Euro präsentieren. Auch Tesla ist mittlerweile nicht mehr allein - und ein gutes Beispiel für die Art der Kooperationen bei der Entwicklung der Autos, die zurzeit eine ganze Branche elektrisieren. Tesla ist ein amerikanisches Unternehmen mit Sitz in Kalifornien, dem Sonnenstaat, in dem sich Arnold Schwarzenegger als Gouverneur heute für eine saubere Umwelt genauso einsetzt wie früher für ausreichend Muskeln an seinem Körper. Das Unternehmen sieht sich als Teil der New Economy - und baut ausschließlich Elektroautos. Dafür hat die Newcomerfirma sogar im Heimatland des Autos Bewunderer gewonnen. Kein Geringerer als Daimler arbeitet mit Tesla bei der Entwicklung eines eigenen Elektroautos zusammen und will 2010 den ersten Mercedes mit Batterieantrieb vorstellen.
Tesla bei Elektroautos Vorreiter
"Tesla hat bei Elektroautos eine Vorreiterrolle eingenommen", sagt Matthias Brock von Daimler über die Zusammenarbeit. Die Firma sei "führend im Batteriemanagement und die Integration in das Fahrzeug". Und gerade das ist der Knackpunkt bei Elektroautos.
Insbesondere für die traditionellen Fahrzeughersteller wie BMW, VW oder Ford, die sich bisher jahrzehntelang mit Diesel- und Otto-Motoren beschäftigten, mit Elektroantrieben aber eher beim Betrieb von Fensterhebern oder Scheibenwischern Bekanntschaft gemacht haben. Ziel aller Kooperationen ist es, die Entwicklung durch das Teilen der Kosten so zu vergünstigen, dass sie auch für Otto-Normal-Autokäufer erschwinglich sind. Allerdings ist Tesla auch im Preiswettbewerb schon weiter als viele große Hersteller: Der Sportwagen von der Testfahrt in Hamburg kostet zwar noch gut 120 000 Euro, wenn er jetzt bald erstmals in München erhältlich sein wird. Eine neue Limousine unter dem Arbeitstitel Model S soll aber schon in wenigen Monaten ab 49 900 US-Dollar zu haben sein.
Der US-Autobauer GM teilte diese Woche mit, er wolle Ende 2010 den mit Spannung erwarteten Volt auf den Markt bringen. Der Hoffnungsträger auch für die GM-Tochter Opel soll als von einem Benzingenerator unterstütztes Elektroauto mit einem Liter Sprit für 100 Kilometer Stadtverkehr auskommen. Er dürfte rund 28 000 Euro kosten.
"New Trabi" ab 2012
Sogar einen "New Trabi" mit Elektromotor kündigte gestern der sächsische Spezialfahrzeugbauer IndiKar an. Der moderne Nachfolger der "Rennpappe" solle ebenso wie einst die ostdeutsche Marke Trabant "für eine breitere Masse erschwinglich und praktikabel" sein. Es sei denkbar, dass schon 2012 die ersten neuen Fahrzeuge des "Trabant nT" auf der Straße sein könnten.
Die Beispiele zeigen, dass es noch ein weiter Weg bis zu einem lautlosen Verkehr sein wird, weil die meisten Fahrzeuge für kostenbewusste Verbraucher keine Alternative sein dürften. Ford-Chef Bernhard Mattes etwa rechnet nicht mit einer raschen Revolution. "Die Vorstellung, dass wir alle in zehn Jahren mit Elektroautos fahren, kann ich nicht teilen."
Und vielleicht ist das für manche Verkehrsteilnehmer auch besser so: In Japan, wo Hybridfahrzeuge von Toyota zu den Verkaufsschlagern gehören und sich im Elektrobetrieb höchstens mit dem Geräusch ihrer Reifen ankündigen, wird bereits der Einsatz von Tonsignalgebern diskutiert, um etwa Senioren frühzeitig zu warnen.