Harter Schlag für die USA. Die Ratingagentur S&P stuft die Bonität der Weltmacht herab. Die USA liefen Gefahr, ihre Schulden nicht in den Griff zu kriegen.
Washington/Peking. Nun hat es auch die USA erwischt: Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) straft die USA angesichts des riesigen amerikanischen Schuldenbergs ab. Nur drei Tage nach der Einigung im monatelangen innenpolitischen Gezerre um die Erhöhung der US-Schuldengrenze stufte S&P die US-Bonität von der Bestnote „AAA“ auf „AA+“ herunter. Zugleich warnte die Agentur, der langfristige Ausblick sei negativ. Falls die USA ihre Schulden nicht in den Griff bekommen sollten, „könnten wir das langfristige Rating innerhalb der nächsten zwei Jahre auf „AA“ herabstufen“. Die beiden anderen großen US-Ratingagenturen halten allerdings an der Bestnote fest.
Mit ungewöhnlich scharfer Kritik reagierte China. „Amerika muss für seine Schuldensucht und das kurzsichtige politische Gezerre bezahlen“, kommentierte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Samstag. Als größter Gläubiger Amerikas habe China jedes Recht zu verlangen, „dass die USA ihre strukturellen Schuldenprobleme in den Griff bekommen und die Sicherheit chinesischer Dollar-Anlagen sicherstellen“.
Peking stellte zudem erneut die bislang führende Rolle des Dollars infrage. Es müsse über Alternativen zum Dollar als Reservewährung nachgedacht werden. Die amtliche Agentur agiert häufig als Sprachrohr der Regierung.
Als Konsequenz aus der Herabstufung fürchten Experten weitere Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Bereits in den vergangen Tagen hatte es in den USA sowie in Europa erhebliche Kursverluste an den Aktienmärkten gegeben – zumal weiterhin die europäische Schuldenkrise gärt.
Weitere Konsequenz eines schlechteren Ratings können höhere Zinsen für die Aufnahme frischen Geldes sein: Die USA müssten dann neben der Tilgung ihrer riesigen Schulden zusätzlich eine wachsende Zinslast schultern.
Nach der Herabstufung der USA gibt es nur noch 17 Staaten, die von S&P die Bestnote „AAA“ erhalten, darunter auch Steueroasen und Zwergenstaaten. Von den führenden Industrienationen (G7) gibt die Agentur jetzt nur noch Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada von S&P die höchste Bewertung.
Die US-Zentralbank versuchte die Finanzmärkte zu beruhigen. An der Sicherheit staatlicher Anleihen werde sich nichts ändern, teilte die Fed mit.
Nach dem Schritt von Standard & Poor's hatte die chinesische Ratingagentur ihrerseits die US-Bonität von „A+“ auf „A“ zurückgestuft. Weitere Schritte würden folgen, falls die USA ihre „riesigen Militärausgaben und aufgeblähten Sozialausgaben“ nicht eindämmten, schrieb der Kommentator weiter.
Die Bundesregierung wollte sich am Wochenende nicht äußern. „Einfach mal die Klappe halten“ sei das Motto der Stunde, hieß es in Regierungskreisen. Frankreichs Wirtschaftsminister François Baroin sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Frankreich hat ein uneingeschränktes Vertrauen in die Stabilität der amerikanischen Wirtschaft.“ Der Minister lobte die US-Regierung für ihr „entschlossenes Vorgehen“, um die Schulden in den Griff zu bekommen.
Neben dem gigantischen Staatsdefizit ist die US-Ökonomie von weiteren Schuldenproblemen geprägt: Die Verbraucher – sie tragen die Wirtschaftsleistung der größten Volkswirtschaft zu 70 Prozent - konsumieren seit Jahren auf Pump. Und die Wirtschaft insgesamt verbraucht deutlich mehr als sie selbst produziert. Ergebnis: Ein riesiges Handels- und Leistungsbilanzdefizit – vor allem gegenüber China, das seinerseits auf massenhafte Exporte nach Amerika angewiesen ist, um die boomende Wirtschaft in Schwung zu halten.
US-Medien berichteten, die US-Regierung habe sich bis zuletzt vehement gegen die Herabstufung zur Wehr gesetzt. Dabei habe die Regierung der Agentur auch Rechenfehler vorgehalten, hieß es. Angeblich habe sich die Agentur in ihren langfristigen Schuldenprojektionen um zwei Billionen Dollar verkalkuliert.
