Bereits zum 1. August wolle Volkswagen das Automobilgeschäft von Porsche übernehmen, teilten die Unternehmen am Mittwochabend mit. VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech setzt damit einen weiteren Meilenstein auf dem Weg, den weltgrößten Autohersteller zu schaffen. Die enge Kooperation der künftig zwölf Konzernmarken soll die Kosten deutlich senken.
Frankfurt. Volkswagen und Porsche schließen sich dank eines Schlupflochs im Steuerrecht schneller zusammen als erwartet. Bereits zum 1. August wolle Volkswagen das Automobilgeschäft von Porsche übernehmen, teilten die Unternehmen am Mittwochabend mit. VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech setzt damit einen weiteren Meilenstein auf dem Weg, den weltgrößten Autohersteller zu schaffen. Die enge Kooperation der künftig zwölf Konzernmarken soll die Kosten deutlich senken. „Volkswagen und Porsche werden durch die Zusammenführung ihres operativen Geschäfts in Zukunft noch stärker – finanziell und strategisch“, erklärte VW-Chef Martin Winterkorn am Mittwoch.
Die Porsche-Holding, die bisher neben dem Sportwagenbauer Porsche AG auch gut die Hälfte der Volkswagen-Stammaktien besitzt, erhält von Volkswagen als Kaufpreis 4,46 Milliarden Euro und eine Stammaktie. Damit kann die hoch verschuldete Porsche-Holding ihre Verbindlichkeiten abbauen und hat sogar noch Geld für neue Investitionen übrig, die nach einer Satzungsänderung auch in Windkraftanlagen möglich sind. Volkswagen stockt im Gegenzug seine Beteiligung am Autobauer Porsche AG auf 100 Prozent von bisher 49,9 Prozent auf. Die Marke Porsche werde zu einem „festen Bestandteil“ des VW-Konzerns, begründete Winterkorn den Schachzug. Der Wolfsburger Konzern und die Porsche-Holding erwarten durch die beschleunigte Integration Einsparungen von rund 320 Millionen Euro, die sich beide Unternehmen brüderlich teilen wollen.
Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) hat die komplette Übernahme von Porsche als Meilenstein für VW auf dem Weg zum weltgrößten Autobauer bezeichnet. „VW und Porsche können künftig besser zusammenarbeiten, gemeinsame Strategien leichter umsetzen und damit finanzielle Verbundeffekte realisieren“, sagte McAllister am Donnerstag nach Angaben der Staatskanzlei in Hannover. Deutlich früher als geplant sei es gelungen, „Klarheit über eine stabile und langfristig orientierte Aktionärsstruktur der Volkswagen AG zu erreichen“. VW hatte am Mittwochabend mitgeteilt, dass die Übernahme schon zum 1. August 2012 vollzogen werden soll. McAllister ist Mitglied im VW-Aufsichtsrat, Niedersachsen hält einen Anteil von gut 20 Prozent an Europas größtem Autobauer.
Allein wegen der Übertragung einer einzelnen VW-Stammaktie kommen die Konzerne bei der Transaktion steuerlich weitaus günstiger weg als zunächst kalkuliert. Das Finanzamt wird bei der Übernahme voraussichtlich leer ausgehen. Nach Abstimmung mit den Steuerbeamten in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Berlin ist klar: Statt als Umwandlung kann die Übernahme auch als Restrukturierung eingestuft werden – ohne steuerliche Nachteile für die Unternehmen, die Porsche und VW bisher bei der Eingliederung einkalkuliert hatten.
Steuerexperten hatten mit einem Ertrag aus Körperschaft-, Gewerbe- und Grunderwerbsteuer von bis zu 1,5 Milliarden Euro kalkuliert, wenn die Porsche AG mit milliardenschweren stillen Reserven im Gepäck rechtlich im Zuge einer Unternehmensumwandlung bei VW untergeschlüpft wäre. Steuerfrei wäre eine solche Umwandlung erst ab Mitte 2014 möglich gewesen. Die stillen Reserven müssen nun nicht zwingend aufgedeckt werden, steuerliche Belastungen „könnten vermieden werden“, heißt es in einer Reuters vorliegenden Rechtsauskunft der Steuerbehörden in Stuttgart.
Ursprünglich wollten VW und die Porsche SE per Aktientausch verschmelzen, dieses Vorhaben scheiterte jedoch an milliardenschweren Prozessrisiken im Zuge der 2009 endgültig missglückten Übernahme von VW durch Porsche. Die Vollkonsolidierung des Porsche-Autogeschäfts werde 2012 einen positiven Einfluss auf das Konzernergebnis von Volkswagen haben, teilte VW mit. Dieser Effekt werde jedoch im operativen Ergebnis durch die Abschreibungen auf die Kaufpreisallokation geschmälert. Das Finanzergebnis von VW werde 2012 um mehr als neun Milliarden Euro höher ausfallen, die Nettoliquidität schrumpfe im Gegenzug um sieben Milliarden Euro: Neben dem Kaufpreis muss VW ab August auch für die Nettoschulden der Porsche AG in Höhe von 2,5 Milliarden Euro gerade stehen.
Die Porsche-Holding erklärte, aus dem Verkaufserlös sollten zunächst die bestehenden Bankverbindlichkeiten von zwei Milliarden Euro zurückgeführt werden. Der überwiegende Teil der danach verbleibenden Liquidität solle für den Erwerb von strategischen Beteiligungen mit Schwerpunkt entlang der automobilen Wertschöpfungskette verwendet werden. Sonderausschüttungen an die Aktionäre der Porsche SE seien nicht geplant.
Mit dem Kaufpreis von 4,46 Milliarden Euro werden die Porsche SE und ihre Aktionäre so gestellt, als wenn die Übernahme des Restanteils an der Porsche AG durch VW erst 2014 vollzogen worden wäre. Denn neben dem bereits 2009 fixierten Kaufpreis von 3,9 Milliarden Euro fließt der Porsche-Holding auch noch der Zeitwert der bis 2014 zu erwartenden Dividenden von VW zu. Die zwischen VW und der Porsche-Holding vereinbarten gegenseitigen Put- und Call-Optionen werden aufgelöst: Diese hatten der Holding milliardenschwere Belastungen eingebracht, bei VW hatten sie im Gegenzug zu milliardenschweren Gewinnen geführt. Denn seit dem Krisenjahr 2009 ist der Wert des Automobilgeschäfts von Porsche deutlich gestiegen.
Weitere Einzelheiten wollen Volkswagen und Porsche am Donnerstag um 10.00 Uhr auf einer Pressekonferenz in Wolfsburg bekannt geben.
(Reuters)