Erstmals wurden bei der Deutschen Telekom mit Marion Schick und Claudia Nemat zwei weibliche Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat berufen.

Bonn. Die lupenreine Männerherrschaft bei der Deutschen Telekom wird beendet. In wenigen Monaten ziehen erstmals zwei Frauen in den achtköpfigen Vorstand des Bonner Telefonriesen ein. Der Aufsichtsrat berief gestern Abend die ehemalige baden-württembergische Bildungsministerin Marion Schick (CDU) zur künftigen Personalchefin und die Unternehmensberaterin Claudia Nemat zur Europachefin des DAX-Unternehmens. Bislang gibt es kaum Frauen in den Führungsetagen der größten deutschen Unternehmen. Bei der Telekom soll bis 2015 eine Frauenquote von 30 Prozent für die oberen und mittleren Führungspositionen erreicht werden.

Die Berufung der 52 Jahre alten Marion Schick sorgte allerdings für einen Eklat im Aufsichtsrat. Die Arbeitnehmervertreter im Kontrollgremium verließen nach Angaben der Gewerkschaft Ver.di noch vor der Abstimmung aus Protest gegen die Berufung der Managerin den Saal. Sie kritisierten, der Bestellungsprozess verletzte in eklatanter Weise den Grundgedanken der deutschen Mitbestimmung. Die Gewerkschafter befürchten laut "Handelsblatt", dass die künftige Personalchefin die Interessen der Mitarbeiter nicht ausreichend vertreten könnte. Die ehemalige Ministerin soll das Personalressort im kommenden Jahr von Thomas Sattelberger übernehmen, dessen Vertrag ausläuft. Schick sagte, das Etikett Quotenfrau sei eine Schublade von gestern. Aber „man fühlt sich als Pionierfrau. Das zeigt, dass wir in Deutschland noch etwas zu tun haben“, sagte die 52-Jährige. Obermann sagte, Schick werde den kulturellen Wandel im Unternehmen vorantreiben. „Um den Fachkräfte- und Führungskräftemangel zu beseitigen, muss man jeden Pool von Talenten erschließen.“ Topkandidaten fielen nicht vom Himmel. Schick äußerte Verständnis dafür, dass die Arbeitnehmer beim Personalvorstand besonders wachsam seien. Aber nach den Irritationen sehe sie bereits Anzeichen für eine gute Zusammenarbeit. „Die deutsche Sozialpartnerschaft ist ein hervorragendes Instrument“, sagte Schick.

Claudia Nemat, 42, ist bislang Partnerin der Unternehmensberatung McKinsey. Als Nachfolgerin von Guido Kerkhoff, der nun Finanzvorstand bei ThyssenKrupp ist, wird sie Anfang Oktober den Vorstandsbereich Europa übernehmen. Damit übernimmt sie die Verantwortung für die Beteiligungen des Bonner Unternehmens an zahlreichen Telekom-Anbietern im europäischen Ausland. Im Zuge ihrer Tätigkeit bei McKinsey hat Nemat bereits mehrere Projekte für die Telekom betreut. Die 42-Jährige sagt: „Ich weiß, welch große Herausforderung auf mich zukommt“, aber „ich freue mich gigantisch auf diese Aufgabe, die im Oktober beginnt.“ Dass bei der Deutschen Telekom „internationaler Spirit einkehrt, das wird meine Hauptstoßrichtung sein“, sagte Nemat.

Noch offen blieb gestern, wer künftig den ebenfalls frei werdenden Vorstandsbereich für Recht, Datenschutz und Compliance leiten soll. Auch hierfür will Konzernchef René Obermann Medienberichten zufolge eine Frau gewinnen. Das "Handelsblatt" nannte die Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, Birgit Grundmann (FDP), als aussichtsreichste Kandidatin für diesen Job.

