Ratingagentur Standard & Poor’s senkte „irrtümlich“ Frankreichs Bonität. Fehler soll laut Regierung behördliches Nachspiel haben. EU-Kommission nennt Panne „schwerwiegenden Vorfall“

Paris. Das wird ein behördliches Nachspiel haben: Eine „irrtümliche“ Herabstufung von Frankreichs Top-Bonität durch die Ratingagentur Standard & Poor’s sorgte bei der Regierung in Paris für Aufruhr. Finanzminister François Baroin forderte in einer am späten Donnerstagabend verbreiteten Erklärung die Aufsichtsbehörde für die europäischen Finanzmärkte zu einer Untersuchung auf.

Die Agentur selbst hatte den Fehler am Donnerstagabend erst Stunden nach dem Vorfall aufgeklärt: Eine entsprechende E-Mail sei an einige Abonnenten der S&P-Internetseite versendet worden. Standard & Poor's sprach von einem „technischen Fehler“. Man wolle die genaue Fehlerquelle untersuchen.

EU-Kommissar Michel Barnier bezeichnete die Panne als „schwerwiegenden Vorfall“ und drohte mit Sanktionen. „Es ist nun Sache der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA, gemeinsam mit der nationalen Aufsichtsbehörde AMF die Fakten zu prüfen und Schlussfolgerungen zu ziehen“, sagte Barnier am Freitag in Brüssel.

Am kommenden Dienstag (15.) wird der Binnenmarktkommissar neue Vorgaben präsentieren. Sie sehen unter anderem vor, Ratingagenturen vorübergehend die Veröffentlichung der Benotung von Euro-Krisenstaaten zu verbieten, der Wertpapieraufsicht ESMA eine Kontrolle über die Methodologie der Ratings zu geben und Auftraggeber zu verpflichten, alle drei Jahre die Ratingagentur zu wechseln, um Gefälligkeitsratings zu vermeiden. Für fehlerhafte Benotungen sollen Ratingagenturen künftig haften.

Der französische Kommissar zeigte sich verärgert, dass Standard & Poor's mitten in der Schuldenkrise ihrer Verantwortung nicht gerecht werde. Es gehe ja „nicht um irgendeine Ratingagentur“, sondern um eine der drei Großen, betonte Barnier. Standard & Poor's beherrscht gemeinsam mit Moody's und Fitch den Markt. Die Panne belegt nach Barniers Worten die Notwendigkeit, Ratingagenturen schärfer zu kontrollieren. „All dies stärkt meine Überzeugung, dass Europa striktere und schärfere Regeln braucht.“

Bei Analysten provozierte der Vorfall kritische Fragen: Trotz der Erklärung seitens S&P bleibe ein „sehr fader Beigeschmack“, hieß es beim Frankfurter Bankhaus Metzler. Selbst im Falle eines Irrtums müsse die Meldung schließlich irgendjemand verfasst haben. Auch für Folker Hellmeyer, Chef-Analyst der Bremer Landesbank, „stellt sich die Frage, wie ein Text vorbereitet sein kann, wenn es dazu gar keine Absicht gibt“.

Die Panne hätte zu kaum einem ungünstigeren Zeitpunkt passieren können: Bereits vorher waren die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen zu den als extrem sicher geltenden deutschen Staatsanleihen auf Rekordhöhe gestiegen – mittlerweile liegen sie bei knapp 1,6 Prozent.

Am Freitag beruhigte sich die Lage am französischem Anleihemarkt nur leicht. Am Donnerstag hatte die Rendite für zehnjährige französische Staatstitel einen Sprung um rund 0,3 Prozentpunkte hingelegt, der laut Händlern zumindest teilweise auf den Patzer von S&P zurückging. Die Rendite des französischen Zehn-Jahres-Papiers lag bei 3,4 Prozent und damit nur leicht unter dem Höchststand vom Donnerstag.

Derweil hat sich die Lage für italienische und griechische Staatsanleihen zum Wochenausklang entspannt. Nachdem die Risikoaufschläge für italienische Staatstitel bereits am Donnerstag merklich gesunken waren, gingen sie auch am Freitag spürbar zurück. Deutlich geringere Risikoaufschläge muss Griechenland zahlen, nachdem dort der Weg für eine Übergangsregierung frei wurde.

In Italien sank die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Anleihe um gut einen Viertel Prozentpunkt auf rund 6,6 Prozent. Am Mittwoch war die Rendite deutlich über sieben Prozent gesprungen. In der Nähe dieses Renditeniveaus, das unter Experten über längere Zeit als nicht tragfähig gilt, hatten die Euro-Länder Griechenland, Irland und Portugal mit Finanzhilfen gerettet werden müssen. (dpa/abendblatt.de)