Kurserholung durch die US-Arbeitsmarktdaten war nur ein Strohfeuer: Der DAX hat den achten Handelstag in Folge tief im roten Bereich beendet.
Frankfurt/Main. Die Kurserholung war nur ein Strohfeuer: Der DAX hat den achten Handelstag in Folge tief im roten Bereich beendet. Nachdem gute US-Arbeitsmarktdaten am Freitag den deutschen Leitindex kurz in die Gewinnzone katapultiert hatten, brachen kurz darauf erneut alle Dämme: Das Börsenbarometer stürzte nach einer Berg- und Talfahrt – dem Kurseinbruch zum Auftakt folgte eine kurze Erholungsphase, bevor es dann wieder tief in Keller ging – um 2,8 Prozent auf 6.236 Zähler ab. Damit hat der Index seit Anfang der Woche gut 1.000 Punkte verloren.
Der MDAX verlor 1,0 Prozent auf 9.135 Punkte, der TecDAX 0,9 Prozent auf 718.
Für die zeitweise leichte Erholung sorgten Händlern zufolge Schnäppchenjäger, eine Entspannung an den europäischen Kreditmärkten sowie die von Währungskommissar Olli Rehn genährte vage Hoffnung auf die Einführung von Eurobonds.
Allerdings wurde die Furcht vor einer Rezession in den USA und einer starken Konjunkturabkühlung in Europa, begünstigt durch die Überschuldung vieler Euro-Länder, nicht geringer. Zudem gab es überraschend schwache Zahlen zur Industrieproduktion in Italien, Spanien und auch in Deutschland. Daran konnte auch der US-Arbeitsmarktbericht nichts ändern. Im Juli entstanden in den USA außerhalb der Landwirtschaft 117.000 Jobs. Volkswirte hatten einen Zuwachs von nur 75.000 erwartet.
Diese positiven Nachrichten beflügelten zum Börsenstart an der Wall Street auch den Dow Jones, der nach den Panikverkäufen vom Vortag, als der Index mit dem größten Kurssturz seit November 2008 mehr als 500 Punkte abgegeben hatte, mit einem Kursfeuerwerk startete. Im Handelsverlauf drehte er aber wieder ins Minus und notierte gegen 17.45 MESZ bei 11.265 Punkten mit 1,1 Prozent im roten Bereich. Der Nasdaq Composite verringerte sich um 1,7 Prozent auf 2.511 Zähler.
„Die Schuldenkrise hat die Börsen fest im Griff“, sagte ein New Yorker Händler. Viele Anleger hätten wegen der Geschwindigkeit des Abschwungs Verkäufe verpasst und warteten nur auf Erholungen. Deshalb würden Aufwärtsbewegungen schnell verkümmern. Am Markt kursierte zudem ein Gerücht, die Rating-Agentur Standard & Poor's werde nach Börsenschluss die USA herunterstufen. Die Rating-Agentur wollte auf Anfrage keine Stellung dazu nehmen.
Der Euro erholte sich etwas auf 1,4158 Dollar. Stützend für die Einheitswährung erwiesen sich Gerüchte im Markt, die Europäische Zentralbank (EZB) könnte schon bald mit Käufen italienischer und spanischer Anleihen beginnen. Auch hofften Anleger auf eine baldige Emission von Eurobonds. Die EZB legte den Referenzkurs bei 1,4155 Dollar fest.
Im DAX schlossen mit wenigen Ausnahmen alle Werte tief in der Verlustzone. BASF, Allianz, VW und Daimler gaben mehr als 4,0 Prozent ab. Gegen den Trend stiegen Deutsche Börse um 7,5 Prozent und Commerzbank um 3,6 Prozent. Im MDAX führten Gagfah die Verlierer mit minus 10 Prozent an.
Aktien New York Schluss: Dow etwas erholt
Positive Arbeitsmarktdaten und angekündigte Reformen in Italien haben am Freitag zumindest unter den Standardwerten im Dow Jones für eine moderate Erholung gesorgt. Nach dem massivsten Kursrutsch seit zwei Jahren konnte sich der Leitindex mit 0,54 Prozent auf 11 444,61 Punkte ins Plus retten. Zuvor hatten sich Gewinne und Verluste beim US-Leitindex mehrfach abgewechselt. Im Laufe der Woche hat er aber dennoch fast 6 Prozent an Wert eingebüßt.
