Portugal, das ärmste Land Westeuropas, bittet verzweifelt um Hilfe. Der von Lissabon mehrfach ausgeschlossene Hilferuf um Finanzhilfe an die Europäische Union (EU) erfolgt nun doch - und zwar in letzter Sekunde.
Lissabon. António de Sousa, der Präsident des portugiesischen Banken-Verbandes, hatte erst gestern gefordert, ein Hilfeersuchen sei "dringendst nötig". Sonst laufe Portugal Gefahr, gegenüber den ausländischen Gläubigern in Zahlungsunfähigkeit zu geraten. Wenige Stunden später beschloss die Regierung, in Brüssel um Geld zu bitten.
Das Wirtschaftsblatt "Jornal de Negocios" hatte bereits in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass die Kassen der meisten Staatsunternehmen völlig leer seien. Die Ratingagentur Moody's stufte gestern die Kreditwürdigkeit von Staatsfirmen wie der Bahn CP oder des traditionsreichen TV-Senders RTP auf Ramschstatus herab.
Und Banken-Chef Sousa wies gestern darauf hin, dass der Staat und die meisten Gemeinden bei ihren inländischen Zulieferern schon längst in Zahlungsverzug seien. Frisches Geld durch die Ausgabe von Anleihen ist für den Staat derzeit nur noch zu horrenden Zinsen zu bekommen. "Die zuletzt verlangten Zinsen sind nicht zu zahlen", sagt der Wirtschaftsexperte Filipe Silva.
Der Hilfsantrag könnte weitreichende politische Folgen haben. Für die geschäftsführende Regierung des Sozialisten José Sócrates komme dieser Schritt vor den Neuwahlen am 5. Juni einem "politischen Selbstmord gleich", analysieren Politikbeobachter in Lissabon. Sócrates war am 23. März zurückgetreten, weil die Opposition im Parlament das jüngste Sparpaket seiner Minderheitsregierung abgelehnt hatte.
Sócrates selbst hatte einen Antrag auf Finanzhilfe lange abgelehnt und noch am Montag gewarnt, dieser werde Portugal schwächen. Auf die Portugiesen - nach Angaben der katholischen Kirche leidet eine wachsende Zahl von Menschen im Land sogar Hunger - kommen nun absehbar harte Zeiten zu. Die Arbeitslosigkeit erreichte kürzlich den Rekordwert von 11,2 Prozent. Und Finanzhilfen aus Brüssel sind an harte Sparauflagen geknüpft.
Portugal steht nun zudem ein heftiger Wahlkampf bevor. "Wichtiger als externe Hilfe ist eigentlich das, was ich ,interne Hilfe' nenne. Wir brauchen eine starke Regierung", fordert Antonio Saraiva, der Vorsitzende des Industrieverbandes CPI. Darauf können die Bewohner in dem hoch verschuldeten und tief zerstrittenen Land aber wohl kaum hoffen.