In Zukunft soll sich das Institut mit deutlich weniger Beschäftigten um den Mittelstand im Norden kümmern, verkündete Paul Lerbinger.
Hamburg. Der Kontrast zwischen der jüngsten Halbjahrespressekonferenz der HSH Nordbank und der entsprechenden Präsentation des vorigen Jahres könnte kaum größer sein. An diesem Freitag erläuterte erstmals der neue Bankchef Paul Lerbinger den Geschäftsverlauf. Draußen ist es drückend heiß, die Sonne brennt vom Himmel. Engagiert, mit ausgeprägter Mimik, präsentiert der hagere, feingliedrige Bayer seinen Bericht. Darunter ist endlich eine positive Botschaft zur Lage der Landesbank, die nach dramatischen Verlusten in der Finanzkrise mit staatlichen Milliardenhilfen vor dem Aus bewahrt werden musste: "Die Zahlen belegen, dass die eigentliche Sanierungsphase abgeschlossen ist."
Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, im gleichen Raum im achten Stock des Hamburger HSH-Gebäudes, saß an Lerbingers Stelle noch sein Vorgänger Dirk Jens Nonnenmacher - und Dauerregen klatschte an die großen Fenster. Nonnenmacher will über den verringerten Verlust reden, doch dies wird zum Randthema. Blass und abgespannt, dabei zurückgenommen wie immer, muss der hünenhafte Vorstandsvorsitzende sich und die Bank angesichts diverser Skandale gegen angeblich "perfide" Vorwürfe und "schwer erträgliche" Gerüchte verteidigen.
Damit haben die beiden Pressekonferenzen eben doch zumindest eine Gemeinsamkeit: Auch Lerbinger muss sich mit einem Thema auseinandersetzen, das die aktuellen Geschäftszahlen überschattet - und das deutlich macht, dass die HSH noch längst keine normale Bank ist. Doch diesmal geht es nicht um tatsächliche oder angebliche Fehlleistungen. Es sind die Auflagen der EU-Kommission im Zuge des Beihilfeverfahrens sowie ihre drastischen Konsequenzen für die HSH und ihre Beschäftigten, über die Lerbinger am Freitag sprechen musste.
Dabei sind die Zahlen durchaus ermutigend. So erreichte man einen Gewinn vor Restrukturierungskosten von 697 Millionen Euro, während im Vorjahreszeitraum noch ein Verlust von 110 Millionen Euro verbucht werden musste. Unter dem Strich stand ein Überschuss von 338 Millionen Euro im Vergleich zu einem Fehlbetrag von 380 Millionen Euro. "Aus unserer Sicht ist das ein eindrucksvoller Turnaround", sag-te HSH-Vorstandsmitglied Constantin von Oesterreich.
Wie geplant ist die Bank weiter geschrumpft. Die Bilanzsumme sank um 25 Prozent auf 132 Milliarden Euro, während der Gesamtertrag weniger kräftig zurückging (minus 19 Prozent auf 795 Millionen Euro) - was der Vorstand als positives Signal wertete.
Doch nach den Vorgaben der EU muss sich die Bank noch weiter verkleinern. Bis 2014 soll die Bilanzsumme auf 120 Milliarden gedrückt werden, wobei aber nur noch 82 Milliarden Euro auf die sogenannte Kernbank entfallen sollen und der Rest auf die Abbaubank, in die Vermögensgegenstände und Geschäfte ausgelagert werden, von denen man sich trennen will. Als Konsequenz des erzwungenen Schrumpfkurses ist Lerbinger gezwungen, die Kosten wesentlich drastischer zu reduzieren als ohnehin vorgesehen. Der Verwaltungsaufwand soll bis 2014 um mehr als ein Drittel auf 620 Millionen Euro jährlich sinken, es müssen noch 900 Mitarbeiter mehr gehen als geplant.
Allerdings bemühte sich Lerbinger, auch die Chancen der neuen Ausrichtung darzustellen. Man werde mit einer "mittelständischen Struktur" flexibler: "Wir wollen das wendige Schnellboot werden, das die schwerfälligen Tanker ausmanövriert." Die HSH werde sich noch stärker auf den Mittelstand im Norden konzentrieren. Auch einen Seitenhieb auf Konkurrenten erlaubte sich Lerbinger. Sie würden Kunden in Norddeutschland "aus Mailand oder Frankfurt heraus bedienen und häufig mit Standardlösungen abspeisen wollen".
Aufgrund der Abbauvorgaben werde es aber - anders als von Nonnenmacher vor zwölf Monaten in Aussicht gestellt - in diesem Jahr keinen Gewinn geben. Zur erwarteten Höhe des Fehlbetrags äußerte sich der Vorstand nicht.
Trotzdem sollen die staatlichen Garantien schrittweise weiter zurückgeführt werden. Im Jahr 2015 wolle man die letzte Milliarde zurückzahlen, hieß es. Eine Dividende jedoch wird es mindestens bis 2014 nicht geben. Dennoch begrüßte Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) die einstimmige Entscheidung des HSH-Aufsichtsrates zur Umsetzung der EU-Vorgaben: "Die Bank hat damit ein klares Ziel bei der Neuausrichtung ihrer Geschäfte und Begrenzung der Risiken." Dagegen erwägt man nach Angaben der Landesbank im Lager der Minderheitsaktionäre - der US-Finanzinvestor Flowers und der schleswig-holsteinische Sparkassenverband - eine Klage gegen die EU-Vorgaben, zumal die Position dieser beiden Aktionäre weiter geschwächt wird: Die HSH muss auf Anweisung der EU zusätzliche 500 Millionen Euro an Hamburg und Kiel für die geleisteten Beihilfen zahlen, die die beiden Länder aber über eine Kapitalerhöhung im nächsten Jahr wieder in die Bank einbringen werden.
Eine Zwangsprivatisierung aber ist nun vom Tisch. "Damit bleiben wir Herr im eigenen Haus", so Lerbinger. "Für uns ist das eine gute Nachricht."