Werner Reh, 58, ist Luftverkehrs-Experte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Hamburger Abendblatt:

1. Die Luftverkehrssteuer ist auch mit ökologischen Lenkungseffekten begründet worden. Wie sinnvoll ist sie?

Werner Reh:

Prinzipiell halten wir sie für zwingend erforderlich, weil der Luftverkehr für bis zu fünf Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes verantwortlich ist. Das jetzige Modell halten wir für klug konzipiert - mit einer Ausnahme: Die Steuer müsste für Passagiere der First- oder Businessclass um den Faktor zwei oder drei höher sein, weil der Platzbedarf dieser Klassen im Flugzeug entsprechend höher ist als in der Economyclass.

2. Wäre es nicht sinnvoller, den Treibstoff zu besteuern, damit auch Fracht- und Privatjet-Flüge erfasst würden?

Reh:

Das wäre theoretisch natürlich viel besser, aber es ist derzeit nicht ohne große Schwierigkeiten umsetzbar. Für eine solche Besteuerung des Flugtreibstoffs bräuchte man Einstimmigkeit innerhalb der EU. Stattdessen hat man die schnelle und einfache Variante gewählt, und das ist in Ordnung.

3. Kommt 2012 nicht ohnehin die Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit CO2-Emissionsrechten und damit eine Öko-Abgabe?

Reh:

Ja, aber der Handel mit CO2-Zertifikaten ist durch Lobbyarbeit der Wirtschaft total entkernt worden und hat nach unserer Auffassung keine ökologische Wirkung, weil 85 Prozent der Verschmutzungsrechte kostenlos verteilt werden und nur der Rest von den Unternehmen bezahlt werden muss. Pro Ticket macht das nur drei bis fünf Euro aus, die Luftverkehrssteuer bringt viel mehr und sollte deshalb bleiben.

4. Haben nicht andere Staaten, etwa die Niederlande, eine entsprechende Steuer wieder abgeschafft, weil Flugverkehr abwanderte?

Reh:

Das ist ein Märchen. Der Rückgang der Fluggastzahlen beruhte dort vor allem auf der Wirtschaftskrise. Nachdem die Niederlande die Steuer im Sommer 2009 abschafften, sind die Verkehrszahlen in Amsterdam weiter gesunken. Und in Enschede hat der Luftverkehr massiv zugelegt, noch während es die Ticketsteuer gab.

5. Führt ein nationaler Alleingang in einer internationalen Branche zu inakzeptablen Wettbewerbsverzerrungen?

Reh:

Wegen acht Euro pro Ticket wird man nicht extra ins Ausland reisen, um von dort abzufliegen. Die Steuer macht im Schnitt schließlich nur ein bis zwei Prozent der Flugpreise aus. Aber eine internationale Abstimmung ist natürlich besser. Die Bundesregierung sollte bei der EU für ihr Modell werben.