TUI will seine Anteile an der Reederei Hapag-Lloyd loswerden. Die Stadt kommt unter Zugzwang. Bestimmt ein Gutachter am Ende den Preis?
Hamburg. Für die Neuordnung der Anteile an der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd rückt eine wichtige Frist näher, der 2. Januar 2012. Bei den Eignern steigt die Nervosität, da sich eine für alle Beteiligten perfekte Lösung nicht abzeichnet. Der Touristikkonzern TUI hält an Hapag-Lloyd derzeit 38,4 Prozent. 61,6 Prozent liegen beim Hamburger Konsortium Albert Ballin um den Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne und die Stadt Hamburg. Von Januar an kann TUI 33 Prozent seiner Anteile dem Konsortium zum Verkauf andienen. Sollte Albert Ballin nicht zugreifen, darf TUI bis zum Herbst 2012 anderen Investoren die Mehrheit an Hapag-Lloyd verkaufen.
Es könnte zudem der Fall eintreten, dass sich das Konsortium und TUI zwar über den Verkauf der 33 Prozent an Hapag-Lloyd im Grundsatz einigen, aber der Preis strittig bleibt. Sollten beide Seiten darüber nicht bis Ende Januar zu einem Ergebnis kommen, würde nach Abendblatt-Informationen ein bereits ausgewählter Gutachter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft innerhalb von vier Wochen einen Preis festlegen, den beide Seiten akzeptieren müssten.
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In der TUI-Bilanz werden die Hapag-Lloyd-Anteile mit rund 1,2 Milliarden Euro bewertet. Die Reederei steckt aber erneut in einer Branchenkrise der Containerschifffahrt. In den ersten neun Monaten 2011 fuhren die Hamburger bei einem operativen Gewinn (Ebitda) von 275 Millionen Euro einen Nettoverlust von 23 Millionen Euro ein. Damit steht Hapag-Lloyd zwar noch relativ gut da. Doch der laufende Preiskampf könnte die Branche noch eine Zeit lang schwächen. Vor diesem Hintergrund scheiterte in diesem Jahr bereits ein von den Anteilseignern avisierter Teilbörsengang von Hapag-Lloyd.
Und auch für strategische Investoren ist die Reederei in ihrem aktuellen Umfeld wenig attraktiv. Hinter den Kulissen richtet sich der Druck von TUI deshalb nun offenbar auf die Stadt Hamburg, die durchgerechnet mit 23,6 Prozent an Hapag-Lloyd beteiligt ist. In Marktspekulationen taucht plötzlich wieder der Name des Logistikkonzerns NOL aus Singapur als potenzieller Käufer von Hapag-Lloyd auf. Die Furcht vor einer Übernahme der Hamburger Traditionsreederei durch ein asiatisches Unternehmen hatte 2008 maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Hamburg am Konsortium Albert Ballin beteiligte.
Nach Abendblatt-Informationen war TUI-Chef Michael Frenzel erst kürzlich in Singapur. TUI dementierte jedoch, dass es Verhandlungen mit dem Investmentfonds Temasek gebe, dem Eigner von NOL. "Wir halten uns weiterhin alle Optionen für einen Verkauf der Hapag-Lloyd-Anteile offen und sprechen mit verschiedenen möglichen Investoren", sagte ein Sprecher lediglich. Allerdings scheint der Konzern die Stadt Hamburg drängen zu wollen, sich stärker finanziell bei Hapag-Lloyd zu engagieren oder aber bei der Suche nach geeigneten Investoren zu helfen.
Unrealistisch erscheint ein erneutes Interesse von NOL nicht. Der Druck zu Zusammenschlüssen in der Containerschifffahrt wächst. Am Donnerstag vereinbarten die zweit- und die drittgrößte Linienreederei, MSC und CMA CGM, eine enge Allianz auf wichtigen Routen für zunächst zwei Jahre von 2012 an. Das ist ein klarer Vorstoß gegen Marktführer Maersk, der auch Auswirkungen auf die anderen großen Reedereien der Containerschifffahrt haben dürfte. Hapag-Lloyd steht derzeit mit vier Prozent Marktanteil auf Rang fünf der größten Containerlinien, NOL mit seiner Reederei American President Lines (APL) fast gleichauf an Rang sechs. Maersk hält, gemessen an der Transportkapazität seiner Containerschiffe, derzeit rund 16 Prozent Marktanteil. Auch die Dänen könnten nach Meinung von Branchenkennern nun ein Auge auf Hapag-Lloyd werfen.
Klar erscheint nach Abendblatt-Informationen, dass der Unternehmer Kühne bei Hapag-Lloyd nicht zusätzlich investieren wird, wenn nicht auch die Stadt ihren Anteil aufstockt. Kühne hält persönlich 13,3 Prozent der Anteile an der Reederei. Dem Konsortium Albert Ballin finanzierte er im Frühjahr zudem die Übernahme von 11,3 Prozent an Hapag-Lloyd von TUI für 315 Millionen Euro. Die Finanzinvestoren wiederum, die über das Konsortium derzeit noch mit kleineren Anteilen an Hapag-Lloyd beteiligt sind, wollen überwiegend verkaufen. Dies sind die HSH Nordbank, Signal Iduna, HanseMerkur und die Bank M.M. Warburg.
Die Stadt Hamburg hält sich derzeit bedeckt. Bislang ist unklar, ob die städtische Beteiligungsgesellschaft HGV ihren Anteil an Hapag-Lloyd weiter aufstocken wird. "Bürgermeister Olaf Scholz wird die vorliegenden Optionen prüfen und zu gegebener Zeit entscheiden", sagte ein Insider dem Abendblatt. Zuständig ist zwar das Finanzressort des Senats. Die Angelegenheit gilt in der Stadtregierung aber als Chefsache.