S&P begründete ihren Schritt damit, dass die nach wochenlangen Ringen am Dienstag vom Kongress beschlossene Einsparungen nicht ausreichten, um eine langfristige Schuldenkonsolidierung zu erreichen. Auch die „Berechenbarkeit der amerikanischen Politikprozesses“ (policymaking) müsse infrage gestellt werden, heißt mit Blick auf das langwierige Gezerre zwischen Regierungslager und Opposition.
Der nach wochenlangem Tauziehen zwischen Demokraten und Republikanern erreichte Schuldendeal sieht eine Erhöhung des Schuldenlimits von derzeit 14,3 Billionen Dollar (rund 10 Billionen Euro) vor. Dies solle mit Sparmaßnahmen in Höhe von 2,5 Billionen Dollar (1,7 Billionen Euro) einhergehen. S&P hatte aber bereits zuvor gewarnt, es seien Einsparungen in Höhe von vier Billionen notwendig.
Dagegen hatten die beiden US-Ratingagenturen Moody's und Fitch die US-Kreditwürdigkeit nach dem Schuldendeal weiter die Bestnote „AAA“ gegeben. Allerdings warnte Moody's, der weitere Ausblick sei negativ. Es bestehe das Risiko einer Herabstufung, falls die Haushaltsdisziplin in den USA im nächsten Jahr nachlassen sollte. Auch Fitch will die Schuldenentwicklung in den USA weiter scharf im Auge behalten.
Rating-Agenturen bewerten Schuldner
Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Firmen und Staaten, aber auch die Qualität von Fonds und anderen Wertpapieren. Ihre Einstufung entscheidet darüber, zu welchen Konditionen sich Konzerne, Banken oder Länder auf den Kapitalmärkten Geld leihen können. Den Bewertungsagenturen kommt damit eine enorme Macht zu. Je besser die Einstufung, also die erwartete Rückzahlungsfähigkeit, desto niedriger die Zinsen.
Umgekehrt führt eine Herabstufung dazu, dass der potenzielle Schuldner Geld nur zu höheren Zinsen aufnehmen kann. Dies traf in der jüngsten Vergangenheit auf Griechenland, Irland und Portugal zu. Üblich ist eine Herauf- oder Herabstufung um eine Stufe. Eine Herabstufung um fünf Stufen wie im Dezember 2010 bei Irland durch Moody's ist extrem selten.
Auf dem Weltmarkt sind drei Agenturen mit weitem Abstand bestimmend: die US-Unternehmen Standard & Poor's (S&P), Moody's sowie die amerikanisch-britische Agentur Fitch Ratings. Firmen, die in den USA auf dem Kapitalmarkt agieren wollen, müssen sich von mindestens zwei dieser drei von der Börsenaufsicht SEC allein zugelassenen Agenturen bewerten lassen.
Die Abstufung lässt sich mit Schulnoten vergleichen. Eine Eins plus entspricht dem besten S&P-Rating AAA. Der Kreditgeber nimmt ein Ausfallrisiko von 0,02 Prozent im wörtlichen Sinne „in Kauf“. Je niedriger das Ausfallrisiko, umso geringer muss der Kredit mit Eigenkapital der Bank hinterlegt sein. Umso mehr Verhandlungsspielraum hat auch der Kunde.
Beim AAA-Rating eines Unternehmens beträgt die Eigenkapitalquote 1,6 Prozent. Note Zwei gibt es bei AA+ (besser als AA) bis AA- (schlechter als AA), und so weiter bis hinab zu D, was einer „Acht“ bei Schulnoten entspräche. Bei D wird mit 20 Prozent Ausfallrisiko oder einem Totalausfall kalkuliert, der Kredit – wenn er überhaupt noch gewährt wird – muss mit zwölf Prozent Eigenkapital der Bank unterlegt sein.
Die Bewertungsagenturen sind auf Gewinn ausgerichtete Privatfirmen. Kritik gibt es nicht nur daran, dass die Unternehmen, die von den Agenturen bewertet werden, diese auch bezahlen. Seit längerem gibt es Gedankenspiele in der EU, eine eigene Bewertungsagentur zu gründen. Sie sind aber bislang nicht Wirklichkeit geworden.
In der Finanzmarktkrise wurde den Ratingagenturen vorgeworfen, Asset Backed Securities (ABS, forderungsbesicherte Wertpapiere) mit Höchstnoten bewertet zu haben, die später durch den Einbruch des US-Hypothekenmarktes massiv verloren. Banken konnten aber zuvor mit den Höchstnoten bewertete ABS an andere verkaufen, um Geld für neue Geschäfte zu erhalten.
(dapd/dpa/abendblatt.de)