Die Überlegungen von Wirtschaftsministers Rösler, eine Griechenland-Pleite sei nicht ausgeschlossen, ziehen die Börsenwerte herunter.
Thessaloniki/Hamburg. Die öffentlichen Gedankenspiele von Vizekanzler Philipp Rösler über einen Staatsbankrott Griechenlands zerren an den Nerven der Investoren. Der Dax fiel am Montag erstmals seit gut zwei Jahren unter 5000 Punkte, der Euro gab eineinhalb Cent auf 1,35 Dollar nach. CSU-Chef Horst Seehofer gab dem FDP-Chef Rückendeckung, der eine geordnete Staatsinsolvenz ins Gespräch gebracht hatte, wenn die Instrumente dafür vorhanden seien. Regierungssprecher beteuerten aber, es bleibe das Ziel, die Währungsunion mit allen Mitgliedsstaaten zu stabilisieren. Aus der CDU kam Kritik, Rösler rede die Pleite herbei. Hinter den Kulissen wachsen aber auch dort Zweifel an einem Erfolg.
„Ich bin froh, dass jetzt in den letzten Tagen diese Gedanken auch ausgesprochen wurden“, sagte Seehofer. Rösler hatte in einem am Wochenende verbreiteten Gastbeitrag für „Die Welt“ vor Denkverboten bei der Euro-Stabilisierung gewarnt. Die unzureichenden Konsolidierungsbemühungen der Regierung in Athen unterspülten das Vertrauen von Menschen und Märkten in den Euro. Seine Besorgnis drückte er auch in einem Brief an den Wirtschafts- und an den Finanzminister Griechenlands aus.
Seehofer sagte, vor einer geordneten Insolvenz solle jedoch weiter versucht werden, das Land mit den bisherigen Hilfen über Wasser zu halten. Er mahnte zugleich aber, sich auch auf einen finanziellen Kollaps vorzubereiten. Wenn die Griechen es nicht schafften, müsse man sich mit dem Gedanken auseinandersetzen: „Was geschieht dann?“ Die CSU verschärfte in der Debatte selbst ihren Ton. Die Parteiführung will beim nächsten Parteitag einen Antrag zur Abstimmung stellen, in dem Schuldensündern notfalls auch mit einem Ausschluss aus der Euro-Zone gedroht wird.
Flankenschutz für "Titanenkampf"
In der FDP hieß es, Röslers Gastbeitrag sei Teil einer Strategie, in der Euro-Frage die Haltung der Liberalen klarer zu machen. Es gehe um rote Linien, die in der Koalition nicht überschritten werden dürften. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, die Parteiführung habe den Gastbeitrag einmütig begrüßt. Es dürfe nicht der Eindruck bei Griechenland erweckt werden, es gebe sowieso „ein Raushauen“. Dadurch würden die Reformkräfte nicht unterstützt. Insofern liefere Rösler der griechischen Regierung Flankenschutz für ihren „Titanenkampf“.
Der FDP-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer ging allerdings auf Distanz: „Die Gefahr, dass es Dominoeffekte gibt, ist einfach zu groß. Behutsamkeit auch in der Wortwahl ist hier angesagt.“ Da es kein bewährtes Instrument für eine geordnete Insolvenz eines Euro-Staats gebe, dürfe man mit dem Thema nicht herumspielen. Rösler hatte in dem Gastbeitrag betont, eine Staatsinsolvenz könne nur der letzte Schritt sein: „Aber er muss schon im Vorfeld glaubhaft festgelegt sein.“
Reaktion der Finanzmärkte
In der ohnehin angespannten Lage an den Börsen wirkte der Beitrag Röslers wie ein Brandbeschleuniger. „Die Anleger sind einfach tief verunsichert, das Vertrauen ist völlig hin“, sagte Ben Potter, Stratege bei IG Markets. Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, sagte Reuters-TV: „Man weiß ganz genau, Griechenland ist nicht mehr in der Euro-Zone zu halten.“ Auch die Kosten für Kreditausfallversicherungen (CDS) anderer Euro-Südländer notierten auf neuen Rekordhochs.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, sagte, er sei sehr besorgt über Äußerungen „politisch direkt Verantwortlicher“ zu einer möglichen Pleite Griechenlands. Mit Spekulationen würden „Konsequenzen ausgelöst, die man eigentlich verhindern möchte“. In der Frage gebe es auch eine staatspolitische Verantwortung, betonte er. In Kreisen der FDP- und der Unionsfraktion hieß es aber zugleich hinter vorgehaltener Hand, es sei unsicher, ob sich eine Staatsinsolvenz verhindern lasse. „Momentan sieht es sehr schlecht aus“, sagte ein hochrangiger CDU-Parlamentarier. In der FDP hieß es, eine Pleite könnte noch dieses Jahr kommen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Regierung gehe weiter davon aus, dass Griechenland alles unternehme, um die Sparauflagen seiner Geldgeber zu erfüllen. Weitere Hilfen könnten aber nur fließen, wenn die Auflagen eingehalten würden. Zurzeit verhandelt die Regierung in Athen über die Auszahlung weiterer acht Milliarden Euro aus dem ersten Hilfspaket von 110 Milliarden Euro. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Hilfe kann nur für diejenigen fortgesetzt werden, die alle Anstrengungen unternehmen um ihr Haus in Ordnung zu bringen.“