Die Streiks der Lotsen könnten von Mittwoch an den kompletten Luftverkehr lahmlegen. Die Deutsche Flugsicherung bietet erneute Schlichtung an.

Hamburg. Mit einem neuen Angebot will die Flugsicherung einen drohenden Lotsenstreik in Deutschland in letzter Sekunde abwenden. „Wir haben einen Kompromissvorschlag vorgelegt und hoffen, dass die Gewerkschaft jetzt an den Verhandlungstisch zurückkehrt“, sagte ein Sprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS) am Montag. Zuvor hatte die DFS ihr Angebot für eine erneute Schlichtung bekräftigt. Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) berät seit Montagmittag in Frankfurt über mögliche Streiks der Fluglotsen.

***Was tun, wenn die Fluglotsen streiken?***

Knackpunkt der am Freitag geplatzten Schlichtung war laut Flugsicherung die Forderung der Gewerkschaft, alle sogenannten Schicht- und Teamleiter in eine höhere Vergütungsgruppe einzustufen. Dazu sei die DFS bereit, sagte der Sprecher des bundeseigenen Unternehmens. Im Gegenzug solle das Gehalt der Neulinge in dieser Gruppe aber etwas geschmälert werden. Die GdF bestätigt den Eingang des Angebots, wollte sich zunächst aber nicht dazu äußern. Zuvor hatte die Gewerkschaft dem bundeseigenen Unternehmen vorgeworfen, zu Verhandlungspositionen zurückzukehren, die eigentlich schon vom Tisch gewesen seien.

Sollte sich die Gewerkschaft für einen Streik aussprechen, könnte es rein theoretisch bereits am Dienstagabend nach 20.00 Uhr zu ersten Arbeitsniederlegungen kommen. Weil die Auswirkungen am Abend vergleichsweise gering ausfallen dürften, gilt ein Streik am Mittwoch als wahrscheinlicher. Dadurch könnte der Flugverkehr über Deutschland für mehrere Stunden lahmgelegt werden. Die Lotsen müssen einen Streik mindestens 24 Stunden vorher ankündigen. Die Flugsicherung könnte versuchen, dies mit einem Gang vor das Arbeitsgericht noch zu verhindern, sofern die Gewerkschaft rechtswidrige Forderungen erhebt. In dem seit Monaten tobenden Tarifstreit hatten die Gewerkschaft und DFS in einem nahezu beispiellosen Juristen-Hick-Hack schon zwei Mal die Arbeitsgerichte in Frankfurt bemüht.

Am vergangenen Freitag waren die Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaft und der Deutschen Flugsicherung für die rund 6000 DFS-Beschäftigten, darunter mehr als 2000 Fluglotsen, ergebnislos abgebrochen worden. Gewerkschaft und Flugsicherung gaben sich gegenseitig die Schuld am Scheitern der erneuten Schlichtung.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) warnte für den Fall eines Fluglotsenstreiks vor negativen Folgen für Hunderttausende unbeteiligte Urlauber. „Bei allem Verständnis für die Tarifautonomie und das Streikrecht sollten Gespräche über Gehalt, Vergütungsgruppen und Arbeitsbedingungen bilateral geklärt werden“, erklärte DRV-Präsident Jürgen Büchy in einer Mitteilung. Der Konflikt dürfe nicht auf dem Rücken Dritter ausgetragen werden. Auch der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Dirk Fischer, äußerte sich kritisch. Fischer sagte der „Rheinischen Post“ vom Montag: „Aus Eigeninteresse schaden die Fluglotsen dem Wirtschaftsstandort Deutschland.“

+++ Die Macht der Fluglotsen +++

Das Abendblatt beantwortet zu den aktuellen Entwicklungen wichtige Fragen für Reisende.

Was ist der Grund für die Betriebsversammlungen?

Für Aufregung unter den Beschäftigten sorgt ein Vorschlag der EU-Kommission für mehr Wettbewerb bei der Bodenabfertigung. Der Markt soll demnach auch für externe Dienstleister freigegeben werden. "Wir befürchten einen weiteren Lohnabbau sowie eine Ausweitung der Zeit- und Leiharbeit, wenn diese Vorstellungen Gesetz werden", erklärte Ver.di-Bundesvorstand Christine Behle.

Was kommt heute auf die Passagiere am Hamburger Flughafen zu?

