Es soll künftig Katastrophen wie EHEC und Dioxin durch Frühwarnung verhindern. Doch es steht schon am ersten Tag in der Kritik.
Berlin. Glassplitter in Wasser und Wurst, Nachweis von Schimmelpilzen. Dies sind nur einige der Hinweise, die bereits auf dem Online-Portal zur Lebensmittelwarnung veröffentlicht sind. Verbraucher sollen sich künftig einfacher über Lebensmittel-Warnungen von Behörden und Herstellern informieren können. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) stellte am Freitag in Berlin das Portal vor, in dem die Hinweise der Bundesländer auf gesundheitsgefährdende Lebensmittel künftig zentral einsehbar sind. Es soll helfen, schnell auf Gefährdungen reagieren zu können, sagte Aigner.
Unter anderem stehen auf der neuen Internetseite der Name des Produkts, der Hersteller, der Grund der Warnung und die warnenden Bundesländer. In Anhängen finden sich Fotos oder Stellungnahmen der Hersteller. Über aktuelle Warnungen können sich Verbraucher auch über E-Mails und Twitter informieren lassen. Eine Suchfunktion, in der Verbraucher selbstständig nach bestimmten Lebensmittelprodukten recherchieren können, gibt es dagegen nicht.
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kritisierte das Online-Portal als „Augenwischerei“. Um eine tagesaktuelle Informationspflicht der Behörden über gesundheitsgefährdende Produkte zu erhalten, sei eine Gesetzesnovelle nötig, sagte Anne Markwardt von Foodwatch. „Es ist absurd, dass weiterhin manche Bundesländer vor Produkten warnen, während andere Länder dieselben Informationen für sich behalten.“ Außerdem würden nicht alle als gesundheitsgefährdend eingestuften Produkte aus dem Europäischen Schnellwarnsystem eingestellt.
Hintergrund der Kritik ist der Paragraf 40 des Lebensmittel- und Futtermilchgesetzbuches, der nach Ansicht von Foodwatch den Behörden einen Ermessensspielraum lässt, ob und wann eine Lebensmittelwarnung veröffentlicht wird oder nicht. Dem Gesetz nach soll die Öffentlichkeit über unsichere, ekelerregende oder aus anderen Gründen nicht verkehrsfähige Lebensmittel und Täuschungen informiert werden. Foodwatch fordert diese Soll-Bestimmung in eine verbindliche Informationspflicht zu verschärfen.
Das neue Online-Portal ist der Versuch der Bundesländer, nach den Lebensmittelskandalen der vergangenen Monate etwa durch Dioxin-verseuchte Eier und tödliche EHEC-Keime auf Gemüse schneller Informationen an die Verbraucher weiterzugeben. Bereits im Juli hatte die Bundesregierung das Internetportal www. lebensmittelklarheit.de für Verbraucherbeschwerden über Lebensmittel eingeführt. Bislang wurden über 20 Millionen Zugriffe verzeichnet, sagte Aigner. Vorläufer für lebensmittelwarnung.de gibt es bereits in einzelnen Bundesländern etwa in Bayern. Interessierte können sich über den Kurznachrichtendienst Twitter automatisch über neue Warnungen informieren lassen.
Der Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Helmut Tschiersky-Schöneburg, dessen Behörde das Portal im Auftrag der 16 Länder entwickelt hat, nannte die neue Internetseite einen echten Qualitätssprung in Transparenz. Zugleich verwies er aber auf die große Verantwortung der Hersteller, frühzeitig Warnungen herauszugeben. Die Behörden würden aktiv, wenn dies nicht ausreichend geschehe.
Kriterien für eine Veröffentlichung seien, dass das Produkt gesundheitsgefährdend ist und sich bereits im Handel oder schon beim Verbraucher befindet. Im Durchschnitt seien in der Vergangenheit monatlich zwei bis fünf Warnungen auf Länderebene veröffentlicht worden. Sogenannte Schnellwarnungen, von denen es etwa fünf bis zehn am Tage gebe, würden hingegen nicht veröffentlicht, da keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung vorliege. Das BVL selbst kann außerdem vor Produkten warnen, wenn sie beispielsweise aus dem Ausland etwa über Internet vertrieben werden und kein Hersteller oder Vertreiber in Deutschland existiert.
Der Deutsche Bauernverband begrüßte das neue Verbraucherportal und verbindet damit die Hoffnung, dass die Veröffentlichungspraxis der Länder sich vereinheitliche. Mit Blick auf Beispiele in der EHEC-Krise erklärte der Verband, es sei unerlässlich, falsche Warnungen zu vermeiden. Die Schadensersatzfrage sei nicht ausreichend geregelt. (epd/dpa)