Wende im Kirch-Prozess: Wegen angeblicher Falschaussagen droht dem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ein Ermittlungsverfahren.

München. Eine dramatische Wende zeichnet sich im Kirch-Prozess ab. Wegen angeblicher Falschaussagen rückt nun auch Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann in das Visier der Ermittler. Von Dienstag bis Freitag ließ die Staatsanwaltschaft München die Vorstandsbüros und die Rechtsabteilung der Deutschen Bank durchsuchen, wie ein Sprecher der Bank bestätigte. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Gegen Ackermann läuft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Prozessbetrug. Und auch gegen Aufsichtsratschef Clemens Börsig, den Ex-Vorstandsvorsitzenden Rolf Breuer und den früheren Personalchef Tessen von Heydebreck wird ermittelt.

+++ Kirch-Prozess: Weitere Zeugen befragt +++
+++ Deutsche Bank wehrt sich vor Gericht +++

Der Grund: Angeblich hätten die drei Manager im prominent besetzten Kirch-Prozess Falschaussagen gemacht. Die Deutsche-Bank-Anwälte Manfred Wolf und Peter Heckel bezeichnen den Vorwurf als nicht zutreffend. Sie wiederrum sagen: Das Gericht habe Schriftstücke aus den Akten entnommen und sich mit der Staatsanwaltschaft über einen Antrag der Bank abgestimmt. Das war zuviel für die Anwälte. Der Senat führe die Beweisaufnahme nicht mehr unparteilich durch, sagte Wolf. Er stellte einen Befangenheitsantrag. Dem eigentlich als Zeugen vorgesehenen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) habe der Senatsvorsitzende Guido Kotschy nahegelegt, nicht auszusagen.

Über den Antrag müssen drei andere Richter des Oberlandesgerichts entscheiden. Der Senatsvorsitzende Kotschy hob die im November und Dezember geplanten Verhandlungstermine auf und schickte die als Zeugin geladene Friede Springer unverrichteter Dinge weg: „Wir werden Sie heute nicht vernehmen. Es tut uns furchtbar leid“, sagte er. Der milliardenschwere Schadenersatzprozess steht jetzt auf der Kippe. Die Verlegerin war mit ihrem Anwalt nach München gekommen, um auszusagen, ob es vor der Insolvenz der KirchMedia 2002 Gespräche mit anderen Verlegern oder mit der Deutschen Bank über die 40-Prozent-Beteiligung Kirchs am Springer-Verlag gegeben habe. D

er im Sommer verstorbene Kirch hatte Breuer und der Deutschen Bank die Schuld an seiner Pleite gegeben und sie auf rund drei Milliarden Euro Schadenersatz verklagt. „Die Deutsche Bank und die Betroffenen halten die Beschuldigungen für haltlos und das Vorgehen der Staatsanwaltschaft für unverhältnismäßig“, sagte der Sprecher weiter. Die Staatsanwaltschaft München konnte zunächst keine Angaben machen. Ob die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Ackermann und die drei anderen Banker eröffnet hat, blieb also zunächst offen. Die Anwälte der Bank sagten, sie hätten noch keine Akteneinsicht.

Der Prozess

Das Gericht versucht seit Wochen, mit Hilfe etlicher prominenter Zeugen die Vorgeschichte der Milliarden-Pleite des Medienzars Leo Kirch 2002 zu untersuchen. Der inzwischen gestorbene Kirch hatte die Deutsche Bank und ihren damaligen Chef Breuer für den Zusammenbruch seines Konzerns verantwortlich gemacht und ihn und das Geldhaus mit zahlreichen Prozessen überzogen.

Breuer ist bereits wegen versuchten Prozessbetrugs durch Falschaussage im Jahr 2003 angeklagt – sein Prozess beginnt am 24. November vor einer Strafkammer des Landgerichts. Ackermann und die drei anderen Banker hatten als Zeugen im Schadenersatzprozess vor dem Zivilsenat bestritten, dass die Bank Kirch in die Enge getrieben hätte, um so ein lukratives Sanierungsmandat zu erhalten. Der Senat hatte Zweifel geäußert. Bank-Anwalt Heckel sagte, dass der Senat deshalb aber heimlich die Staatsanwaltschaft einschalte, sei ein bemerkenswerter Vorgang.

(abendblatt.de/Reuters/dpa)