Aufsichtsrat gibt grünes Licht: Die Hamburger Traditionswerft soll an den britischen Finanzinvestor Star Capital Partners verkauft werden.

Hamburg. Es geht voran: Blohm + Voss steht wohl kurz vor einer Übernahme. Die Hamburger Traditionswerft soll an den britischen Finanzinvestor Star Capital Partners verkauft werden. Der Aufsichtsrat der Werftenholding ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) stimmte dem weiteren Vorgehen am Freitagnachmittag zu. Das erfuhr das Abendblatt aus Unternehmenskreisen. Allerdings: Für die endgültige Entscheidung fehlt noch die Zustimmung des ThyssenKrupp-Aufsichtsrats und die Unterschrift der Briten. Klar ist: Der ThyssenKrupp-Konzern, der im Geschäftsjahr 2010/11 tief in die roten Zahlen geraten ist, will sich vom zivilen Schiffbau trennen. Die Verträge sollen in den nächsten Tagen unterschrieben werden. Inwieweit mit der Entscheidung vom Freitag allerdings die Bedingungen für den Verkauf festgelegt sind, blieb offen. Das betrifft vor allem den Preis sowie eine mögliche Beschäftigungssicherung für die Mitarbeiter. Die Financial Times Deutschland berichtet, dass Beschäftigte nicht entlassen werden sollen. Die Briten übernehmen den zivilen Schiffbau mit knapp 500 Millionen Euro Umsatz und rund 1500 Beschäftigten.

+++ Blohm+Voss soll offenbar noch 2011 verkauft werden +++
+++ Lürßen gibt Pläne für Blohm + Voss auf +++

Der Stahlkonzern hatte bereits angekündigt, dass eine Entscheidung über die Zukunft von Blohm + Voss bis zur Hauptversammlung am 20. Januar fallen soll. "Die Verhandlungen mit dem europäischen Finanzinvestor nähern sich einem erfolgreichen Ende", sagte eine Konzernsprecherin dem Abendblatt. Zu den Ergebnissen der Aufsichtsratssitzung, die am Freitag um 14 Uhr in Essen begonnen hatte, wollte sie sich nicht äußern. "Wir erwarten von einem Investor, dass er die Arbeitsplätze und den Standort sichert", sagte Heiko Messerschmidt, der Sprecher der IG Metall Küste, dem Abendblatt.

Star Capital Partners will den Neubau, die Reparatur und den Maschinenbau von Blohm + Voss übernehmen. In diesen drei Sparten arbeiten knapp 1500 Menschen. Den Militärschiffbau mit 500 Beschäftigten bei Blohm + Voss Naval in Hamburg und Emden sowie den U-Boot-Bau in Kiel mit 2000 Beschäftigten behält ThyssenKrupp. Die Briten sind, nachdem der Verkauf an die arabische Schiffbauholding Abu Dhabi Mar (ADM) gescheitert ist, der letzte Bewerber für die Hamburger Werft. Das Angebot des Bremer Werftenchefs Friedrich Lürßen, der das gesamte Unternehmen übernehmen wollte, hatten sowohl das Management in Hamburg als auch die Betriebsräte der Werft abgelehnt. Weil er keine Aussichten auf einen Erfolg mehr sah, hatte Lürßen seine Offerte am Montag zurückgezogen. Laut Bremer "Weser Kurier" wollen die Briten 20 bis 22 Millionen Euro für Blohm + Voss zahlen. Dies wäre nach Auffassung von Branchenkennern ein Schleuderpreis, da allein die Sparte Maschinenbau sowie die Ausstattung der Werft mehr wert seien.

Im Mai begann Blohm + Voss mit dem Bau von vier neuen Fregatten für die Bundesmarine. An dem Bau ist auch Lürssen beteiligt. Der Auftrag hat einen Umfang von 2,9 Milliarden Euro. Das letzte der Kampfschiffe soll im Jahr 2018 abgeliefert werden. Unklar ist, ob der Auftrag nach dem geplanten Verkauf an Star Capital Partners übergeht, oder ob die Werft die Marineschiffe im Auftrag von Blohm + Voss fertigstellen würde. Für den Verkauf von Rüstungsunternehmen an ausländische Investoren benötigen deutsche Unternehmen üblicherweise die Zustimmung der Bundesregierung.

Ebenso ist unbekannt, mit welchem Auftragsbestand im Reparaturgeschäft Blohm + Voss verkauft werden soll. Zu Beginn dieser Woche hatte die "Queen Mary 2" die Werft verlassen. Sie ist seit einigen Jahren das prestigeträchtigste Schiff, das bei Blohm + Voss gewartet wird. Aufträge für Megayachten liegen nach offizieller Lesart derzeit nicht vor. Zuletzt hatte Blohm + Voss im Dezember 2010 die weltgrößte Yacht "Eclipse" an den russischen Milliardär Roman Abramowitsch abgeliefert, damit aber nach Abendblatt-Informationen wegen verschiedener Nachbesserungen erhebliche Verluste eingefahren.

Blohm + Voss soll nun verkauft werden, ohne dass eine klare Ausrichtung der Werft sichtbar wäre. Aufträge für Großyachten werden vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise derzeit kaum vergeben. Zudem besetzt Lürssen in diesem Geschäft eine starke Marktposition. Im Geschäft mit Ausrüstungen für Offshore-Windparks auf dem Meer, das als zukunftsträchtig gilt, ist die Werft bislang nicht vertreten. Und den Bau von Handelsschiffen hat Blohm + Voss längst aufgegeben.

Auch das Reparaturgeschäft hat zuletzt deutlich an Dynamik verloren. "Mit einem Frachtschiff fährt man unter dem hohen Kostendruck heutzutage möglichst kurze Wege bis zur Reparatur und nicht dorthin, wo eine Werft mit prestigeträchtigem Namen sitzt", sagte ein Hamburger Reeder dem Abendblatt. Auch der Boom beim Umbau von Schiffsrümpfen, etwa Verlängerungen oder Verkürzungen von Frachtern, sei vorbei: "Da baut man lieber gleich ein neues Schiff." Insgesamt fährt die deutsche Werftindustrie in schwerer See. Erst im November meldete Deutschlands älteste Werft Sietas in Neuenfelde Insolvenz an.

(abendblatt.de)