In einem Pilotverfahren hat der Bundesgerichtshof die Schadenersatzklagen von zwei geschädigten Lehman-Anlegern verworfen.

Karlsruhe. Geschädigte Anleger der Pleite-Bank Lehman Brothers haben vor dem Bundesgerichtshof eine Niederlage erlitten. Der BGH wies Schadensersatzklagen ab. Die Anleger seien beim Kauf von Zertifikaten nicht unzureichend oder falsch beraten worden, entschied der Bundesgerichtshof in einem am Dienstag verkündeten Urteil. Deshalb hätten die Anleger keinen Anspruch auf Rückzahlung des investierten Geldes. Die Hamburger Sparkasse habe beim Verkauf der Papiere ihre Beratungspflichten nicht verletzt (Az. XI ZR 178/10 und XI ZR 182/10).

Die Insolvenz der amerikanischen Investmentbank sei nicht vorhersehbar gewesen, sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsbegründung. Auch hätte die Sparkasse die Anleger nicht über ihre Gewinnmarge beim Verkauf informieren müssen.

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Die beiden Anleger hatten auf Empfehlung der Hamburger Sparkasse jeweils für 10 000 Euro sogenannte Zertifikate gekauft, die von Lehman herausgegeben wurden. Die Höhe und der Zeitpunkt der Rückzahlung sollte von der Entwicklung bestimmter Aktien abhängen. Als Lehman Brothers im September 2008 pleiteging, wurden die Papiere weitgehend wertlos. Die Anleger verklagten ihre Sparkasse, weil diese sie nicht ausreichend über die Risiken sowie den eigenen Gewinn beim Verkauf der Produkte aufgeklärt habe.

Insgesamt sind derzeit allein beim BGH 40 weitere Verfahren um Ansprüche von Lehman-Anlegern anhängig. Die nun entschiedenen Fälle hätten „eine gewisse Pilotfunktion“, sagte der Vorsitzende Richter. Allerdings seien in jedem Einzelfall die genauen Umstände der Beratung zu berücksichtigen.

In den am Dienstag verhandelten Fällen konnten die Richter keine Pflichtverletzung der Sparkasse erkennen. Eine Aufklärung über das „konkrete Emittentenrisiko“ – also die Gefahr, dass der Emittent einer Anleihe insolvent wird – sei nur dann nötig, wenn besondere Umstände vorlägen, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Wiechers. Zum Zeitpunkt des Verkaufs der Zertifikate in den Jahren 2006 und 2007 habe es jedoch keine Hinweise auf eine mögliche Lehman-Pleite gegeben.

Die Sparkasse habe nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts auch nicht darauf hinweisen müssen, dass sie selbst die Zertifikate mit 3,8 Prozent Rabatt einkauft, um sie dann zum vollen Preis zuzüglich eines Ausgabeaufschlags an ihre Kunden weiterzuverkaufen. „Der Einkaufsrabatt beeinträchtigt nicht den Wert der Zertifikate“, sagte Wiechers.

In diesem Punkt widersprach der Anwalt der Anleger. Nach seiner Auffassung müsste die Bank auch über die ihr gewährten Rabatte aufklären. Dies folge unter anderem aus europarechtlichen Vorgaben. „Für den Kunden ist sonst nicht erkennbar, dass die Bank Eigeninteressen verfolgt“, sagte Anwalt Richard Lindner.

Der Vertreter der beklagten Sparkasse hielt dagegen. „Dass die Bank Gewinn macht, muss dem Anleger klar sein“, sagte Rechtsanwalt Matthias Siegmann. „Deshalb wird die Beratung nicht schlechter.“

In der Vorinstanz waren die Kläger gescheitert. Zum Zeitpunkt des Kaufs in den Jahren 2006 und 2007 hätte man ohne weiteres auf die Zahlungsfähigkeit von Lehman Brothers vertrauen dürfen, so das Oberlandesgericht Hamburg. Die Sparkasse habe ihre Beratungspflichten nicht verletzt.

Bei dem Verfahren vor BGH geht es um Zertifikate, die von der niederländischen Tochtergesellschaft von Lehman Brothers ausgegeben und in Deutschland vertrieben wurden. Da die Zertifikate nicht der Einlagensicherung unterlagen, waren sie nach der Insolvenz zunächst wertlos. Nach Schätzungen von Verbraucherschützern haben rund 40 000 bis 50 000 Anleger in Deutschland solche Zertifikate gekauft und dabei 700 Millionen bis eine Milliarde Euro investiert. Für diese Zahlen gibt es jedoch keine Belege.