Die Ratingagentur S&P senkt Italiens Bonität. Berlusconi sauer. Reaktionen der deutschen Politik durchwachsen.

Rom. Neuer Nackenschlag in der europäischen Schuldenkrise: Italien bekam von der Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) wegen der schwachen Konjunktur und der wackligen Regierungskoalition eine schlechtere Bonitätsnote verpasst. Ministerpräsident Silvio Berlusconi warf der Ratingagentur daraufhin Realitätsverlust vor und unterstellte ihr politische Motive. Mitten in der Zitterpartie um neue Finanzhilfen für das von der Pleite bedrohte Griechenland nährt die Herabstufung die Angst vor einem Übergreifen der Krise auf größere Staaten.

Die Herabstufung der Bonität Italiens ist in Deutschland auf Verständnis und sogar Zustimmung gestoßen. „Ich denke, dies ist ein guter und notwendiger Ansporn, aus dieser Reaktion der Ratingagentur die Konsequenzen zu ziehen und sich noch mehr anzustrengen“, sagte die CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, am Dienstag in Berlin. „Natürlich ist dies ein Zeichen für Italien, sich noch mehr anzustrengen, um das Vertrauen der Märkte wieder zu gewinnen.“ Italien befinde sich in einer entscheidenden Phase, weil die Regierung einige Projekte umgesetzt, andere aber bisher nur versprochen habe.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, mahnte alle Euro-Regierungen zu ernsthaften Sparanstrengungen. „Der Fall zeigt, wie schwer der Vertrauensverlust ist“, sagte er am Dienstag in Anspielung darauf, dass Italiens Regierung angekündigte Reformen zur Haushaltskonsolidierung zunächst wieder zurücknehmen wollte. „Die Denkschule hat recht, dass Italien nicht genügend tut“, sagte Altmaier. Zugleich mahnte der CDU-Politiker, dass auch deutsche Politiker ihre Äußerungen zur Schuldenkrise sorgsam abwägen müssten. „Der Fall Italien zeigt, dass wir eben nicht nur über Griechenland reden“, sagte er und warnte vor einer Ansteckungsgefahren in der Euro-Zone im Falle einer Staats-Insolvenz. „Wenn man auf nationaler Ebene über Dinge redet, hat dies internationale Auswirkungen.“ Um Ansteckungsgefahren zu verhindern, müsse die Zustimmung aller 17 Euro-Staaten zum Euro-Rettungsschirm EFSF möglichst schnell fallen, damit die für die Stabilisierung der Euro-Zone nötigen Instrumente zur Verfügung stünden. Der Bundestag soll am 29. September über den EFSF abstimmen. Sowohl Hasselfeldt als auch Altmaier erwarten dabei eine klare Mehrheit der schwarz-gelben Regierungsfraktionen. Aber auch SPD und Grüne wollen zustimmen.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat gelassen auf die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Italiens reagiert. „Alarmiert mich nicht“, sagte der ehemalige Wirtschaftsminister am Dienstag vor einer Fraktionssitzung in Berlin. Italien habe eine starke Wirtschaft. Die Regierung in Rom müsse nun die richtigen Antworten liefern und ihre Sparbeschlüsse konsequent umsetzen. Brüderle forderte erneut den Aufbau europäischer Ratingagenturen, um die Abhängigkeit von den drei großen US-Anbietern zu verringern.

Nach dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen kann die Regierung ohne das Parlament fast nichts mehr entscheiden. Grundsatzbeschlüsse, wie die Gewährung von Hilfen an einen weiteren Euro-Staat, soll das Bundestags-Plenum fällen. Liegt kein positives Votum vor, muss der deutsche Vertreter beim EFSF mit Nein stimmen, eine Enthaltung wird verboten. Bei Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit werden die Rechte des Bundestages von einem neuen Untergremium des Haushalts-Ausschusses wahrgenommen. Ihm soll mindestens ein Mitglied jeder Fraktion angehören, also auch der Oppositionsfraktionen. Bei vorsorglichen Kreditlinien, Krediten zur Rekapitalisierung von Banken und dem Ankauf von Staatsanleihen an den Börsen wird immer von Eilbedürftigkeit und Vertraulichkeit ausgegangen. In allen anderen Fällen kann die Regierung um vertrauliche Behandlung bitten, das neue Gremium kann das jedoch ablehnen. Regierungschef Berlusconi kritisierte die Ratingagentur heftig. „Die Einschätzung von Standard & Poor’s scheint mehr von Medienberichten als von der Realität diktiert worden zu sein“, sagte er. „Sie scheint auch von politischen Erwägungen negativ beeinflusst.“ Die Regierung habe bereits Maßnahmen zur Haushaltssanierung eingeleitet. Schritte zur Förderung des Wirtschaftswachstums seien in Vorbereitung.

S&P steht mit Einschätzung nicht alleine

Allerdings steht S&P mit ihrer Einschätzung nicht alleine da: Die EU-Kommission senkte erst vergangene Woche ihre Wachstumsprognose für die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone. Sie rechnet für dieses Jahr nur noch mit einem Plus von 0,7 Prozent nach zuvor 1,0 Prozent. Zum Vergleich: Die gesamte Währungsunion dürfte mit 1,6 Prozent mehr als doppelt so schnell wachsen. Die lahme Konjunktur macht es schwerer, den enormen Schuldenberg abzubauen: Die Staatsschulden machen rund 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus. EU-Kommissar Günter Oettinger macht Berlusconi mitverantwortlich für die Schwierigkeiten. „Italien wird miserabel regiert“, sagte er kürzlich in Berlin.

+++ Berlusconi gewinnt Vertrauen - Sparpaket beschlossen +++

Die Herabstufung durch S&P kam überraschend. An den Finanzmärkten war damit gerechnet worden, dass zuerst die Ratingagentur Moody’s ihre Note für das Land senken würde. Die Moody’s-Analysten hatten vergangene Woche mitgeteilt, sie bräuchten für ihre Entscheidung noch einen weiteren Monat Zeit. Die Agentur wollte sich am Dienstag zu Italien nicht äußern. Der Euro-Kurs fiel zeitweise unter die Marke von 1,36 Dollar, erholt sich dann aber wieder. Auch der deutsche Aktienindex DAX. machte anfängliche Verluste wieder wett. An den asiatischen Märkten reagierten die Investoren verschreckt. „Immer noch mehr von denselben schlechten Nachrichten“, sagte Nomura-Volkswirt Stephen Roberts in Sydney. Dadurch steige die Ansteckungsgefahr in der Krise. Dies treibe die Anleger in sichere Anlagen.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht Griechenland. Der Euro-Schuldensünder braucht dringend neue Finanzspritzen der Geldgeber EU, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF). Sollte diese sogenannte Troika der Regierung in Athen nicht die erforderlichen Reformfortschritte bescheinigen, ist die nächste milliardenschwere Hilfstranche in Gefahr – und dem Land droht die Staatspleite. Die Gespräche mit den Troika-Experten sollen an diesem Dienstagabend fortgesetzt werden. Ein Vertreter des griechischen Finanzministeriums äußerte sich zuversichtlich, dass es dann zu einem Durchbruch kommt. Die Regierung werde voraussichtlich am Mittwoch zu einer Kabinettssitzung zusammenkommen und danach eine Erklärung abgeben.

(abendblatt.de/Reuters/dpa)