Deutsche Autos sind auf der ganzen Welt begehrt. Aber die Branche muss sich auf neue Technologien und veränderte Kundenwünsche einstellen.

Beim Neujahrsempfang des Verbands der Automobilindustrie (VDA) schwelgte die Branche in Zuversicht. „Bei den großen Zukunftsprojekten, zum Beispiel bei den alternativen Antrieben, trauen wir uns den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Industrien der Welt zu bestehen und zu gewinnen, ohne weiteres zu“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann Anfang dieser Woche im Berliner „Meilenwerk“. Ähnlich euphorisch zeigte sich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer: „Genauso wie wir heute und immer schon die besten Autos der Welt bauen, muss es unsere Vision sein, dass wir in Zukunft die besten Elektromobile der Welt bauen. Und wir haben das Zeug dazu und wir können das auch!“

Heute vor 125 Jahren wurde das Auto in Deutschland erfunden: am 29. Januar 1886 meldete der Schwabe Carl Benz sein dreirädriges Gefährt mit Verbrennungsmotor und elektrischer Zündung beim Reichspatentamt an. Bis heute sind Autos „Made in Germany“ auf der ganzen Welt begehrt.

Doch auf die deutschen und die internationalen Hersteller kommen Herausforderungen zu: Neue Konzerne bedrängen etablierte Autobauer, der Verbrennungsmotor bekommt Konkurrenz durch alternative Antriebe, neue Märkte öffnen sich. Die Branche steht vor dem wohl grundlegendsten Wandel seit Erfindung des Automobils.

Weltweit kämpfen die Autokonzerne weltweit um die beste Ausgangsposition. Als „Darwin-Jahr“ hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche angesichts der schweren Branchenkrise das Jahr 2009 bezeichnet. Zetsche hätte allerdings auch den Plural verwenden können, denn den Automobilkonzernen stehen Jahre des Kampfes bevor. Der japanische Branchenprimus Toyota will seine globale Spitzenposition verteidigen. Die einstige Nummer eins, der zweitplatzierte US-Konzern General Motors, möchte den ersten Rang zurückerobern und auch der deutsche Volkswagen-Konzern strebt bis zum Jahr 2018 Weltmarktführerschaft an.

Doch das Trio ist nicht allein, quasi im Schatten der Großen pirscht sich der koreanische Autobauer Hyundai an das Trio heran. „Unter den aufstrebenden Anbietern zeigt sich insbesondere Hyundai als starke neue Kraft in vielen Märkten“, mahnte Ende vergangenen Jahres VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch. Die Koreaner haben 2010 in Europa erstmals Toyota beim Absatz überholt. Längst vorbei sind die Zeiten, als spekuliert wurde, dass in wenigen Jahren nur noch sechs bis acht unabhängige Hersteller weltweit existieren werden. Neue Hersteller aus Asien, besonders aus China, wie Shanghai Automotive, FAW oder Dongfeng, drängen auf den Weltmarkt. Noch haben die Produkte der chinesischen oder indischen Autobauer zwar meist nicht das technologische Niveau und die Qualität europäischer, amerikanischer oder asiatischer Autos erreicht. Doch sie holen sehr schnell auf.

Dies gilt insbesondere bei der Entwicklung alternativer Antriebe. Während Europa beispielsweise noch in weiten Teilen über Sinn und Chancen der Elektromobilität diskutiert und an einer weiteren Verbesserung der herkömmlichen Verbrennungsmotoren arbeitet, setzen chinesische Hersteller alles daran, sich bei der Elektromobilität einen strategischen und zeitlichen Vorteil zu verschaffen. Chinas Hersteller wissen, dass sie den Vorsprung der etablierten Autobauer bei herkömmlichen Verbrennungsmotoren nicht aufholen können, also überspringen sie eine Entwicklungsstufe.

Unterstützt werden die Hersteller durch Milliardenhilfen der chinesischen Regierung, die den Kauf eines Elektroautos mit bis zu 7000 Euro bezuschusst. Bei Elektrobatterien gelten die Chinesen neben den Japanern bereits als führend.

