Aktie verliert bis zu 13 Prozent. Unruhe bei 3300 Mitarbeitern des Konzerns in Hamburg
Hamburg. Frans van Houten hätte sich seine ersten Monate auf dem Chefsessel bei Philips wahrscheinlich nicht so turbulent vorgestellt. Zwar konnte der Niederländer mit dem Verkauf der TV-Sparte anfangs einige Pluspunkte für sein beherztes Durchgreifen bei diesem Sorgenkind von Philips sammeln, doch gestern sorgte er mit einer überraschenden Hiobsbotschaft für große Unruhe bei Börsianern und Mitarbeitern. Der 50-Jährige gab für den niederländischen Elektronikkonzern eine Gewinnwarnung heraus und kündigte weitere Sparschritte an.
Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) werde in der Lichtsparte im zweiten Quartal wohl um rund 60 Prozent einbrechen. Das Geschäft mit Verbraucherelektronik soll sogar um mehr als 70 Prozent abstürzen. Die Anleger reagierten geschockt: Die Aktie gab gestern zeitweise um 13 Prozent nach.
Auch in Hamburg, wo 3300 Menschen für den Konzern arbeiten, kam die Nachricht nach Informationen des Abendblatts für das Gros der Mitarbeiter völlig unerwartet. Ob der verschärfte Kostendruck auch für die Beschäftigten der Deutschland-Zentrale des Unternehmens in der Hansestadt Folgen hat und möglicherweise sogar Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, wollte Philips gestern noch nicht sagen. Geschäftsführung und Betriebsrat hielten sich bedeckt.
Auch Prognosen darüber, wann Informationen über die Auswirkungen für die deutschen Beschäftigten aus der Zentrale in Amsterdam durchsickern, gab es gestern nicht. In Hamburg sitzen vor allem Vertrieb und Marketing für die Philips-Sparten Unterhaltungselektronik, Beleuchtung und Medizintechnik. Allein in der Lichttechnik, dem Bereich, in dem Philips Weltmarktführer ist, arbeiten in der Hansestadt 400 Beschäftigte - und die Konzentration auf die neue LED-Technik mit warmem Licht, das energiesparender als bei Glühlampen erzeugt wird, hatte in Hamburg bisher stets für optimistische Geschäftserwartungen gesorgt. Mit den LED-Lampen wollte Philips die immer umweltbewusster denkenden Verbraucher ebenso überzeugen wie Kommunen, die für die Straßenbeleuchtung mit der neuen Technologie weniger Strom benötigen oder Stadien ins richtige Licht rücken sollten.
Insider beunruhigte gestern besonders, dass Philips bei der Gewinnwarnung völlig offen ließ, welche Faktoren sich derzeit so negativ auf die Rendite auswirken. "Es herrscht eine so starke Unsicherheit im Markt, weil es keine Aussage zu den Gründen der dramatischen Verschlechterung der Zahlen gegeben hat", sagte Haspa-Analyst Marco Günther dem Abendblatt. Einige Marktbeobachter spekulierten gestern über die Ursachen für die angespannte Situation bei dem Unternehmen, das 1891 die ersten Glühlampen in den Niederlanden angeboten hatte. "Die hohe Arbeitslosigkeit, das niedrige Einkommenswachstum und das gesunkene Verbrauchervertrauen in zahlreichen Industrieländern haben der Nachfrage eine Beule verpasst", sagte ING-Analyst Sjoerd Ummels.
Außerdem stehe Philips in Konkurrenz zu preisaggressiven, asiatischen Wettbewerbern und müsse viel in die Entwicklung investieren, um die Kunden mit Innovationen zu überzeugen, so Günther. Nicht ganz unkompliziert zu managen sei auch der zersplitterte Bereich der Konsumgüter bei Philips. Immerhin bietet der Konzern mit Rasierern, Toastern oder Kaffeemaschinen verschiedenste Produkte an, für die es auch spezialisiertere Anbieter gibt. Anzeichen für Probleme habe es zwar gegeben, deren Ausmaß sei aber eine "herbe Enttäuschung", ergänzte Analyst James Stettler von der UniCredit.
Die Mitarbeiter bei Philips in Hamburg treibt nun die Sorge um, wie ihr neuer Konzernchef Frans van Houten die Herausforderungen angeht. Schon bei seinem Amtsantritt hatte er eine umfassende Überprüfung aller Geschäftsbereiche angekündigt. Vor vier Jahren setzte er in seiner damaligen Position bei Philips bereits die Trennung vom riskanten Halbleitergeschäft durch. In der Folge verkaufte Philips seine Tochter NXP an Finanzinvestoren, übrigens eine Sparte, die auch in Hamburg beheimatet ist. Sein Vorgänger Gerard Kleisterlee beschreibt van Houten mit klaren Worten: Er sei ein Mann, der nicht vor der Verantwortung zurückschrecke.