Die vollständige Übernahme der Porsche AG soll zum 1. August vollzogen werden, was sich Volkswagen knapp 4,5 Milliarden Euro kosten lässt.
Stuttgart. Das Wetter hat der neue Hausherr bei Porsche schon mal auf seiner Seite: Zu seiner ersten Betriebsversammlung des Stuttgarter Autobauers, der seit schon seit Ende 2009 zur Hälfte VW gehört, bringt Volkswagen-Vorstandschef Martin Winterkorn am Donnerstag strahlenden Sonnenschein aus Wolfsburg mit. „Herzlich willkommen im VW-Konzern“, liest Winterkorn vor mehreren hundert Porsche-Mitarbeitern vom Blatt ab, die sich in der Kantine und im Hof des Stammwerk Zuffenhausen versammelt haben. Aus erster Hand will die Belegschaft erfahren, wie es mit ihrer durch Sportwagen großgewordenen Marke unter dem Dach von VW als Europas größtem Autobauer weitergeht.
Der Schulterschluss war den 16.000 Beschäftigten von Porsche im Grundsatz bereits vor drei Jahren – allerdings bei strömendem Regen – angekündigt worden, als Porsche praktisch pleite war. Damals, am 23. Juli 2009, hatte Wolfgang Porsche, Miteigentümer und Aufsichtsratschef, mit tränenerstickter Stimme vor der Belegschaft bekannt: „Der Mythos Porsche lebt und wird nie untergehen.“ Das trotzige Bekenntnis gab der auch „WoPo„ genannte Wolfgang Porsche ab, nachdem Porsche faktisch die Kapitulation gegenüber der Macht aus Wolfsburg erklärt hatte.
Nun soll die vollständige Übernahme der Porsche AG – des Fahrzeuggeschäfts – zum 1. August vollzogen werden, was sich VW knapp 4,5 Milliarden Euro kosten lässt. Während die Investoren von VW die wegen hoher Synergiepotenziale herbeigesehnte Übernahme an der Börse mit einem Kursfeuerwerk feiern, spendet die Porsche-Belegschaft nur sparsam Beifall. Eup ho rie kommt weder in der voll besetzten Kantine noch unten im Hof bei den adrett gekleideten Verwaltungsangestellten und den Monteuren in ihrer Arbeitskluft auf.
+++Meilenstein zur Mega-Fusion: Porsche-Übernahme im August+++
Winterkorn streicht die Potenziale und Möglichkeiten heraus, die sich nun für VW und Porsche auftun werden. „Jetzt können wir richtig loslegen“, sagt der 65-jährige Vertraute von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech, dem heimlichen Architekten des Zusammenschlusses. „Sie sind nun Teil einer Mannschaft von mehr als 500.000, ihr Herzblut brauchen wir“, umgarnt Winterkorn die Belegschaft der neuen – zwölften – Tochter im VW-Automarken-Reich. „An der Porsche-DNA wird sich nichts ändern“, versichert der oft trocken wirkende Manager, der allerdings als Kind in seiner schwäbischen Heimat beim Anblick der rassigen Sportwagen von Porsche doch in Schwärmereien verfallen sein will. Und auch jetzt zaubert die mit Porsche gestiegene Aussicht auf den gemeinsamen Sturm an die Weltspitze der Automobilindustrie Winterkorn mehrmals ein Lächeln auf die Lippen.
Viele Porsche-Beschäftigte lauschen mit verschränkten Armen vor der Brust, nutzen die Versammlung unter einem weißen Sonnenzeltdach zur Rauchpause. „Porsche wird im VW-Konzern eine eigenständige Marke bleiben“, verspricht der Manager. „Aus Eigenständigkeit und Zusammenarbeit entsteht die Stärke von VW“, spricht er den wunden Punkt an, an dem die einst – von Porsche und seinem 2009 geschassten Management – geplante Übernahme des vielfach größeren Wolfsburger Konzerns auch scheiterte: „Das Fundament bleibt Respekt voreinander und Teamgeist.“ Die frühere Porsche-Führung um den rauhbeinigen Vorstandschef Wendelin Wiedeking und den ehrgeizigen Finanzchef Holger Härter, denen seit drei Jahren die Staatsanwälte wegen möglicher Börsenkursmanipulation im Nacken sitzen, wollten VW im Sturm erobern und traten in Wolfsburg ruppig auf. Winterkorn reicht dagegen Porsche symbolisch die Hand, die Betriebsratschef Uwe Hück gern entgegennimmt.
Gewohnt hemdsärmelig und mit schwarzer Anzug-Weste bekleidet, schlägt der Gewerkschafter noch mal Pflöcke ein: „Der Mythos von Porsche lebt weiter“, pocht Hück auf Eigenständigkeit unter dem VW-Dach. Ein Polo-Motor komme auf gar keinen Fall jemals in einen Porsche, versucht der Kickboxer mit hochrotem Kopf die Belegschaft aufzupeitschen. Hück weiß, was zählt in der Belegschaft, er listet die Erfolge bei Neueinstellungen und Werkserweiterungen auf. Die „stolze“ Porsche-Belegschaft werde auch künftig als „Konzern im Konzern“ überhaupt „keine Angst„ haben, mit VW Diskussionen über Geld und Investitionen zu führen, poltert der gelernte Lackierer. Doch auch der stets kämpferisch auftretende Betriebsrat Hück ist um versöhnliche Signale in Richtung des neuen Hausherren aus Wolfsburg bemüht, der nach gut einer Stunde seine Stippvisite in Stuttgart beendet. „Die Sonne im Herzen steckt bei uns drin“, ruft Hück ins Mikrofon. Der Beifall bleibt verhalten.
(reuters/abendblatt.de)