Zwei Elektromodelle will BMW ab 2013 auf den Markt bringen. Die extrem leichten Autos aus Karbon sollen in Leipzig gebaut werden.

Meistens werden ein paar Girlanden aufgehängt und bunte Ballons. Hostessen reichen Snacks, ein Manager hält eine Rede, und eine Hand voll Fotografen wartet darauf, dass der Star des Tages anrollt. So läuft das in aller Regel, wenn dieser Tage irgendwo in Deutschland ein Elektroauto an den behördlich genehmigten Start im Straßenverkehr geht. „In den ersten beiden Monaten dieses Jahres werden bundesweit voraussichtlich rund 200 Elektroautos neu zugelassen“, sagt Thomas Böhm vom Verband der Autoimporteure (VDIK).

200 in zwei Monaten – im Januar wurden in ganz Deutschland nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts (KBA) insgesamt rund 211.100 Fahrzeuge angemeldet. Trotzdem klingt der VDIK-Funktionär ein wenig stolz. Autoexperte Stefan Bratzel spricht daher mit einem Hauch von Spott von einer „homöopathischen Dosis“ an neuen E-Automobilen im Land, aber zumindest der VDIK kann tatsächlich zufrieden sein: „Wenn derzeit ein Elektroauto aus Serienfertigung in Deutschland zugelassen wird, dann stammt es von einem der Importeure, also einem Konzern aus Frankreich oder Japan“, so Böhm. Man muss einen Mitsubishi kaufen, einen Citroen oder Peugeot, wenn man hierzulande ein Auto mit Stromantrieb besitzen will – noch.

Doch nun setzt BMW zum großen Sprung an. Zwei Elektromodelle wollen die Münchner ab 2013 auf den Markt bringen: den BMW i3 und den BMW i8. Der bayerische Autobauer nimmt damit drei ziemlich ehrgeizige Ziele zugleich ins Visier: Mit der i-Klasse will er im Bereich Kleinwagen und Elektroautos punkten, denn die E-Mobile werden in der unteren Fahrzeugliga mitspielen. Und nebenher revolutionieren die Münchner die Automobilfertigung.

Denn die neue BMW-i-Klasse besteht aus leichtem Karbon, kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK). Autos nur aus Stahl und Aluminium, das war mal. CFK wird bislang im Rennsport oder in der Luft- und Raumfahrttechnik eingesetzt, aber nicht in der automobilen Serienfertigung. BMW versucht sich an einem ebenso innovativen wie riskanten Projekt. Karbon als Werkstoff bietet gerade für Elektroautos viele Vorteile – und stellt die Ingenieure vor einige ganz entscheidende Probleme.

Monatelang hatten die Münchner nahezu jedes Detail zu den neuen Stromautomobilen sorgsam gehütet und nicht einmal mögliche Namen der Elektroautos Preis gegeben. Nun gibt man sich in der Konzernzentrale selbstbewusst: „Mit dem BMWi bricht für die Automobilindustrie eine neue Ära an“, sagte Vertriebsvorstand Ian Robertson anlässlich der Präsentation der i-Reihe in München. An Elektrofahrzeugen arbeiten derzeit alle deutschen Automobilhersteller fieberhaft, um den Rückstand zu den Franzosen und Japanern aufzuholen.

BMW geht einen anderen Weg als Daimler und VW

Im nächsten und darauf folgenden Jahr kommt Daimler mit dem E-Smart, Volkswagen bringt den „UP“ und den Elektro-Golf. BMW geht aber einen anderen Weg als die Wettbewerber: „Wir bauen maßgeschneiderte Autos für den Elektroantrieb“, sagt BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Draeger. Bislang starten Autobauer nach einem ganz einfachen Prinzip ins Elektrozeitalter: „Sie nehmen ein Fahrzeug aus der bestehenden Modellpalette, suchen einen Platz für die Batterie und hängen die rein. Das kann auf Dauer kein Erfolg sein“, sagt Autoexperte Bratzel.

E-Fahrzeuge nach diesem Prinzip sind schwer, im Innenraum ist aufgrund der großen Batterie verhältnismäßig wenig Platz. BMW versucht es nun anders rum: Erst wurde ein ultraleichtes Autos entwickelt, dessen Fahrgestell aus Aluminium besteht, die Fahrgastzelle aus Karbon. „Damit sparen wir pro Fahrzeug rund 300 Kilo Gewicht “, sagt Entwicklungsvorstand Draeger. 300 Kilo, die die ohnehin im Vergleich zu Verbrennungsmotoren auch mittelfristig noch leistungsschwachen Batterien nicht zusätzlich bewegen müssen.

Das soll dem E-Mobil den nötigen Schub geben, den BMW-Fahrer verlangen. Der Bau ist i-Klasse ist ein Megaprojekt, dem zehn Jahr Forschung vorangegangen sind, und das Millionen verschlingt. Der BMW i3 und i8 werden im BMW Werk Leipzig produziert. In die neuen Anlagen investiert der Autobauer bis 2013 rund 400 Millionen Euro. Rund 800 neue Arbeitsplätze. Den nötigen Werkstoff bekommt BMW vom Wiesbadener Spezialchemiekonzern SGL Carbon. Mit dem haben die Münchner ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das derzeit im US-Bundesstaat Washington für 100 Millionen. Euro ein Faserwerk aufbaut.

SGL soll den Münchnern Karbon in der nötigen Qualität zu bezahlbaren Preisen liefern. „Wir sichern uns Rohstoffe zu wettbewerbsfähigen Konditionen“, jubelte Konzernchef Norbert Reithofer nach Gründung des Joint-Ventures mit SGL. Nun muss es den Ingenieuren nur noch gelingen, mit dem schwierigen Werkstoff in der Produktion zu Recht zu kommen. Karbon hat gegenüber bisherigen Materialien viele Vorteile: Es ist härter als Stahl und halb so schwer wie Aluminium.

Allerdings sind die Herstellungskosten extrem hoch, und die Verarbeitung der Fasern ist kompliziert. Die CFK-Fasern aus den USA werden in den BMW-Werken Wackersdorf und Landshut weiterverarbeitet, in Harz gegossen, gehärtet und geformt. Ist dieser Arbeitsschritt abgeschlossen, kann an dem Material im Gegensatz zu Stahl praktisch nichts mehr geändert werden. Zweites Problem: Karbon verformt sich beim Aufprall nicht, sondern splittert. Das macht die Konstruktion der Autos aufwendiger. BMW schreckt das nicht: „Wir sehen uns in der Entwicklung so weit, dass wir die Fertigungsprozesse und Kosten im Griff haben“, sagte Finanzvorstand Friedrich Eichiner jüngst.

Nur über die Kosten für die Kunden will BMW bislang nicht sprechen. „Über den Preis für eines der Autos werde ich Ihnen auch heute nichts sagen“, so Vertriebschef Robertson. Dabei ist der Preis eine der größten Herausforderung beim Geschäft mit Elektroautos. „Diese Autos werden ein Erfolg, wenn sie leichter, sparsamer und trotzdem sicher sind. Und bezahlbar“, so Autoexperte Bratzel. Einige der derzeit angebotenen E-Autos sind so teuer, dass sie nur geleast werden können.

Quelle: Welt Online