Im Landkreis westlich von Hamburg droht immenser Schaden, wenn die schlachtreifen Tiere nicht bald verkauft werden dürfen

Fredenbeck. Die Schweine drängeln sich um Johann Knabbes ausgestreckte Hand. Der Bauer streicht über feuchte Schnauzen, sauber glänzende rosa Haut. Die Jungtiere grunzen, sie fühlen sich offensichtlich sauwohl in ihren Verschlägen mit Plastikspielzeug gegen die Langeweile und 22 Grad Wärme. Johann Knabbe hingegen hat Sorgenfalten auf der Stirn. Denn die Nachrichten, die aus Sicht der Schweine gut sind, könnten für ihre Halter verheerend sein: Mehrere Dutzend Schweinemastbetriebe aus dem Landkreis Stade haben nach Angaben des regionalen Veterinäramts im vergangenen Herbst Futter gekauft, das möglicherweise mit Dioxin belastet ist. Deshalb dürfen die Tiere der betroffenen Höfe derzeit nicht zum Schlachten verkauft werden.

"Das bringt viele Bauern, die dieser Tage ihre Tiere weiterverkaufen wollten, in eine ernste Lage", sagt Knabbe, 53 Jahre alt und in zwölfter Generation Landwirt. Er ist nicht nur Vorsitzender des Kreislandvolks Stade, sondern auch selbst betroffen vom Verkaufsverbot. Die schlechten Nachrichten haben gestern fast 1000 Höfe in ganz Niedersachsen erhalten. Eier, Puten- oder Schweinefleisch - wer seinen Tieren möglicherweise unwissentlich schädliches Futter gegeben hat, darf seine Erzeugnisse vorerst nicht vertreiben.

Jedem Bauern könnten pro Tag Hunderte Euro Schaden entstehen

So sitzt Petra Ahrens (Name geändert) aus dem Landkreis Cuxhaven auf 12 000 Eiern, die ihre Hühner nun umsonst legen. Und zwar jeden Tag. "Ständig fragen Kunden im Hofladen nach frischen Eiern", klagt die Bäuerin. "Ich muss alle wegschicken und darf natürlich auch die Supermärkte nicht mehr beliefern." Dabei entsteht dem Familienbetrieb pro Tag ein Schaden von knapp 1000 Euro - zumindest wenn die Verkaufssperre nicht bald wieder aufgehoben wird. Denn die Eier können nur wenige Wochen gelagert werden.

Auch für die Schweinehalter aus Stade und Umgebung kostet die ungewisse Situation bares Geld: Jedes Schwein, das nicht im Alter von sechs bis sieben Monaten verkauft wird, verliert an Wert. "Die Tiere werden einfach zu schwer und bringen dann noch weniger ein", erklärt Bauer Knabbe. Wer seine schlachtreifen Schweine zudem auf unbestimmte Zeit behalten muss, sitzt auf Zusatzkosten von mehr als einem Euro täglich pro Tier für Futter und Stallplatz. Je nachdem, wie viele Tiere im schlachtfähigen Alter sind, kann sich der tägliche Schaden so auf einige Hundert Euro belaufen. "Wir brauchen deshalb innerhalb einer Woche Klarheit", sagt Knabbe. Wie lange die Analyse der Vorfälle und damit das Verkaufsverbot dauern wird, ist aber ungewiss. Eine "Katastrophe" wäre es für die Schweinehalter, wenn der Tierbestand getötet werden müsste, wie es bei 8000 Hühnern in Nordrhein-Westfallen der Fall war. "Momentan wissen wir aber nicht einmal, ob das Futter überhaupt eine Belastung darstellt", betont Knabbe.

Auf seinem verschneiten Bauernhof in Fredenbeck bei Stade hält er 1400 Schweine, je nach Alter auf vier Ställe aufgeteilt. Ein Schild mit der Aufschrift "Stopp! Desinfiziert?" hängt an den Toren, durchdringender Geruch verrät ebenso wie das Grunzen, was sich dahinter verbirgt. Die tägliche Arbeit erledigt Knabbe allein, unterstützt von computergesteuerten Füttermaschinen. Mit der Schweinemast muss der Familienvater zwei Kinder ernähren - schon in normalen Zeiten kein Vergnügen: Nach der weihnachtlichen Völlerei sind die Preise saisonüblich gesunken, auch die erhöhten Energiekosten durch die Kälte nagen am mageren Gewinn. "Mein Tierbestand ernährt keine Familie", sagt Knabbe. "Mir bleibt pro Schwein ein Gewinn zwischen null und zehn Euro, den eigenen Arbeitslohn noch nicht eingerechnet." Deshalb ist seine Frau auch berufstätig. Als Verwaltungsangestellte.