Irland auf “Ramschniveau“, Italien zieht Sparpaket vor, Griechenland erneut herabgetsuft - dies ist die schlechteste Note vor einem Zahlungsausfall.
Hamburg. Die Europäische Union (EU) ist mit Griechenland bei Weitem noch nicht zufrieden. In einem Bericht zu den Sparbemühungen der Mitgliedstaaten heißt es, das irische Programm sei zügig angelaufen, und das portugiesische Reformpaket befinde sich noch in einer frühen Phase. In Griechenland hingegen sei die "Lage komplexer", dort seien noch "substanzielle Fortschritte zur Stärkung des Programms erforderlich", damit das Land zu gesunden Staatsfinanzen zurückkehren könne, wie die EU-Kommission mitteilte.
Auch die Rating-Agentur Fitch sieht die Situation kritisch - und stufte die Kreditwürdigkeit Griechenlands gestern erneut kräftig auf "CCC" herunter. Dies ist die schlechteste Note vor einem Zahlungsausfall. Die Herabstufung resultiere daraus, dass es bislang kein neues, komplett finanziertes und glaubwürdiges Wirtschaftsprogramm von EU und IWF gebe, begründete Fitch ihr Urteil. Schuld sei aber auch der sich verschlechternde wirtschaftliche Ausblick für das Land sowie die Ungewissheit über die Beteiligung privater Gläubiger an einem zweiten Rettungspaket.
Unterdessen kritisierte Brüssel das jüngste Rating-Urteil zu Irland. Die Agentur Moody's hatte die irischen Staatsanleihen - ebenso wie in der Vorwoche die portugiesischen Papiere - auf "Ramschniveau" herabgestuft und dies mit der hohen Wahrscheinlich eines zweiten Rettungspakets für das Land begründet. Der Beschluss sei "unverständlich" und der Zeitpunkt dafür fragwürdig, ließ EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso von seiner Sprecherin erklären. Die Regierung in Dublin habe entschlossen gehandelt, die mit den internationalen Partnern vereinbarten Spar- und Reformmaßnahmen umzusetzen: "Jetzt ist Irland auf dem richtigen Weg." Wie auch Griechenland und Portugal hatte sich die Inselrepublik unter den Rettungsschirm der Euro-Gruppe und des Internationalen Währungsfonds (IWF) gestellt.
Doch von der Gründung einer europäischen Rating-Agentur, wie dies EU-Politiker angeregt hatten, dürfe man sich nicht zu viel versprechen, meint der Finanzexperte Manfred Jäger-Ambrozewicz vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in Köln. "Eine solche Institution würde bei der Beurteilung der Bonität zu keinem wesentlich anderen Ergebnis kommen", sagte er dem Abendblatt. Ein Problem sieht er allerdings in dem Zwitterstatus der Rating-Agenturen: Sie sind private Unternehmen, haben aber eine quasi hoheitliche Funktion. "Man könnte nach Möglichkeiten suchen, weniger starr mit den Urteilen umzugehen."
Vorwürfe der Politiker, die Bonitätswächter blockierten eine Beteiligung der Banken an der Griechenland-Rettung, weil dem Land dann ein Zahlungsausfall attestiert würde, hält der Experte für fehl am Platz. Ohnehin säßen die Agenturen in einer Zwickmühle: "Wenn sie zu frühzeitig warnen, dann wirft man ihnen vor, dass sie Panik schüren. Wenn sie zu lange warten, dann wirft man ihnen vor, sie würden die schlechte Lage verschärfen."
Nach der Herabstufung erhöhte sich die Rendite zehnjähriger irischer Staatsanleihen gestern drastisch von 13,7 auf 14,1 Prozent. Im Hinblick auf Italien, das ebenfalls von den Investoren ins Visier genommen worden war, beruhigte sich die Situation dagegen: Die Verzinsung der Anleihen nahm auf 5,5 Prozent ab, nachdem sie tags zuvor über sechs Prozent lag. Auch die Rendite spanischer und portugiesischer Staatsanleihen ermäßigte sich. Der Kurs des Euro legte leicht auf 1,4073 (Dienstag: 1,3975) Dollar zu.
Die Entspannung resultiert offenbar nicht zuletzt aus der Ankündigung des italienischen Finanzministers Giulio Tremonti, wonach der Zeitplan für das Sparpaket zur Haushaltskonsolidierung im Volumen von insgesamt 40 Milliarden Euro deutlich forciert werden soll. So könne das Parlament dem neuen Haushaltsplan bereits am Sonntag und nicht - wie ursprünglich geplant - erst im August zustimmen.
Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zeigte sich zuversichtlich. "Italien kann seine Probleme aus eigener Kraft lösen", sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit". Unterdessen hielt der Streit über eine Beteiligung privater Investoren an der Griechenland-Rettung an. Es berge mehr Risiken als Chancen, die Gewährung weiterer Hilfen der Staatengemeinschaft an den Zwang zur Beteiligung des Privatsektors zu knüpfen, so Weidmann. Vor allem die Bundesregierung beharrt darauf, auch Banken und Versicherungen müssten eingebunden werden.
Diskutiert werde ein Konzept, dass Griechenland eigene Staatsanleihen zurückkauft und dafür im Durchschnitt 50 Prozent des Nominalwertes zahlt, berichtete die "Financial Times Deutschland". Die Verschuldung solle so von derzeit über 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 120 Prozent - absolut um 70 Milliarden Euro - gesenkt werden. Dies wäre eine Art freiwilliger Schuldenschnitt.
Noch unklar ist, ob es morgen einen EU-Sondergipfel zur Schuldenkrise geben soll. In Brüssel erwog man dies, laut Bundesregierung gibt es derzeit aber keine konkreten Pläne dafür.