VW hat sich die Macht bei MAN gesichert. Firmenpatriarch Piëch werkelt an Auto-Imperium vom Kleinwagen bis zum Schwerlaster.
Hamburg. VW-Patriarch Ferdinand Piëch hat für wohlhabende Kunden, und wohl auch ein wenig für sich selber, Luxus-Marken wie Bugatti, Lamborghini und Porsche in seinem Auto-Imperium vereint. Fahrzeuge für die Masse bietet Volkswagen mit Skoda oder Seat. Jetzt will der ehrgeizige Österreicher seine Macht auch in der Welt der schweren Trucks ausbauen. Schon vor Jahren hatte der heute 74-Jährige sein Wachstumsziel genannt: VW werde alle Fahrzeuge "vom Kleinwagen bis zum 44-Tonner" vereinen. Außerdem scherzte der Vater von zwölf Kindern, einst wohl mit Blick auf die Marken der Wolfsburger, "ein Dutzend ist leichter zu merken als zehn".
Piëch, der als Aufsichtsratschef von VW nach wie vor die großen Linien des niedersächsischen Autobauers vorgibt, ist diesen Zielen jetzt mit bemerkenswertem Tempo näher gekommen. VW kontrolliert nach seinem Pflichtangebot knapp 56 Prozent an MAN.
Dabei hatten Börsenbeobachter noch vor wenigen Tagen daran gezweifelt, dass viele MAN-Aktionäre die VW-Offerte annehmen. Dazu war der Preis für ihre Anteilsscheine einfach zu unattraktiv. Doch nun kann sich VW den Lkw-Bauer als elfte Marke in sein Riesenreich einverleiben. Und Piëch sein großes Rad drehen. Der "Techniker der Macht" wird die lange geplante Lkw-Allianz der schwedischen VW-Tochter Scania mit MAN realisieren. MAN und Scania würden nach einer Fusion auf Rang zwei der Lkw-Bauer in Europa aufrücken - nach Marktführer Daimler.
Dabei gilt der Markt für Schwerlaster angesichts der weltweiten Wirtschaftsentwicklung als überaus attraktiv. Allein in Deutschland wurden im ersten Halbjahr 41 Prozent mehr schwere Nutzfahrzeuge über 16 Tonnen zugelassen als im Vergleichszeitraum 2010. VW-Chef Martin Winterkorn zeigte sich gestern denn auch "mehr als zufrieden" mit dem Ergebnis der Übernahmeofferte. VW wolle nun in Abstimmung mit den Kartellbehörden die Freigabe der Allianz vorantreiben. "Wir gehen nach derzeitigem Stand davon aus, dass die notwendigen fusionsrechtlichen Freigaben in der zweiten Jahreshälfte vorliegen werden", sagte ein Sprecher. Der MAN-Konzern, der sich anfangs erbittert gegen eine Einflussnahme aus Wolfsburg gewehrt hatte, verliert damit nach mehr als 250 Jahren seine Unabhängigkeit.
Unsicherheit herrscht angesichts der VW-Pläne bei den knapp 1100 Beschäftigten von MAN in Hamburg. Gut 260 Mitarbeiter reparieren in der Hansestadt bei MAN Diesel & Turbo in einer riesigen Halle im Hafen Schiffsmotoren, 300 Beschäftigte arbeiten in einem 2007 von ThyssenKrupp übernommenen Dampfturbinenwerk, und noch einmal 500 Menschen kümmern sich in der Vertriebsniederlassung in Hamburg um den Absatz von Bussen und Lkw und deren Reparatur. Sorge um ihre Arbeitsplätze müssen die MAN-Beschäftigten in der Hansestadt aber offenbar nicht haben. Scania hat keine Schiffsmotorensparte. Und MAN-Vorstandschef Georg Pachta-Reyhofen sagte, seine Gruppe bleibe "in der bestehenden Form einschließlich MAN Diesel & Turbo" erhalten, zudem habe VW "keine Absichten, die heutigen Standorte aufzugeben oder die Zahl der Arbeitsplätze abzubauen".
Das VW-Management wird mit der MAN-Übernahme parallel zur laufenden Integration von Porsche eine Menge Arbeit haben. "Dies könnte vom operativen Geschäft ablenken", sagte Frank Schwope von der Nord LB dem Abendblatt. Dennoch dürfte Piëch beim Ausbau seines Autoreiches genau wie in seinem 1000 PS starken Bugatti weiter aufs Gaspedal drücken: Die nächste Marke auf der Einkaufsliste ist Suzuki. Damit wäre das Dutzend auch bei VW komplett.