Hersteller rufen Ökotrend aus. Doch Warentester halten dies für Marketinggag
Nürnberg. Grüne Produkte und nachhaltige Produktion öffnen beim Verbraucher den Geldbeutel. Das gelte vor allem bei emotionalen Produkten wie Spielsachen, sagt Nicole Koschate. Für die heute beginnende Nürnberger Spielwarenmesse hat die Marketingprofessorin der Uni Erlangen eine Studie erstellt, die Begehrlichkeiten weckt. Einzig bei Lebensmitteln erzielen Ökothemen demnach mehr Wirkung bei Kunden. Gut jeder Vierte würde bis zu ein Fünftel mehr für nachhaltiges Spielzeug ausgeben. "Toys go green" ist deshalb das aktuelle Motto des Branchentreffens. Grüne Spielwaren sollen die Kassen zum Klingeln bringen.
Wer über Schlagworte hinaus nach Verbindlichem fragt, erntet allerdings weitgehend Schweigen. Nachvollziehbare Kriterien kann Messechef Ernst Kick für den gut klingenden Slogan jedenfalls nicht präsentieren, obwohl fast zwei Drittel aller Händler behaupten, dass sie seit Jahren nachhaltiges Spielzeug anbieten. Sicher ist sich der Manager aber, dass ökologisches Bewusstsein Fahrt aufnimmt, ein wichtiges Kaufkriterium ist und Umsatzpotential birgt.
Auch Koschate kann nicht genau sagen, was ein Kinderzimmer "grün" macht. Die meisten Verbraucher würden damit natürliche Rohstoffe wie Holz verbinden und fast die Hälfte auch langlebige Produkte, ein Fünftel den Spielwert. Es gebe "kein umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit", räumt sie ein. "Und auch kein Gütesiegel, auf das sich Verbraucher verlassen können", betont Roman Goll. Er ist Redakteur der Zeitschrift "Öko-Test" und kann über das Umweltbewusstsein der Spielwarenbranche einiges erzählen. 35 Puppen, Spielfiguren und Plüschtiere haben die Warentester jeweils kurz vor Weihnachten 2009 und 2010 auf Schadstoffe unter die Lupe genommen. Ergebnis: "Es hat sich rein gar nichts getan", sagt Goll. Obwohl 2010 identische Produkte oder ihre Nachfolger getestet wurden, sei wieder gut die Hälfte als "mangelhaft" und "ungenügend" gefloppt. Außerdem habe "Öko-Test" gefragt, wie es westliche Hersteller, die vier Fünftel ihrer Ware aus China beziehen, mit der Nachhaltigkeit halten.
Gut ein Viertel der 26 befragten Unternehmen hätten gar nicht geantwortet, darunter Marktgrößen wie Hasbro oder der weltgrößte Spielwarenhersteller Mattel. Andere haben behauptet, ihre Lieferanten unter Kontrolle zu haben, konnten sie aber nicht alle nennen. Ob es wirklich keine Kinderarbeit gebe oder Sozialstandards in fernöstlichen Fabriken eingehalten werden, sei in der Regel nicht verbindlich nachprüfbar, weil oft Belege dafür fehlten.
Belastbar sei eigentlich nur das Icti-Zertifikat des Weltspielwarenverbands, das eine verantwortungsvolle Produktion signalisieren soll. Es beruht auf einer Selbstverpflichtung, der sich erst ein Drittel der rund 3500 chinesischen Spielwarenfabriken unterworfen hat. An dort produzierten Spielwaren "bleibt ein ungutes Gefühl kleben", warnen die Tester.
Eine andere Frage ist, ob China als Werkbank der Welt für Spielwaren ihren Höhepunkt nicht ohnehin überschritten hat. Erste Hersteller wie die Fürther Simba-Dickie-Gruppe setzen wieder auf Werke in Europa. In China steigen die Löhne rasant, ebenso Transportkosten und es gebe Probleme mit der Qualität. Chinesische Wanderarbeiter wechseln von Spielzeugfabriken in besser zahlende Automobilwerke, sagt ein langjähriger Branchenkenner. Das könne die Spielzeugindustrie vor ein großes Problem stellen und es bringe um bis zu 30 Prozent steigende Preise. Da käme das Marketingthema "grüne" Spielwaren als Alibi wohl gerade recht.