Die Gepäckverlader oder Busfahrer des Airports haben bereits vergangene Woche ihre Informationsveranstaltung zu den EU-Plänen für Flughäfen abgehalten, sodass nach Angaben von Sprecherin Stefanie Harder nicht mit größeren Beeinträchtigungen für die Passagiere zu rechnen ist. Allerdings könnten ab dem Nachmittag verspätete Ankünfte und Abflüge vorkommen, weil sich die Beladung von Flugzeugen an anderen Airports verzögert hat, sagte Dietmar Stretz von Ver.di Hamburg dem Abendblatt.

Wo können Betriebsversammlungen des Bodenpersonals den Flugbetrieb stören?

Außer in Hamburg sind an vielen deutschen Airports Betriebsversammlungen geplant. Nach Angaben der Gewerkschaft Ver.di in Frankfurt, Köln-Bonn, München, Nürnberg, Berlin und Stuttgart. Allein am größten deutschen Airport in Frankfurt werden voraussichtlich 2000 Beschäftigte der Bodenverkehrsdienste an der mehr als einstündigen Veranstaltung teilnehmen, wie ein Sprecher von Ver.di Hessen sagte. Auch in Düsseldorf, Hannover und Münster sowie in Wien und Bologna sind Betriebsversammlungen geplant. Die Lufthansa rechnet mit Störungen und empfiehlt Reisenden, sich vor dem Flug auf dem Internetportal der Fluggesellschaft über mögliche Verzögerungen zu informieren.

Wann kommt es frühestens zu den Streiks der Fluglotsen?

Nach Angaben des Bundesvorstands der Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF), Markus Siebers, herrscht nach dem Scheitern der Gespräche noch drei Tage Friedenspflicht. Am heutigen Montag solle die Tarifkommission informiert und über das weitere Vorgehen beraten werden, sagte er. Da ein Streik 24 Stunden vor Beginn angekündigt werden müsse, könne ein Arbeitskampf frühestens am Dienstagabend beginnen. Wahrscheinlicher sei aber Mittwochmorgen.

Die Gewerkschaft geht davon aus, dass die Deutsche Flugsicherung (DFS) wieder probieren wird, den Gerichtsweg einzuschlagen, sollte es zum Streik kommen. Arbeitsgerichte hatten jedoch bereits im August einen damals angekündigten Streik für rechtmäßig erachtet. Zu dem Ausstand war es aber nicht gekommen, weil ein Schlichter eingeschaltet wurde.

Wie groß können die Beeinträchtigungen durch mögliche Streiks werden?

Die GdF will bei einem möglichen Streik nur für einige Stunden die Arbeit niederlegen. "Es wird hier keinen 24-Stunden-Streik wie in Griechenland geben", sagte ein Gewerkschaftssprecher. Beschlossen sei aber noch nichts.

Welche sind die Streitpunkte in dem Tarifkonflikt?

In der Auseinandersetzung ging es von Anfang an nicht nur um die Vergütung, sondern auch um die Eingruppierung der Mitarbeiter. Bisher hat die Deutsche Flugsicherung (DFS) um 5,2 Prozent höhere Gehälter angeboten. Jetzt fordert die Gewerkschaft zudem, dass mehr Lotsen befördert werden sollen. Eine Forderung, die nach Meinung von Insidern keinen Streik rechtfertigt.

Wie viel verdienen Fluglotsen?

In dem Tarifstreit dienen die hohen Gehälter der 1900 DFS-Lotsen als häufiges Argument gegen einen Streik. Laut DFS liegen die Bruttojahresgehälter zwischen 72 000 und 130 000 Euro ohne Schicht- und Feiertagszulagen. Die Höhe des Gehalts richtet sich nach Qualifikation und Einsatzort. Die Kosten übernehmen die Fluggesellschaften.

Welche Rechte haben die Passagiere bei einer solchen Arbeitsniederlegung?

Ein Fluglotsenstreik gilt als Fall von "höherer Gewalt", ähnlich wie bei der Aschewolke auf Island. Die Fluggesellschaften trifft keine Schuld - sie müssen zumindest keinen Schadenersatz leisten. Trotzdem haben die Passagiere aber Rechte, auf die sie sich berufen können. In einigen Fällen gibt es auch Geld zurück. Die Airline muss den Flugpreis inklusive Steuern und Gebühren dem Passagier beispielsweise dann rückvergüten, wenn der Flug ersatzlos gestrichen wird.