Lenovo bietet den Aktionären 13 Euro je Aktie in bar. Der PC-Konzern will Medion aber eigenständig lassen, die Marle soll erhalten bleiben.

Düsseldorf/Essen. Der PC-Riese Lenovo will für 629 Millionen Euro den Aldi-Lieferanten Medion kaufen und damit in Europa stärker Fuß fassen. Erstmals übernimmt damit ein chinesischer Konzern ein großes börsennotiertes deutsches Unternehmen. Beim Management des Essener Konzerns stößt der Konkurrent von Dell und Hewlett-Packard auf Gegenliebe. Der Medion-Vorstand selber sei auf Brautschau gegangen und habe in Lenovo den geeigneten Partner gefunden, sagte Medion-Finanzchef Christian Eigen am Mittwoch zu Reuters. Der weltweit viertgrößte Computerhersteller sei für Medion die ideale Ergänzung und ermögliche den Zugriff auf ein globales Einkaufsnetzwerk. Damit könnte Medion die Kosten drücken und im härter werdenden Wettbewerb bestehen.

Für die Angestellten soll sich nur wenig ändern, einen Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen fürchtet Medion nicht: Lenovo habe vertraglich eine Standort- und Beschäftigungsgarantie für den Fall der Übernahme zugesichert. „Uns ist es wichtig, dass Medion so erhalten bleibt – in seiner Struktur, mit dem Service und Vertrieb“, betonte Eigen. Die Zustimmung des Managements zu der Offerte von Lenovo sei davon abhängig gewesen.

Lenovo will seine Marktposition in Europa ausbauen und sieht in Medion seinerseits den geeigneten Partner. Mit dem Zukauf wolle der Konzern seinen Marktanteil von derzeit rund sieben Prozent in Westeuropa ausbauen, kündigte Lenovo-Chef Yang Yuanqing in einem Reuters-Interview an. Der Konzern, der mit 27.000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von zuletzt rund 15 Milliarden Euro erzielte, sei für weitere Übernahmen gerüstet. „Der eine profitiert vom anderen“, sagte ein Lenovo-Sprecher in Deutschland. Während Medion in der Unterhaltungselektronik stark sei, habe Lenovo bei Firmenkunden eine gute Marktposition. Medion setzte 2010 mit etwa 1000 Beschäftigten 1,64 Milliarden Euro um.

Lenovo bietet den Anteilseignen 13 Euro je Aktie. An der Börse sorgte die Kaufofferte für einen Kurssprung. Die im Kleinwerteindex SDax gehandelten Medion-Titel schnellten zunächst um über 20 Prozent auf 13,30 Euro nach oben, tendierten später aber mit 12,99 Euro knapp unter dem Angebotspreis. Analyst Holger Schwesig von der DZ Bank erklärte, er sehe den fairen Wert von Medion bei 10,50 Euro je Aktie. Daher würde er den Aktionären empfehlen, das Angebot anzunehmen. Bereits am Dienstag hatten Übernahmegerüchte die Medion-Aktie beflügelt.

Firmengründer Gerd Brachmann schloss mit Lenovo bereits einen Vertrag über den Verkauf von knapp 36,7 Prozent des Grundkapitals für 231 Millionen Euro, wie Medion mitteilte. Auch für die übrigen von ihm gehaltenen Anteile gebe es Vereinbarungen mit Lenovo. Insgesamt hält der öffentlichkeitsscheue Brachmann ein Aktienpaket von knapp 55 Prozent an dem Elektronikgroßhändler. Der nächst größere Anteilseigner mit rund 15 Prozent ist die Fondsgesellschaft Orbis. Derzeit würden Gespräche mit Orbis über einen möglichen Erwerb der Anteile geführt, sagte der Lenovo-Sprecher. Ziel des chinesischen Konzerns sei es, alle Medion-Papiere zu erwerben, zumindest jedoch 51 Prozent des Grundkapitals.

Die Offerte steht nach Angaben von Lenovo noch unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Genehmigung – sowie dem Erreichen der Mindestannahmeschwelle.

Medion: Milliardenumsätze mit preiswerten Rechnern

Günstige Computer und große Bildschirme zum kleinen Preis – mit diesem Angebot setzt der Essener Elektronikspezialist Medion seit Jahren Milliarden um. Die Geschäftsidee des 1983 vom heutigen Mehrheitseigentümer Gerd Brachmann gegründeten Unternehmens: Medion produziert seine Geräte mit dem silbernen Schriftzug erst, wenn die Handelspartner – allen voran Aldi – bestellt haben und passt auch die Stückzahl den Wünschen der Großkunden an. Das spart Lagerkosten.

Das im SDax notierte Unternehmen ist nicht nur Hersteller, sondern entwickelt und testet günstige Produktideen speziell für Aktionsware der Handelspartner, berät Handelsunternehmen bei der Auswahl der Produktionsstätten, vertreibt und bietet vor allem nach dem Verkauf einen Kundendienst mit 365-Tage-Hotline. „Wir kennen den Markt in Westeuropa genau und haben das After Sales-Netz – genau deshalb ist Lenovo so interessiert“, sagt Finanzvorstand Christian Eigen.

Mit dem in etwa 14 Tagen erwarteten offiziellen Verkaufsangebot werde Brachmann seinen rund 55-Prozent-Anteil an Medion auf 20 Prozent reduzieren. „Damit will er auch zeigen: Ich bleibe im Unternehmen, ich laufe nicht weg“, sagte Eigen. Der Rest der Anteile ist in Streubesitz. Für die 1000 Mitarbeiter im Unternehmen gelte genauso wie für den Hauptsitz Essen eine Bestandsgarantie.

Medion war bereits 1988 an die Börse gegangen und auf der Welle der allgemeinen Internetbegeisterung zunächst kräftig gewachsen. Nach dem Platzen der Börsenblase kam Mitte des vergangenen Jahrzehnts aber ein Einbruch – nach Ansicht von Analysten auch deshalb, weil das Unternehmen sich zu stark an das Geschäft mit dem Discounter Aldi gebunden hatte. Der Kurs halbierte sich; am Mittwoch stieg er auf rund 13 Euro und damit auf das Niveau des Lenovo-Angebots.

Im Geschäftsjahr 2010 hatte das Unternehmen einen deutlichen Umsatzzuwachs auf 1,64 Milliarden Euro gemeldet. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern betrug gut 28 Millionen Euro. Für das laufende Jahr rechnet Medion mit stabilen Umsätzen und einem Ergebniszuwachs von 15 bis 20 Prozent.

(rtr/dpa/abendblatt.de)