Die Deutsche Bahn will in ihren Reisezentren 700 Arbeitsplätze streichen. Doch ohne menschliche Helfer sind viele Reisende ratlos.
Hamburg. Lucilia Fortunato, 70, und ihrer Tochter Carina, 39, reißt langsam der Geduldsfaden. Etwa 20 Minuten mühen sich die beiden Damen im Reisezentrum am Hamburger Hauptbahnhof nun schon, ein Ticket nach Oldenburg zu buchen. Zwar gelingt es ihnen, am berührungsempfindlichen Bildschirm des Fahrkartenautomaten den Zielort einzugeben, auch die Reisezeit am kommenden Mittwoch nimmt die Maschine ohne Klagen entgegen. Doch bei dem Versuch, einen Sitzplatz für die gehbehinderte Lucilia zu reservieren, wirft der Automat eine Fehlermeldung nach der anderen aus.
"Ich habe extra meine Tochter zum Bahnhof mitgenommen, weil ich mich mit den neumodischen Geräten nicht so gut auskenne", sagt die 70-Jährige und stützt sich ein wenig müde auf ihren Gehstock. "Zu Hause arbeite ich zwar am Computer, doch hier fühle ich mich unsicher." Noch einmal versuchen Mutter und Tochter gemeinsam, das Ticket zu buchen, doch der Automat will die Reservierung nicht akzeptieren.
Solch frustrierende Situationen dürften Reisende in den kommenden Jahren immer häufiger erleben. Denn statt auf menschliches Personal setzt die Deutsche Bahn in Zukunft immer mehr auf Technik beim Fahrkartenkauf. Wie berichtet will der Konzern bis 2016 rund 700 Arbeitsplätze in den eigenen Reisecentern streichen. Der Grund: Die meisten Bahnfahrer buchen ihre Tickets bereits heute im Internet. Ende 2010 sei in den Reisecentern nur noch 22 Prozent des Gesamtumsatzes erzielt worden, heißt es bei der Bahn. 2005 seien es noch 46 Prozent gewesen.
Trotz dieser Entwicklung ist es aber vor allem älteren Bahnreisenden ein Graus, beim Fahrkartenkauf ausschließlich auf das Internet oder den Automaten angewiesen zu sein. Auch Günter Lehment, 70, steht ein wenig unschlüssig vor dem Gerät, bevor er sich Hilfe suchend an einen Servicemitarbeiter im Reisecenter wendet. Der freundliche Herr im knallroten Polohemd ist von der Bahn extra angestellt, um den Touristen den Umgang mit dem Automaten zu erklären. Ein paar routinierte Klicks auf dem Bildschirm, und schon hat er für Lehment ein Schleswig-Holstein-Ticket nach Westerland auf Sylt für 26 Euro gebucht. "Allein hätte ich das sicher nicht so schnell geschafft", sagt Lehment. "Ich fände es nicht gut, wenn die Bahn hier weniger Personal beschäftigen würde." Auch jüngere Reisenden tun sich im Umgang mit den Automaten mitunter schwer. So müht sich Natascha Gellert, 27, schon seit zehn Minuten damit ab, ein Ticket nach Bremen zu buchen. Die junge Frau im grauen Business-Outfit hat dort ein wichtiges Vorstellungsgespräch, sie ist ein wenig gestresst. "Ich verstehe nicht, warum mir dieses Ding immer nur Verbindungen im Nah- und Regionalverkehr anzeigt", sagt Gellert entnervt. Sie startet einen weiteren Versuch, tippt auf der Bildschirmtastatur noch einmal das Ziel Bremen ein. Diesmal erscheinen alle Verbindungen, auch ein IC um 12:46 Uhr für 21,70 Euro. "Was ich jetzt anders gemacht habe weiß ich auch nicht so genau", sagt die junge Frau.
Ganz ohne Probleme kommen hingegen Julia und James Slatter an den Automaten zurecht. "Ich habe ein Ticket zum Frankfurter Flughafen für uns beide gebucht, das hat keine fünf Minuten gedauert", sagt die 31-jährige Julia. James, der aus Australien stammt, ist allerdings ganz froh, dass er die Bestellung an der Maschine nicht selbst übernehmen muss. "Das überlasse ich lieber ihr", sagt er auf Englisch.
Die Deutsche Bahn verweist darauf, dass die Benutzerführung der Fahrkartenautomaten erst kürzlich überarbeitet worden sei. Die meist genutzten Einstellungen beim Ticketkauf, wie zum Beispiel Personenanzahl oder Klasse, seien an den Geräten nun bereits voreingestellt. Auch die virtuellen Knöpfe und Schriften wurden vergrößert, um die Bedienung zu erleichtern. "Seitdem hat sich die Akzeptanz der Automaten deutlich erhöht", sagt der Hamburger Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis.
Lucilia Fortunato und ihre Tochter Carina haben ihren Kampf mit der Maschine dennoch verloren. Nach drei vergeblichen Versuchen am Automaten haben sie im Reisezentrum eine Nummer gezogen und warten nun geduldig darauf, dass sich ein Mitarbeiter am Schalter mit ihrem Reservierungsproblem auseinandersetzt. "Zum Glück gibt es hier ja noch Menschen, die uns weiterhelfen können", sagt die ältere Dame.