Aus der Traumhochzeit von VW und Porsche wurde 2011 nichts. Auch wenn der Konzern mit Rekordzahlen glänzt, gibt es noch viele Baustellen.
Stuttgart/Wolfsburg. Von wegen besinnliche Weihnachtszeit: Die Justiziare in der Dachgesellschaft des Sportwagenbauers Porsche müssen vor dem Jahresende noch ordentlich ackern. Denn seit Oktober liegt auf ihren Tischen ein Schriftsatz vom Landgericht Braunschweig, der es so richtig in sich hat. Investoren wollen von der Porsche SE 1,1 Milliarden Euro Wiedergutmachung, weil die Holding 2008 bei der gescheiterten Übernahmeschlacht mit VW Anleger getäuscht haben soll.
Das Störfeuer aus der Justiz, das die geplante Traumhochzeit mit VW zunächst auf Eis gelegt hat, ist nicht der einzige Bremsklotz, den Europas größter Autobauer auf dem Weg an die Weltspitze loswerden muss. Beim Ausbau ihres Autoreichs haben VW-Lenker Martin Winterkorn und Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch noch jede Menge zu tun.
Zwar brummt das Geschäft wie nie. 2011 dürften die Wolfsburger die konzernweite Zielmarke von 8 Millionen verkauften Fahrzeugen knacken. Sie sind inzwischen auch an Toyota vorbeigezogen, auf dem Weg an die automobile Weltspitze ist nur noch General Motors zu bezwingen. Wie genau der Lastwagenbauer MAN in die Strukturen des Auto-Giganten integriert werden soll, bleibt aber vorerst offen. Und ob VW mit dem Partner Suzuki überhaupt eine Zukunft hat, scheint mehr als fraglich.
+++ MAN macht den Weg für VW-Übernahme frei +++
+++ VW fährt im November neuen Rekord ein +++
Am stärksten treibt die Macher hinter den Kulissen jedoch wohl die Hängepartie der aufgeschobenen Porsche-Übernahme um. VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch wollte bis zum Jahresende Klarheit über einen „Plan B“ als Alternative zur gescheiterten Direktfusion schaffen. Offizielle Neuigkeiten gibt es allerdings nach wie vor nicht. Der Streit um die Bewertung rechtlicher und steuerlicher Risiken hatte die Pläne für das 2011 erhoffte Zusammengehen ausgehebelt. Wie das Spiel weitergeht? Aus Wolfsburg heißt es: „Kein weiterer Kommentar.“
Einstweilen hat Porsche im eigenen Haus noch viel zu erledigen. Im Konflikt mit den klagefreudigen Investoren muss die Rechtsabteilung sich bis Mitte Januar Munition zurechtlegen. Das Hickhack um die Altlasten des Übernahmekampfes 2008/2009 hat sich zum juristischen Mehrfrontenkampf erster Ordnung ausgewachsen: In Deutschland und den USA hat die Justiz mehrfach mit Porsche zu tun, die Wolfsburger wollen sich die Prozessrisiken des Wahlpartners nicht aufhalsen.
So ist der Wunsch der zwei – ein „integrierter Automobilkonzern“ - noch unerfüllt. Die Verzögerung schneidet den Stuttgartern finanziell ins Fleisch. Nach dem Friedensschluss 2009 räumten sich beide Seiten Rechte ein, mit denen die Anteile an der Porsche AG auch schrittweise übertragen werden können. Wegen buchhalterischer Bewertungsregeln musste die Porsche-Dachgesellschaft die verschobene Fusion Ende des dritten Quartals mit minus 3,7 Milliarden Euro in die Bücher nehmen.
Im Fall MAN kann sich die VW-Konzernspitze schon eher am Ziel wähnen. Die Anfang November von der EU-Kommission erlaubte Übernahme von 55,9 Prozent des Lkw- und Maschinenbau-Spezialisten markierte aus Wolfsburger Sicht zumindest formal das Ende eines langen Wettstreits zwischen den Münchnern und der schwedischen Tochter Scania.
Ungeklärt ist derweil, welchen Platz die zehnte Marke MAN in der Konzernfamilie einnimmt. Kommt eine Lastwagen-Holding – und wenn ja, unter wessen Führung? Welche Rolle spielt das eigene VW-Nutzfahrzeuggeschäft in Hannover? Fragen wie diese sind drängender als vermutet, zumal Scania wegen einer schwächeren Nachfrage 2012 die Produktion drosseln muss.
Auch das Reizthema Suzuki lässt VW nicht ruhen. Nach monatelangen Querelen, bei denen beide Firmen einen Bruch des Kooperationsvertrags monierten, zerschnitten die Japaner Mitte November das Tischtuch: Konzernpatriarch Osamu Suzuki kündigte an, den Schiedsgerichtshof der internationalen Handelskammer anzurufen. Er will den Anteil von rund 20 Prozent von VW zurückkaufen, doch die Deutschen stellen sich quer.
„VW hält an seiner rechtlichen Bewertung fest“, erklärt der Konzern. Bereits zuvor hatte es geheißen, dass die Vorwürfe aus Fernost – etwa von zu wenig Einblick in die technische Entwicklung bei VW – nicht zuträfen. Im Gegenzug beschuldigen die Wolfsburger Suzuki, Motoren beim Erzrivalen Fiat bestellt zu haben. Misstrauen allenthalben: Die Japaner zogen inzwischen zahlreiche Mitarbeiter ab. (dpa/abendblatt.de)