Schlechte Getreideernte und der Exportstopp für Weizen in Russland treiben an den Rohstoffbörsen die Preise hoch
Hamburg. Die Verbraucher müssen sich auf steigende Brötchenpreise einstellen. "Ich gehe davon aus, dass die Preise Mitte oder Ende August angehoben werden", sagte Peter Becker, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, dem Abendblatt, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Ein Grund sei die derzeitige Preisexplosion an den weltweiten Rohstoffbörsen. Wegen der Hitze im Juni und Anfang Juli rechnen die Bauern mit einer geringeren Ernte. Verschärft wird die Lage noch, weil Russland wegen der anhaltenden Trockenheit ein Exportverbot für Getreide beschlossen hat.
Weizen so teuer wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr
Der europäische Weizenpreis ist bereits mit rund 230 Euro pro Tonne auf ein Zweieinhalb-Jahreshoch gestiegen, berichtet Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst der Commerzbank. Allein in Russland haben sich die Preise seit Anfang Juni angesichts einer Rekorddürre nahezu verdoppelt. Durch den Ausfall des russischen Weizens dürften weltweit rund fünf Millionen Tonnen fehlen. Das sei ein großer Brocken, sagte Matthew Kaleel, Rohstoffspezialist von H3 Global in Sydney.
Viele Investoren befürchteten zudem, dass auch der Winterweizen in Russland von Ernteausfällen betroffen sein könnte, wenn die Dürre anhalte. Zwar fordert die russische Landwirtschaftslobby eine Verschiebung des Exportverbots um zwei Wochen auf den 1. September, aber an der Gesamtsituation würde dies wenig ändern.
Deutsche Mehlindustrie rechnet mit Zusatzkosten von einer Milliarde Euro
"Bleiben die Notierungen auf dem aktuellen Niveau, kommen auf uns in diesem Jahr bis zu eine Milliarde Euro an zusätzlichen Kosten zu", sagte Manfred Weizbauer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, der rund 600 Mühlenunternehmen vertritt, dem Abendblatt. "Das ist mehr als die Hälfte unseres Jahresumsatzes." Eine Tonne Mehl sei derzeit kaum für weniger als 300 Euro zu haben. Vor wenigen Wochen seien es noch knapp 200 Euro gewesen. "Die Getreidepreise bestimmen zu 70 bis 80 Prozent die Mehlpreise", sagte Weizbauer. "Wir sind deshalb gezwungen, die Kostensteigerungen an die Abnehmer weiterzugeben."
So argumentiert auch der Hamburger Bäcker Becker. Den Hinweis, dass die Kosten für Weizen nur etwa zwei Cent am Brötchen betragen und dass der Brötchenpreis seit Jahren kräftig steigt (siehe Grafik), will er nicht gelten lassen. "Auch andere Rohstoffpreise etwa für Kakao sowie die Kosten fürs Personal sind derzeit stark gestiegen", sagte er. Neben Produktionseinbußen auf Grund der Wetterlage treten auch immer mehr Abnehmer am Markt auf. "Die Chinesen kaufen derzeit die Rohstoffmärkte leer", so Becker.
Weltweite Lager sind nach Rekordernte 2009 noch gut gefüllt
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hingegen rechnet nicht mit Verteuerungen. Die Getreidelager seien in diesem Jahr nach der Rekordernte 2009 weltweit noch gut gefüllt, was die Lage entschärfe, sagte sie. Auch der deutsche Einzelhandel sieht keine Gründe für eine Kostenexplosion. "Wir erwarten derzeit keine exorbitanten Preissteigerungen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes HDE, Stefan Genth. Becker hingegen warnt davor, dass einige Bäckereibetriebe ohne Preiserhöhung nicht mehr wirtschaftlich arbeiten könnten und aufgeben müssten.