Wegen der Luftverkehrssteuer fallen in Hahn 30 Prozent des Angebots weg. Auch in Hamburg sind Jobs bedroht
Hamburg. Michael O'Leary gilt als so etwas wie der Clown der Flugbranche. Immer wieder erregt der Chef des irischen Billigfliegers Ryanair mit allenfalls halb ernst gemeinten Ideen für neue Sondergebühren oder Einsparmöglichkeiten wohlkalkuliert Aufsehen in der Öffentlichkeit. Doch wenn es um die Luftverkehrsabgabe in Deutschland geht, ist für O'Leary der Spaß vorbei. Schon im Juli drohte er mit dem Abzug von Flugzeugen aus Deutschland, was die Standorte im rheinland-pfälzischen Hahn, in Weeze am Niederrhein und in Bremen betreffen könne.
Jetzt machen die Iren Ernst: Vom Flughafen Hahn werden drei der elf dort stationierten Jets ins Ausland abgezogen. "Wir wollen nicht als Unternehmen arbeiten, das Steuern für die deutsche Regierung einsammelt", sagte Ryanair-Geschäftsführer Michael Cawley gestern.
Damit nimmt das Angebot der von dort angebotenen Flüge im kommenden Sommer um rund 30 Prozent ab, neun Strecken werden gestrichen. Ryanair erwartet am Flughafen Hahn nach der Streichung von mehr als 7000 Flügen jährlich etwa eine Million weniger Passagiere im Jahr.
Der innerdeutsche Flug von Hahn nach Berlin fällt zuerst weg
"Die Nachfrage nach Flügen ist vom Preis der Flüge abhängig", sagte Cawley. Innerdeutsche Flüge nach Berlin werde es schon von Januar an nicht mehr geben. Die anderen Streichungen würden zum Sommerflugplan umgesetzt.
Von der Reduktion des Angebots seien rund 150 Arbeitsplätze bei Ryanair sowie weitere 1000 Jobs bei anderen Unternehmen betroffen, teilte Ryanair mit. Allerdings sind die 380 Arbeitsplätze des Flughafenbetreibers nicht in Gefahr. "Wir werden keine Mitarbeiter entlassen", stellte der kaufmännische Geschäftsführer der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH, Wolfgang Pollety, klar. Er erklärte dies mit dem Ausbau des Frachtfluggeschäftes - die Luftfracht ist von der neuen Steuer nicht betroffen.
Doch O'Learys Teilrückzug aus Deutschland bleibt nicht auf Hahn beschränkt. Weitere Kürzungen würden kommen, sagte eine Ryanair-Sprecherin. Details seien noch nicht geplant. "Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass es eine weitere Basis in Deutschland geben wird." Diese Vorentscheidung hat gravierende Auswirkungen auf den Regionalflughafen Lübeck. Denn dort ist Ryanair der wichtigste Airlinekunde, außerdem hat man bisher darauf gesetzt, dass der Billigflieger auch in Lübeck eine Basis einrichtet und Jets stationiert. Angesichts der neuen Geschäftspolitik der Iren hat der rot-rot-grün dominierte Aufsichtsrat des Flughafens Lübeck die Ausbaupläne für den Airport vorerst auf Eis gelegt (das Abendblatt berichtete). Hintergrund sei die derzeitige Verhandlungslage mit Ryanair, teilten Aufsichtsrat und Geschäftsführung des Flughafens mit.
Diese Entscheidung jedoch führt nun zu kommunalpolitischem Streit: Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt warf dem Aufsichtsrat vor, den Bürgerwillen zu hintertreiben. In einem Bürgerentscheid im April hatten 67,4 Prozent der Lübecker für den millionenschweren Ausbau gestimmt. Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) will den Flughafen entgegen dem Votum des Aufsichtsrats aber dennoch ausbauen. "Wenn ich entscheide, es wird ausgebaut, dann wird ausgebaut", sagte er gestern. "Ich bin verpflichtet, den Bürgerentscheid durchzusetzen." Er warte noch auf ein Signal des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig, dann solle die Gesellschafterversammlung den Weg freimachen.
Hamburgs Flughafenchef fürchtet Verlust Tausender Jobs in Deutschland
Auch in Hamburg macht man sich Sorgen wegen der Ticketabgabe. "Die geplante nationale Luftverkehrssteuer bedeutet einen Wettbewerbsnachteil mit spürbaren Auswirkungen für Deutschland", sagte Hamburgs Flughafenchef Michael Eggenschwiler dem Abendblatt. "Die Steuer verteuert die Mobilität unserer Bürger, bedroht Tausende Arbeitsplätze und wird zu einer Abwanderung von Millionen Passagieren an benachbarte, europäische Flughäfen führen." Damit sei der volkswirtschaftliche Schaden "beinahe so hoch wie die erhofften Einnahmen". Auch vor dem Verlust von Jobs in Hamburg hatte Eggenschwiler gewarnt.
Der britische Ryanair-Konkurrent Easyjet, der auch von Hamburg aus fliegt, plant derzeit keine Streckenstreichungen, schließt sie aber auch nicht aus. "Wir warten erst einmal ab, ob die Steuer überhaupt Gesetzeskraft erlangt und wie die Verbraucher darauf reagieren", sagte Easyjet-Sprecher Oliver Aust dem Abendblatt. "Aber natürlich ist die Abgabe ein Jobkiller. Wir appellieren an die Bundesregierung, nicht die Fehler der Nachbarländer zu wiederholen." Einer niederländischen Studie zufolge hatte die dort bis zum Sommer 2009 erhobene Steuer zu einem Passagierrückgang von elf Prozent geführt. Auch Air Berlin will die Reaktion auf die Ticketsteuer davon abhängig machen, wie sich der Markt verändert.