Ukraine will Getreideexporte bis zum Jahresende begrenzen. Harter Wettbewerb verhindert bisher drastische Preiserhöhungen
Hamburg. Die extremen Wetterkapriolen hinterlassen in der Wirtschaft immer tiefere Spuren. An den Börsen für Agrarrohstoffe steigen seit Monaten die Preise für Getreide - und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Die Ukraine, der weltweit sechstgrößte Weizenlieferant, kündigte gestern an, bis zum Jahresende ihre Überseeverkäufe von Gerste und Weizen zu begrenzen, um die eigene Versorgung sicherzustellen. Zuvor hatte bereits Russland als drittgrößter Weizenproduzent der Welt einen Exportstopp angesichts der landesweit herrschenden Dürre angekündigt und damit kräftige Kursanstiege an den Rohstoffmärkten ausgelöst.
Europäischer Weizen ist 59 Prozent teurer als noch zu Jahresbeginn
Der Weizenpreis befindet sich weltweit seit Monaten im Steigflug. Europäischer Weizen wird derzeit für 208 Euro je Tonne gehandelt und kostet damit 59 Prozent mehr als zu Jahresbeginn, berichtet der Rohstoffanalyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. US-Weizen wird für 706 Cents je Scheffel gehandelt und ist damit gut 30 Prozent teurer als im Januar. Der Preisauftrieb ist nach Ansicht von Fritsch eine Reaktion auf die schlechteren Ernteaussichten in Europa und Kanada. Für die nächsten vier Wochen sei deshalb ein weiterer Anstieg auf das bisherige Jahreshoch von rund 224 Euro pro Tonne zu rechnen, im Herbst sei aber auch ein Preisverfall durchaus denkbar. "Es gibt genügend Weizen auf der Welt. Die Lager sind aufgrund der üppigen Ernten in den vergangenen beiden Jahre noch sehr gut gefüllt", so Fritsch. "Doch irgendwie ist diese Situation derzeit aus dem Blickfeld gerückt."
"Die Preise im Handel werden nicht durch die Decke gehen"
Die Lebensmittelindustrie und Bierbrauer setzt die Situation unterdessen zunehmend unter Druck. Preiserhöhungen scheinen nicht mehr ausgeschlossen. "Die Indizien wie höherer Rohstoffpreise, Ernteausfälle und Spekulanten sprechen dafür, dass auch die Preise im Lebensmittelhandel steigen werden", sagt der Handelsexperte Matthias Queck von Planet Retail. Als einer der Ersten wagte sich jetzt Aldi, die Preise für Butter um 21 Prozent auf 1,05 Euro zu erhöhen und Fruchtnektar um 18 Prozent.
Bei konkreten Preisaussagen hält sich der Handel jedoch bedeckt, nicht zuletzt um sich nicht dem Verdacht illegaler Preisabsprachen auszusetzen. "Wir geben keine Prognose zur künftigen Preisentwicklung", sagt der Edeka-Sprecher Gernot Kasel. "Preise bilden sich immer im Wettbewerb. Eine Prognose, ob und in welchem Umfang es zu Preisveränderungen kommen wird, ist derzeit nicht möglich", sagt Andreas Krämer von der Rewe Group. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, Peter Becker, erwartet wiederum noch im August steigende Brötchenpreise.
Nach Berechnungen des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) stiegen die Lebensmittelpreise seit 2005 um insgesamt elf Prozent. Wegen des harten Wettbewerbs unter Discountern und Supermärkten ist HDE-Sprecher Kai Falk aber sicher: "Die Preise werden nicht durch die Decke schießen. Der Wettbewerb funktioniert, davon profitieren die Verbraucher."