Josef Ackermann steht vor dem Karriere-Aus: Der Vorstandschef der Deutschen Bank verzichtet auf einen Wechsel in den Aufsichtsrat, wie das eigentlich für den nächsten Mai geplant war.
Frankfurt/Main. Josef Ackermann steht vor dem Karriere-Aus: Der Vorstandschef der Deutschen Bank verzichtet auf einen Wechsel in den Aufsichtsrat, wie das eigentlich für den nächsten Mai geplant war. Woher der Sinneswandel kommt, blieb am Montag unklar. Bankenkreise bemühten sich aber umgehend, den Eindruck zu verwischen, Ackermann Entschluss könne etwas mit den Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Kirch-Prozess zu tun haben. In das Kontrollgremium des mit großem Abstand führenden deutschen Geldinstituts soll statt Ackermann nun Allianz-Finanzvorstand Paul Achleitner einziehen.
Die spektakuläre Personalie versteckte sich in einer Börsenpflichtmitteilung, die die Deutsche Bank am Montagnachmittag verschickte. Die „extrem herausfordernden Verhältnisse auf den internationalen Finanzmärkten und im politisch-regulatorischen Umfeld“ verlangten seine „volle Aufmerksamkeit als Vorsitzender des Vorstands der Bank“, schrieb Ackermann. Sie ließen ihm „keinen Raum für die zur Realisierung des Vorhabens erforderlichen vielen Einzelgespräche mit Aktionären“.
Dabei hatte die Deutsche Bank sich erst im Sommer nach langem Hin und Her auf das neue Personaltableau in Vorstand und Aufsichtsrat geeinigt: Nach der Hauptversammlung im Mai 2010 zieht sich Ackermann aus dem Tagesgeschäft zurück und übergibt an die beiden Vorstände Anshu Jain, den Leiter der Investmentsparte und Regenmacher des Instituts, und an Jürgen Fitschen, bislang Deutschland-Statthalter. Daran will die Bank auch festhalten.
Der 65-jährige Ackermann, seit 2002 Vorstandschef der Bank, wollte dann eigentlich Clemens Börsig als obersten Kontrolleur ablösen. Für diese Rochade hatte der Schweizer viel Kritik einstecken müssen, gehört es sich doch nach den Regeln der guten Unternehmensführung nicht, direkt vom Vorstand in den Aufsichtsrat zu wechseln.
Vertraute: Ackermann fehlte die Zeit
Umso überraschender ist nun der Verzicht Ackermanns, der als einer der einflussreichsten Banker Europas gilt und als Branchenvertreter den Schuldenschnitt für Griechenland mitverhandelt hat. Vertraute des Vorstandssprechers streuten am Rande der Euro-Finanzwoche in Frankfurt die Deutung, Ackermann fehle die Zeit, sich einzuarbeiten und Gespräche mit Anteilseignern zu führen. Ackermann selbst wollte sich nicht vor Journalisten äußern.
Keine Bestätigung gab es am Montag für die Vermutung, es bestehe ein Zusammenhang zwischen dem geplatzten Wechsel in den Aufsichtsrat und die Ermittlungen gegen Ackermann. Die Staatsanwaltschaft hatte vergangene Woche sein Büro in der Frankfurter Bankzentrale durchsucht und ein Verfahren wegen Falschaussage im Münchner Kirch-Prozess eingeleitet.
Wie Anwälte der Deutschen Bank erklärten, wird gegen Ackermann, Börsig, Ackermanns Vorgänger Rolf Breuer und den früheren Bankvorstand Tessen von Heydebreck wegen Verdachts der Falschaussage und des versuchten Prozessbetrugs ermittelt. Mehr als 30 Ermittler hätten die Vorstandsetage der Bank in Frankfurt, Breuers Privaträume und sein Urlaubsdomizil in Österreich von Dienstag bis Freitag vergangener Woche durchsucht.
Schon einmal im Visier der Justiz
Mit den Ermittlungen gegen die Spitze der größten Bank des Landes erreicht die erbitterte Auseinandersetzung um die Verantwortung für die Insolvenz des Film- und Fernsehkonzerns von Leo Kirch im April 2002 einen neuen Höhepunkt. Der im Sommer verstorbene Kirch hatte der Bank und Breuer die Schuld an seiner Pleite gegeben und sie auf 3,3 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt. Ackermann und die anderen Banker bestritten im Mai vor dem Oberlandesgericht, dass die Bank Kirch in die Enge getrieben habe, um so ein lukratives Sanierungsmandat zu erhalten.
In das Visier der Justiz war Ackermann schon einmal geraten: Ab 2004 stand er im sogenannten Mannesmann-Prozess vor Gericht. Ackermann und weitere Angeklagte standen im Verdacht, Mannesmann bei der Übernahme durch Vodafone wegen überhöhter Prämienzahlungen um rund 57 Millionen Euro geschädigt zu haben. Im ersten Prozess wurde Ackermann freigesprochen. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil jedoch auf. Der zweite Prozess wurde 2006 gegen Zahlung eines Geldbetrages eingestellt. Ackermann musste 3,2 Millionen Euro zahlen.
Mit Achleitner hat die Deutsche Bank einen bestens vernetzten Spitzenmanager für die Top-Personalie gewonnen. Der 55-Jährige sitzt unter anderem in den Aufsichtsräten von Bayer, Daimler und RWE. Seinen Allianz-Vorstandsposten will er beim Wechsel zur Deutschen Bank abgeben. „Achleitner ist ein hervorragender Kenner des Bankgeschäfts und der Finanzmärkte. Sein Rat wird seit vielen Jahren in Unternehmen wie Politik im In- und Ausland gesucht und geschätzt“, sagt Ackermann über ihn. (dapd/abendblatt)