Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock blickt optimistisch in das neue Jahr. Auch ältere Beschäftigte werden vorsichtlich in 2012 stark gefragt sein.
Hamburg. Der Arbeitsmarkt in der Hansestadt hat 2011 von der starken Konjunktur profitiert. Gegenüber dem Januar sank die Zahl der Arbeitslosen bis Ende November um knapp 10 000. Das Abendblatt sprach mit dem Chef der Agentur, Sönke Fock, über die Suche nach Fachkräften, Ein-Euro-Jobs und die Perspektiven für 2012.
Hamburger Abendblatt: Trotz Euro-Krise und Staatsverschuldung ist der Arbeitsmarkt 2011 nicht eingebrochen. Warum hat sich Hamburg so stabil gezeigt?
Sönke Fock: Das Wachstum war mit geschätzt 2,6 bis 2,8 Prozent so stark, dass die Firmen ihre Aufträge nur mit neuen Mitarbeitern abarbeiten konnten. In Hamburg wurden sowohl durch den starken Export als auch durch die Nachfrage nach Dienstleistungen Stellen geschaffen. Die Arbeitslosigkeit geht bereits seit Februar 2010 zurück.
Hat die Entwicklung 2011 an Schwung gewonnen?
Fock: Ohne Zweifel. Die Zahl der Arbeitslosen lag mit 66 774 im November um knapp 10 000 unter dem Wert vom Januar. Seit September haben wir in jedem Monat die Schwelle von 70 000 Arbeitslosen unterschritten. Dies wird auch im Dezember der Fall sein. Auch die Zahl der offenen Stellen lag seit August regelmäßig mit gut 16 000 um knapp 3000 höher als im Januar.
+++ Fast jede zweite Hamburger Firma plant neue Jobs im Jahr 2012 +++
Ist dies nicht ein Beleg für den Fachkräftemangel?
Fock: Es wird schwieriger, und es dauert immer länger, in Hamburg qualifizierte Mitarbeiter zu vermitteln. Zunächst profitieren jüngere und gut qualifizierte Fachkräfte vom Aufschwung, heute sind die Bewerber älter, haben fachliche Defizite und persönliche Handicaps. Es kostet Zeit, dies auszugleichen. Daher ist es wichtig, dass wir künftig rasch auf Fachkräfte zurückgreifen können, die aus wirtschaftlichen Gründen entlassen werden.
Können qualifizierte Ausländer in die Bresche springen?
Fock: Seit die Bürger von 25 EU-Staaten ihren Arbeitsplatz in der Gemeinschaft frei wählen können, kommen auch mehr nach Hamburg. Aber ihre Zahl lässt sich vernachlässigen. Über Ausländer werden wir das Fachkräfteproblem nicht lösen.
Bleibt der Fachkräftemangel so ein ungelöstes Problem?
Fock: Nein, denn die Firmen steuern um. Ältere Mitarbeiter bleiben länger im Job, und es wird mehr Kraft auf die Ausbildung gelegt.
Bleiben wir zunächst bei den älteren Menschen ...
Fock: ... deren hohe Qualifikation die Firmen länger nutzen. Gegenüber knapp 167 000 Menschen ab 50 Ende 2006 arbeiteten Ende 2010 in Hamburg knapp 197 000 aus derselben Altersgruppe. Gegenüber einem Zuwachs von 1,8 Prozent in der Gesamtbeschäftigung beträgt das Plus bei den Älteren 4,6 Prozent. Dieser Trend ist ungebrochen. Die Älteren profitieren. Hamburgs Wachstum wird 2012 nicht leiden, weil Fachkräfte fehlen, sondern aus konjunkturellen Gründen zurückgehen.
Mehr ältere Mitarbeiter bedeuten jedoch auch, dass mehr Menschen in den Ruhestand wechseln. Ein neues Risiko?
Fock: Der demografische Faktor spielt in Hamburg noch eine untergeordnete Rolle. Wir sind eine wachsende Stadt, in die gut ausgebildete Menschen wechseln. Erst ab 2020 dürfte der Zustrom abnehmen. Trotzdem ist es höchste Zeit für die Firmen, sich jetzt schon um Nachwuchs zu kümmern.
In Hamburg waren die Ausbildungszahlen mit knapp 17 000 zwei Jahre stabil. Reicht das aus?
Fock: Wir sind zufrieden. Aktuell sind jetzt 884 Ausbildungsplätze zum 1. Februar zu besetzen. Dieser Termin ist noch nicht so bekannt und bietet daher die Chance für Jugendliche, in ihren Berufen zu starten. Die Konkurrenz ist zu diesem Zeitpunkt geringer.
In Hamburg wird um die Zahl der Ein-Euro-Jobs gestritten. Jetzt sollen 2012 zu den geplanten 3900 noch 500 hinzukommen. Ist das eine neue Strategie?
Fock: Es ist ein Kompromiss. Er geht darauf zurück, dass wir im Jobcenter für Beschäftigungszuschüsse vorgesehene Haushaltsmittel teilweise zur Finanzierung der Ein-Euro-Jobs umschichten. Wir finanzieren diese Beschäftigung, obwohl sie für ihre Inhaber kaum zu einer Anstellung im ersten Arbeitsmarkt führen. Dies hat jedenfalls eine Studie des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) ergeben.
Die Agentur hält Ein-Euro-Jobs für nicht zielführend?
Fock: Sie sind wichtig für Menschen, die sonst keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Das Jobcenter muss mit seinem geringeren Etat für 2012 effizient umgehen. Da haben die Qualifizierung Un- und Angelernter, die Weiterbildung von Fachkräften, die Förderung der Ausbildung junger Leute und die Einrichtung einer Jugendberufsagentur Vorrang. Die Agentur ist ein Wunsch des Bürgermeisters und soll künftig sämtliche Bildungsangebote für benachteiligte Jugendliche bündeln.
Wie sehen die Perspektiven für Hamburg für 2012 aus?
Fock: Innerhalb der Bundesagentur haben wir verschiedene Szenarien durchgerechnet, je nachdem welches Wachstum für 2012 angenommen wird. Wichtig: In keinem Fall, auch bei einer leichten Rezession, wird es nach den Berechnungen zu mehr als drei Millionen Arbeitslosen bundesweit kommen. Für Hamburg gehen wir für 2011 von durchschnittlich 72 400 Arbeitslosen aus. Für 2012 ergibt sich - trotz schwächeren Wachstums und weniger Fördermitteln - ein ähnliches, eher leicht besseres Ergebnis. Wenn dies so eintrifft, werden 2012 zumindest einige Monate lang weniger als 70 000 Menschen in Hamburg arbeitslos sein.