Athen rutscht immer tiefer in die Rezession. Minister Schäuble prüft Folgen eines Bankrotts, Rösler will “Denkverbote“ nicht mehr ausschließen.

Thessaloniki/Hamburg. Während sich die griechische Schulden-Tragödie immer stärker zuspitzt, rechnen Teile der deutschen Bundesregierung mittlerweile mit einem Staatsbankrot der Griechen. In diesem Jahr soll nach neuesten Prognosen, der Einbruch der griechischen Wirtschaft stärker ausfallen als bislang erwartet. Zwar kündigt Ministerpräsident Giorgos Papandreou einen „Titanenkampf“ gegen den drohenden Bankrott an, doch die Hoffnung schwindet immer stärker. Er sei entschlossen, alles zu tun, damit Griechenland Euroland bleibe, sagte Papandreou in Thessaloniki. Dafür müssten seine Landsleute weitere Opfer bringen.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) schließt eine geordnete Insolvenz Griechenlands zur Rettung des angeschlagenen Euros nicht mehr aus. „Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben“, schreibt Rösler in einem Gastbeitrag für die „Welt“. „Dazu zählt notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen.“ In Ländern wie Griechenland gebe es bis heute nur unzureichende Konsolidierungsbemühungen. Das unterspüle das Vertrauen der Menschen und Märkte in die gemeinsame Währung.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sieht die Entscheidung über eine mögliche Insolvenz allein bei Griechenland. Wenn die Troika von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) oder Internationalem Währungsfonds (IWF) feststelle, dass es keine Fortschritte Griechenlands bei den Reformen gebe, werde es keine weitere Tranche aus dem EU-Hilfspaket geben, sagte Brüderle am Montag in Berlin. Die Griechen müssten dann selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen wollten. „Die Frage, ob sie mit einen Schnitt das beantworten oder ob sie einen anderen Weg gehen, ist die Entscheidung des souveränen griechischen Staates“, sagte der ehemalige Wirtschaftsminister. Für Deutschland sei aber klar: „Wenn die Zusagen erneut nicht eingehalten sind – irgendwo ist dann auch ein Endpunkt erreicht.“

Die Lage in Griechenland spitzt sich weiter zu. Die Regierung in Athen erwartet einen noch stärkeren Wirtschaftseinbruch als bislang angenommen.
Die Lage in Griechenland spitzt sich weiter zu. Die Regierung in Athen erwartet einen noch stärkeren Wirtschaftseinbruch als bislang angenommen. "Die Prognose war im Mai minus 3,8 Prozent. Jetzt übertreffen wir die (minus) fünf Prozent", sagte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos am Samstag. Damit würden auch die Prognosen der EU übertroffen. Wirtschaftswachstum Griechnlands seit 200, Querformat 90 x 70 mm, Grafik: A. Brühl © dpa-infografik/DPA | dpa-infografik

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Samstag in Marseille am Rande des G8-Finanzministertreffens, gegenwärtig seien die Voraussetzungen nicht erfüllt für eine Auszahlung der im September fälligen nächsten Kredittranche aus dem ersten Hilfspaket der Europäer und des IWF. Dies sei zwar eine schwierige Lage für Griechenland, sagte Schäuble, betonte aber zugleich. „Es ist nicht so, dass eine unmittelbare Zuspitzung bevorsteht.“ Athen habe sich erst vergangene Woche an den Märkten Mittel mit begrenzter Laufzeit besorgt. Schäuble wappnet sich nach Medienberichten bereits für den Fall einer griechischen Pleite. Nach einem „Spiegel“-Bericht spielen Schäubles Beamten sämtliche Szenarien durch, die sich im Falle eines Zahlungsausfalls des Landes ergeben könnten.

Die Regierung in Athen plant derweil nach Angaben vom Sonntag eine neue Immobiliensteuer, um mehr Geld einzunehmen. Daraus sollen bis zum Jahresende zusätzlich rund zwei Milliarden Euro in die Staatskassen fließen. Einen Tag zuvor hatte die Regierung mitgeteilt, dass das Land nach ihren Berechnungen immer tiefer in die Rezession rutscht. „Die Prognose war im Mai minus 3,8 Prozent. Jetzt übertreffen wir die (minus) fünf Prozent“, sagte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos am Samstag in Thessaloniki zu den Wachstumserwartungen für 2011.

Hintergrund der neuen Vorhersagen seien die Sparpolitik der Regierung, aber auch psychologische Gründe, erläuterte Venizelos. Viele Menschen zögen ihr Geld von den Banken ab und investierten es nicht. Investitionen seien aber dringend notwendig. „Wir brauchen jetzt einen Sprung nach vorne. Es ist ein nationales Ziel.“ Am Rande einer Messeeröffnung in Thessaloniki kam es am Samstag bei Protesten gegen den harten Sparkurs der Regierung zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei.

Um die Fortschritte beim Sparkurs zu überprüfen, werden Kontrolleure der „Troika“ aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) am 14. September wieder in Athen erwartet. Sie hatten die Stadt Anfang September vorübergehend verlassen – Griechenland müsse den Haushaltsplan für 2012 überarbeiten und Strukturreformen angehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte die griechische Regierung, in ihren Reformbemühungen nicht nachzulassen: „Griechenland weiß, dass die Auszahlung der Kredite davon abhängt, dass es seine Auflagen erfüllt“, sagte Merkel dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“. Um die Lage in Griechenland dürfte es auch bei einem Treffen Merkels mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso an diesem Montag in Berlin gehen.

Unterdessen bekommt in der schwarzen-gelben Koalition der Streit um den deutschen Kurs bei der Euro-Rettung zusätzlichen Zündstoff. Zur Abwehr weiterer milliardenschwerer Hilfszusagen wollen Kritiker aus der FDP nun mit einem Mitgliederentscheid die Basis mobilisieren und auch in der CSU wächst der Unmut über schleppende Reformbemühungen im hoch verschuldeten Griechenland. Die Fraktionsführungen von Union und Liberalen bemühen sich weiter um eine eigene Mehrheit des Regierungslagers bei der am 29. September geplanten Bundestags-Abstimmung über eine Erweiterung des jetzigen Rettungsschirms EFSF.

(abendblatt.de/Reuters/dpa)