"Mit mehr Frauen an der Spitze werden wir einfach besser", hatte Obermann im März 2010 nach dem Beschluss zur Einführung der Frauenquote bei der Telekom gesagt. Personalvorstand Sattelberger betonte damals, die bisherigen Maßnahmen zur Frauenförderung seien zwar "gut gemeint", hätten aber nicht ausgereicht. Er ist der Vater der Frauenquote im Konzern. Seit Monaten wird auch in der Politik eine Frauenquote in Spitzenpositionen der Wirtschaft diskutiert. Kanzlerin Angela Merkel und Familienministerin Kristina Schröder (beide CDU) sprachen sich gegen eine solche Regelung aus. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU) will die Quote dagegen forcieren.

Wer sind die neuen Frauen der Telekom?

Claudia Nemat

Auf Claudia Nemat wartet eine Herkulesaufgabe: Bei der Deutschen Telekom soll die künftige Top-Managerin nicht nur die Frauenquote erhöhen. Vielmehr erhält die 42-Jährige ab Oktober das Ressort Europa und damit einen Geschäftsbereich, der nach dem Verkauf der US-Tochter T-Mobile zu den größten Sorgenkindern von Konzernchef René Obermann gehört. Dazu zählt unter anderem die griechische Telekom-Tochter OTE, die unter der Schuldenkrise des Landes ächzt. Auch in anderen Landesgesellschaften laufen die Geschäfte nicht so, wie Obermann es sich wünscht. Fast ein Drittel des gesamten Konzernumsatzes von gut 62 Milliarden Euro wird künftig von der Diplom-Physikern verantwortet.

Auch wenn in Großkonzernen das Thema Frauenquote seit einiger Zeit ein Thema ist und besonders von der Telekom angestoßen wurde, definiert Nemat ihre Rolle anders: „Ich fühle mich ganz und gar nicht als Quoten-Frau“, beteuerte sie am Dienstag bei ihrer Vorstellung in Berlin. Vielmehr habe sie sich in männlich dominierten Feldern durchgesetzt. Und dies will sie jetzt auch bei der Telekom beweisen. Nach dem Studium in Köln legte Nemat, die verheiratet ist und zwei Kinder hat, bei der Beratungsgesellschaft eine Blitzkarriere hin. Sie wurde Anfang 2000 Partnerin von McKinsey und machte sich in den Bereichen Telekommunikation und schnell einen Namen. Zu den wichtigsten Kunden zählten die Deutsche Telekom.

Marion Schick

Marion Schick (52), die künftige Personalchefin bei der Telekom, hat Erfahrung mit hohen Ämtern in Männerdomänen. Die studierte Diplom-Handelslehrerin und promovierte Wissenschaftlerin wurde im Jahr 2000 als erste Frau in den Chefsessel einer bayerischen Hochschule berufen; im Alter von 42 Jahren wurde sie Präsidentin der Fachhochschule München – mit fast 14 000 Studenten eine der größten ihrer Art. Im Oktober 2008 dann der nächste Karriereschritt: Schick wurde als erste Frau in den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft in München aufgenommen.

Im Februar 2010 holte sie der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) als Chefin in das wohl exponierteste Ressort seiner Regierung – das Kultusministerium. Erst nach der Amtsübernahme trat die im oberbayerischen Schrobenhausen aufgewachsene Politikerin in die CDU ein. Nach dem glück- und farblosen Kultusminister Helmut Rau (CDU) sollte die Mutter von zwei Kindern gut ein Jahr vor der Landtagswahl für bessere Stimmung bei Eltern und den 110 000 ihr unterstellten Lehrern sorgen.

Die Charmeoffensive kam an, sie zeigte sich offen und kommunikativ. Doch in ihrer kurzen Amtszeit brachte sie aus Sicht der Opposition nichts Innovatives auf den Weg und blieb der dem dreigliedrigen Schulwesen verpflichteten CDU-Linie treu.Schick sagte einmal auf die Frage, welche Arbeitnehmer bei ihrem damaligen Arbeitgeber Fraunhofer richtig aufgehoben seien: Solche, die Lust an gesellschaftlichem Fortschritt hätten, die Freiraum schätzten, der zum Denken einlade. Sie riet: „Kommen Sie nicht, wenn Sie klare Vorgaben haben wollen (...) und Dienst nach Vorschrift tun möchten.“