Wer sein Konto überzieht, erlebt oft eine teure Überraschung. Die Banken kassieren gern ab. Verbraucherschützer fordern neue Regeln.
Hamburg. Wenn die Geschenke in diesem Jahr etwas größer ausgefallen sind, kann es mit der nächsten Kontoabrechnung eine böse Überraschung geben. Denn wenn der Dispositionskredit beansprucht wurde, wird es teuer. Bei der Überziehung des Kontos kassieren die Banken gern ab. Bis zu 13,95 Prozent (Sparkasse Holstein) müssen für den Dispo bezahlt werden. Wer seinen Kreditrahmen überzogen hat, muss sogar noch tiefer in die Tasche greifen. Für diese sogenannte geduldete Überziehung verlangt die Santander Consumer Bank 17,55 Prozent Zinsen. "Das sind Konditionen, die nicht mehr nachvollziehbar sind, denn die Banken können sich äußerst günstig bei der Europäischen Zentralbank (EZB) refinanzieren", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Innerhalb weniger Wochen hat die EZB den Leitzins in zwei Schritten von 1,5 auf ein Prozent gesenkt. Doch auf die Höhe der Dispozinsen hatte das kaum Auswirkungen. Von 20 Instituten haben 16 nicht auf die Zinssenkungen der Zentralbank reagiert, ergab eine Umfrage des Abendblatts unter regionalen und überregionalen Geldhäusern. Der Hoffnung, dass die Banken die Zinssenkung nur etwas hinauszögern, sollten sich Verbraucher nicht hingeben. Kein Institut plant in den nächsten drei Wochen Zinssenkungen. Nur von der Volksbank Stormarn ist das nicht bekannt, denn die Genossenschaftsbank wollte sich an der Umfrage nicht beteiligen. Vier Geldhäuser, nämlich die Hamburger Sparkasse, HypoVereinsbank, Postbank und Targobank, verlangen jetzt noch einen höheren Dispozins als Weihnachten 2010 und 2009. Die Vergleichszeitpunkte wurden auch deshalb gewählt, weil schon damals der EZB-Leitzins bei einem Prozent lag. Doch die Banken interessierte dies offensichtlich wenig.
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Die Verbraucherkreditrichtlinie der Europäischen Union verlangt seit Sommer 2010, dass für eingeräumte Überziehungskredite ein Referenzzinssatz festgelegt werden muss. Mit einem solchen Vergleichsmaßstab sollen Verbraucher nachvollziehen können, warum die Zinsen steigen oder sinken. Doch die Regelung wurde zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt eingeführt. "Da die Referenzzinssätze niedrig sind, die Dispozinsen aber hoch, führt eine Erhöhung der Referenzzinssätze unweigerlich zu noch höheren Dispozinsen", sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung.
Die meisten Banken haben ihre Dispozinsen an den Drei-Monats-Euribor geknüpft. Das ist ein Zinssatz, zu dem sich die Institute untereinander Geld leihen. "Für die Verbraucher wirkt sich dieser Zins jetzt sehr ungünstig aus", sagt Herbst. Denn der Euribor spiegelt auch das mangelnde Vertrauen der Banken untereinander wider. Seit Dezember 2009 hat er sich verdoppelt. Aktuell liegt der Drei-Monats-Euribor bei 1,42 Prozent. Damit lässt sich der Anstieg der Dispozinsen seit 2009 bei Haspa oder Postbank begründen.
Allerdings haben auch andere Banken ihre Konditionen an den Drei-Monats-Euribor geknüpft, ohne jetzt noch höhere Zinsen als 2009 zu verlangen. "Nicht alle schöpfen den Erhöhungsspielraum aus", sagt Herbst. So hat die Hamburger Volksbank ihr Zinsniveau konstant gehalten. Die Sparda-Bank Hamburg hat den Dispo sogar leicht auf 9,95 Prozent gesenkt, obwohl sie wie die Haspa den Drei-Monats-Euribor als Vergleichsmaßstab verwendet.
"Der Euribor eignet sich nicht als nachvollziehbarer und überprüfbarer Referenzzins für den Kunden", sagt Verbraucherschützerin Castelló. Denn die Daten sind schwer zugänglich. Außerdem bilden die Banken Durchschnittswerte des sich permanent ändernden Zinses und haben selbst gewählte Schwellenwerte, ab deren Erreichen eine Erhöhung oder Senkung des Dispozinses möglich ist. "Das ist für den Verbraucher nicht zu durchschauen", sagt Castelló.
Andere Banken wie Deutsche Bank, Norisbank oder Comdirect orientieren sich am EZB-Leitzins. Das ist für den Verbraucher transparenter. Der Zinssatz bleibt über längere Zeit konstant und ist leichter überprüfbar. So ist der Dispo bei der Deutschen Bank mit 12,75 Prozent zwar nicht günstig, aber jetzt genauso teuer wie Weihnachten 2010 und 2009, als der EZB-Leitzins ebenfalls bei einem Prozent lag.
Doch wie auch immer die Höhe der Dispozinsen bemessen wird: An dem Rekordabstand zwischen Geldmarktzinsen und Überziehungskredit hat sich durch die Einführung des Referenzzinssatzes nichts geändert. Sollten die Zinsen doch wieder kräftig steigen, könnten schnell Dispozinsen von 15 bis 18 Prozent erreicht sein.
Um eine solche Zinsspirale zu stoppen, will die Verbraucherzentrale Bremen zusammen mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Deckelung der Dispo- und Überziehungszinsen erreichen. "Drei-Monats-Euribor oder EZB-Leitzins plus fünf Prozentpunkte für den Dispo und plus acht Prozentpunkte für geduldete Überziehungen bieten den Banken eine ausreichend hohe Marge", sagt Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen. "Das sollten die Obergrenzen für Kontoüberziehungen sein." Eine Überziehung des Kontos würde so aktuell nicht mehr als 6,4 Prozent kosten. Mit einem Dispozins von 5,5 Prozent unterbietet die Deutsche Skatbank mit ihrem kostenlosen Girokonto sogar heute schon diese Vorgabe.