Der breiter gefasste S&P 500 dagegen schloss knapp mit 0,06 Prozent im Minus bei 1199,38 Punkten und machte damit seine schwächste Handelswoche seit November 2008 komplett. Noch deutlicher abwärts ging es für die Technologieaktien an der Nasdaq. Der Composite Index verlor 0,94 Prozent auf 2532,41 Punkte und der Auswahlindex Nasdaq 100 sank um 0,58 Prozent auf 2194,38 Punkte.
Am Markt wurde die spürbare Beruhigung mit der Hoffnung auf ein stützendes Eingreifen der Europäischen Union am europäischen Anleihemarkt begründet, nachdem der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi am Abend auf einer Pressekonferenz verstärkte und beschleunigte Maßnahmen gegen die tiefe Schuldenkrise des Landes angekündigt hatte. Eine besser als erwartet ausgefallene US-Beschäftigung untermauerte derweil die zuletzt kursbestimmenden Sorgen um das Wirtschaftswachstum nicht. Zeitweise hatte allerdings die anhaltende Unsicherheit vor einer möglichen Abstufung des Kreditratings der USA den Markt wieder belastet.
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Angesichts der aktuellen dramatischen Verluste an den Börsen in Europa und den USA sieht der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise heraufziehen. „Die Lage ist besorgniserregend. Denn die Panik an den Finanzmärkten kann schnell die Kreditvergabe und die Kreditnachfrage zum Absturz bringen“, sagte Horn „Handelsblatt Online“. Dies würde eine globale Krise zur Folge haben. Wichtig sei jetzt, dass die Politik Vertrauen erzeugt. „In Europa heißt dies, dass der Europäische Rettungsschirm EFSF tätig werden muss, falls Staatsanleihen weiter unter Druck geraten. In den USA sollte die Fed entsprechend intervenieren“, sagte Horn.
Ähnlich äußerte sich der Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater. Für hoch verschuldete Länder wie Italien reiche eine neue Finanzpolitik allein nicht aus. Es seien auch „ganz kurzfristige markttechnische Maßnahmen notwendig, um die Finanzmärkte zu stabilisieren“, sagte Kater „Handelsblatt Online“. „Markteingriffe durch den Rettungsschirm EFSF stehen hier an erster Stelle, um selbstverstärkende Spekulationswellen gleich im Entstehen abzufangen und damit zu verhindern, dass sie sich zu schweren Turbulenzen ausweiten.“
Das schwindende Vertrauen in das Krisenmanagement von Politik und Notenbanken hat am Donnerstag weltweit die Börsen abstürzen lassen. Der Dax war den siebten Tag in Folge im Abwärtstrend und schloss bei 6414 Punkten – 3,4 Prozent schwächer als am Vortag. Im späten Parketthandel ging es weiter abwärts – der L-Dax schloss bei 6381 Punkten. „Jetzt brechen die letzten Dämme“, kommentierten Börsianer den Kursrutsch unter das März-Tief nach der Japan-Katastrophe. Der europäische EuroStoxx 50 sackte um weitere 3,28 Prozent auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. In den USA verlor der Dow Jones bis kurz vor Handelsschluss 2,85 Prozent auf 11 556 Punkte.
„Wir sehen zur Zeit eine kräftige Korrektur“, sagte Marktstratege Christian Stocker von der Unicredit. „Die Frühindikatoren aus den USA haben frühzeitig Warnsignale gesendet. Doch erst mit dem Hochkochen der Schuldenproblematik in den USA ist dies, verbunden mit den Schuldenproblemen in Europa, mit Wucht in den Vordergrund gerückt.“ Stocker kann sich ein weiteres Absacken bis auf 6200 Punkte im Dax in den nächsten Wochen vorstellen, bevor der Boden gefunden ist und es wieder hochgeht. (dpa)