Viele vermeintlich vegane oder vegetarische Lebensmittel enthalten Tierprodukte ohne diese in der Zutatenliste aufzuführen, so die Organisation.

Hamburg. Vegetarier, Veganer und religiöse Menschen haben es schwer, auf tierische Produkte in Nahrungsmitteln zu verzichten. Denn wie die Verbraucherschutzorganisation foodwatch herausgefunden hat, sind auf vielen Lebensmittel tierische Produkte nicht in der Zutatenliste vermerkt. Eine gesetzliche Lücke mache dies möglich, so Foodwatch. So gibt es beispielsweise Multivitaminsäfte mit Gelatine, Fisch und Wild in Kartoffelchips.

"Der Gesetzgeber macht es den Verbrauchern nahezu unmöglich, Tierprodukte in Lebensmitteln zu meiden“, erklärte Oliver Huizinga von foodwatch. "Das ist eine Zumutung für Vegetarier und Veganer, aber auch für alle anderen Verbraucher, die gerade bei tierischen Lebensmitteln bewusste Kaufentscheidungen treffen, den Konsum reduzieren wollen oder nur bestimmte Formen der Tierhaltung unterstützen möchten.“ foodwatch hatte die Recherche nach Anfragen zu einzelnen Produkten gestartet.

Wie die Organisation informiert, kommen tierische Bestandteile ohne Deklarationspflicht als Trägerstoffe von Aromen und Vitaminen in Lebensmittel. Zum Beispiel befindet sich in den Multivitaminsäften Valensina und hohes C (Eckes Granini) Gelatine als Träger von zugesetzten Vitaminen, wie die Hersteller auf foodwatch-Anfrage bestätigten. Chips-Produzent funny-frisch gab gegenüber foodwatch an, dass weite Teile seines Sortiments tierische Bestandteile enthalten, je nach Sorte Wild, Fisch, Geflügel, Rind oder Schwein. In der Zutatenliste muss dies nicht aufgeführt werden.

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In anderen Fällen kommt es laut foodwatch zu produktionsbedingten Verunreinigungen, so genannten Kreuzkontaminationen. So biete die Schokoladenfirma Ritter Sport Sorten an, die gemäß Rezeptur frei von Milchbestandteilen sind – da in denselben Produktionslinien jedoch auch Milchschokolade hergestellt würden, komme es zu Verunreinigungen. Ritter Sport habe solche selbst gemessen und gebe für die – eigentlich milchfreien – Sorten Halbbitter und Marzipan auf seiner Internetseite daher einen Milchzuckeranteil von 0,3 bis 0,4 Gramm pro 100-Gramm-Tafel an. Dennoch empfehle Ritter Sport die beiden Sorten im Firmenblog an die "lieben Freunde veganer Schokolade“ – und zwar mit den Worten: "Diese enthalten keine Milchbestandteile“, so foodwatch.

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"Das ist so falsch wie irreführend“, kritisierte Oliver Huizinga von foodwatch. Bei Katjes müssten Verbraucher ebenfalls damit rechnen, dass es bei den Fruchtgummis aus der aktuellen "Veggie“-Kampagne des Unternehmens zu Gelatine-Verunreinigungen kommen kann. Katjes wollte die Anfrage von foodwatch nicht beantworten.

Auch bei technischen Hilfsstoffen komme offenbar Tierbestandteile zum Einsatz, ohne dass dies für Verbraucher erkennbar ist. Zum Klären von Wein und Saft setzten einige Anbieter auf Gelatine. Die Aminosäure L-Cystein dagegen komme in Bäckereien zum Einsatz, sie macht Mehl leichter knetbar – gewonnen wird sie zum Beispiel aus Schweineborsten oder Federn, so foodwatch.

Daher fordere die Organsiation von Vebraucherschutzministerin Ilse Aigner, CSU, eine gesetzliche Klarstellung. Zum einen solle Klarheit darüber hergestellt werden, wo Zutaten oder Verarbeitungshilfsstoffe tierischen Ursprungs eingesetzt würden. Zum anderen fordern die Vebraucherschützer, die Begriffe "vegan“ und "vegetarisch“ rechtlich zu definieren. Dies sei bisher nicht der Fall. Schließlich werde gefordert, dass sobald ein Produkt ausdrücklich als "vegan“ oder "vegetarisch“ ausgelobt oder beworben werde, muss der Hersteller auch jegliche Kreuzkontamination ausschließen können.