Dennoch ist die vielfach kritisierte zurückhaltende Haltung etwa der deutschen Hersteller nur zu verständlich. Der Preis der Batterien der Elektroautos ist zu hoch. Die Kunden müssten beim Erwerb eines rein elektrisch betriebenen Klein- oder Kompaktwagens einen Preisaufschlag von mindestens 10.000 bis 15.000 Euro in Kauf nehmen. Neben dem hohen Preis gelten die geringe Reichweite, die drohende Überhitzung der Batterie und die lange Ladedauer als Hauptprobleme. Dennoch, und da sind sich auch die deutschen Automanager sicher, wird kein Weg an der Elektrifizierung der Mobilität vorbeiführen. „Die Zukunft gehört dem Elektroauto - mit Strom aus der Steckdose“, sagt der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn.

„Das Monopol des Verbrennungsmotors geht zu Ende“, erklärt auch Daimler-Chef Zetsche. Es gehe aber nicht darum, den Verbrennungsmotor über Nacht zu ersetzen, sondern ihn zu ergänzen. Also werden Benzin- und Dieselmotoren weiter verbessert. Zugleich werden sich Autos mit Hybridtechnologie, die einen Verbrennungsmotor und Elektroantrieb haben, weiter durchsetzen. Nach Einschätzung des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) werden auch im Jahr 2030 noch über 90 Prozent aller Fahrzeuge über einen Verbrennungsmotor verfügen. „Das reine batteriebetriebene Elektroauto ist ein Nischenfahrzeug und wird es zumindest bis zum Jahr 2020 auch weiterhin bleiben“, sagt IFA-Direktor Willi Diez.

Die dritte Herausforderung für die Automobilindustrie dürfte die Verschiebung der Absatzmärkte sein. Das Wachstum wird in den kommenden Jahren vor allem in den Bric-Staaten (Brasilien, Russland, China und Indien) stattfinden. Diez erwartet, dass insbesondere Asien seine Dominanz als wichtigster Absatzmarkt ausbauen wird. Im Jahr 2020 dürfte der Anteil Asiens an den Weltautomobilverkäufen bei 45,6 Prozent liegen verglichen mit 26,2 Prozent im Jahr 2008. Allein in China werden dann nach seinen Schätzungen im Jahr 2020 fast 20 Mio. Autos verkauft. Die etablierten Märkte Europa, Nordamerika und Japan werden dagegen stagnieren oder nur leicht zulegen.

Mindestens ebenso schwerwiegend wie neue Technologien, Wettbewerber oder Märkte sind künftig die sich verändernden Kundenwünsche und Mobilitätsanforderungen. Die Hersteller müssen sich etwa der Tatsache stellen, dass das Auto seine Bedeutung als Statussymbol einbüßt. „Bei einer wachsenden Gruppe von rund 20 bis 30 Prozent von jungen Frauen und Männern in Deutschland macht sich eine, neue Rationalität' in Hinblick auf das Automobil breit“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive in Bergisch, Gladbach. Diese Generation sieht das Auto schlicht als Fortbewegungsmittel. Die Folge: die Automobilindustrie muss eine neue Lust aufs Auto schaffen.

Verstädterung als neue Herausforderung

Aber auch andere Trends werden die Branche unter Zugzwang stellen. So dürften laut der Unternehmensberatung Frost & Sullivan bis 2025 rund 4,5 Milliarden Menschen weltweit in Städten leben. Das entspricht etwa sechzig Prozent der Weltbevölkerung. Das Anwachsen der städtischen Bevölkerung werde in der Folge zu einer schnellen Ausweitung der Stadtgrenzen in die benachbarten Vororte hinein und damit zur Bildung von Megastädten führen. Mohamed Mubarak M.M., Branchenanalyst bei Frost & Sullivan: „Die Verstädterung und der Trend zu Megastädten wird zweifellos Chancen bieten für Unternehmen, die optimale Verkehrslösungen anbieten können.”

Den größten Anpassungsbedarf des Autos sieht auch der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen in den Mega-Metropolen: „Es fehlt der Platz für Autos, die nur eine Stunde am Tag fahren, aber 23 Stunden lang einen Parkplatz brauchen.“ Schon verbannen in China erste Städte die Hälfte aller Wagen an manchen Tagen aus den Städten. „Das Auto wird sich aber auch hieran anpassen. Die vernetzte Mobilität wird Leihwagen mit sich bringen, die an jeder Ecke stehen und problemlos ausgeliehen werden können, wie heute schon Leihfahrräder“, sagt er.

Quelle: Welt Online