Nach Siemens, Vestas und General Electric siedelt sich der US-Konzern Broadwind Energy an der Elbe an. Die Windkraftbranche zählt 5000 Jobs.
Hamburg. Michael M. Stegelmann musste nicht lange nachdenken, als er für den amerikanischen Windkraftspezialisten Broadwind Energy einen Standort in Deutschland suchte. "Die Tatsache, dass in den vergangenen Monaten große Windkraftunternehmen Firmenbereiche nach Hamburg verlagert haben und auch in der Stadt Forschung und Entwicklung betreiben, hat uns die Entscheidung für Hamburg erleichtert", sagte Stegelman dem Abendblatt. Die Büroräume sind angemietet, und nun sucht der Broadwind-Chef, dessen Mutterkonzern ein Zulieferer der Windbranche ist, Technik- und Vertriebsingenieure. Zwar wird die Mitarbeiterzahl am Anfang noch bescheiden sein, aber der Ausbau zur Europazentrale und die Errichtung eines Technologiezentrums sind als weitere Schritte geplant.
Die Ansiedlung eines weiteren US-Konzerns ist der vorläufige Höhepunkt eines Runs der Branche auf die Stadt. So haben Siemens, Vestas und die RWE-Tochter Innogy in den vergangenen Monaten ihre Deutschland- oder Europazentralen für Windenergie in Hamburg angesiedelt, der US-Konzern General Electric steht kurz vor der Unterzeichnung eines Mietvertrags für ein Forschungszentrum für Windaktivitäten zwischen Alster und Elbe. Und der inzwischen zur indischen Suzlon-Gruppe gehörende Hersteller Repower sowie der Mitbewerber Nordex sind sogar mit ihren Unternehmenszentralen in der Stadt vertreten.
Laut Schätzungen gibt die Branche bereits 5000 Menschen in der Stadt Arbeit - entweder bei den Herstellern selbst, bei Zulieferern oder in einem der zahlreichen Ingenieurbüros, die sich neben der Luftfahrtbranche auch auf den zukunftsträchtigen Bereich Windenergie spezialisiert haben.
"Hamburg hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Zentrum für die deutsche und für die internationale Windenergiebranche entwickelt", sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes WindEnergie, dem Abendblatt. Nicht nur von Großansiedlungen namhafter Konzerne würde die Hansestadt profitieren, sondern auch von der "Weiterentwicklung der Finanzmetropole Hamburg mit dem neuen Schwerpunkt auf erneuerbare Energien, insbesondere auf Windenergie", so Albers. Im Klartext, Banken finanzieren Projekte und Emissionshäuser legen Fonds auf, an denen sich Anleger beteiligen können.
Auch RWE-Vorstand und Innogy-Chef Fritz Vahrenholt hat sich bewusst für Hamburg als Standort der Innogy-Windsparte entschieden. "Nicht, weil ich hier lebe, sondern weil Windkraft an die Küste muss." Als Standortvorteil erweist sich laut Peter Kaiser, Projektleiter beim Forschungsunternehmen Prognos, dass die "Stadt eine hohe Lebensqualität bietet". Allerdings wäre Hamburg als Produktionsstandort nicht geeignet. Denn in der Metropole mangelt es an geeigneten Flächen für Rotoren- und andere Werke.
In Hamburg sitzen die Entscheider und die Forschungseinrichtungen
"Die Herstellung der Windkraftanlagen hat sich an der Küste etabliert", sagt Kaiser. In Husum, Cuxhaven und Bremerhaven betreiben Repower und andere Produzenten ihre Werke. "In Hamburg sitzen aber die Entscheider und die Forschungseinrichtungen der Branche", so Kaiser, dessen Institut die Hansestadt beim Zukunftsatlas 2009 noch vor München an die Spitze der deutschen Zukunftsmetropolen gesetzt hat. In der Studie werden Gebiete mit Wirtschaftsbranchen gekürt, die in den kommenden Jahren gute Wachstumschancen haben.
Während Bayern beim Thema regenerative Energien für sich reklamiert, der Standort mit den meisten Solardächern zu sein, hat Hamburg schon früh in seiner Ansiedlungspolitik auf die Windkraft gesetzt und ein Branchennetzwerk für erneuerbare Energien ins Leben gerufen. Mithilfe der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) wurden Firmen angeworben und ihnen bei der Suche nach Räumlichkeiten geholfen. So betrachtet HWF-Chef Heinrich Lieser die Ansiedlung von Broadwind Energy auch als Erfolg seiner Institution. "Mit Broadwind Energy haben wir einen weiteren Erfolg für die Profilierung des internationalen Windkraftstandorts Hamburg erreicht."
Gerade die Kontakte zu anderen Unternehmen über das Branchennetzwerk sind auch für Stegelmann wichtig. "In Hamburg sind unsere Kunden präsent, zudem gibt es zahlreiche Forschungseinrichtungen, mit denen wir zusammenarbeiten können", sagt er. Broadwind mit 1500 Beschäftigten in den USA plant in Zukunft, zu einem Systemlieferanten für die Branche zu werden, der nicht nur Einzelteile für Windräder liefert, sondern - wie im Automobilbau längst üblich - ganze Komponenten. "Und natürlich wollen wir auch beim Service und dem Transport der Anlagen aktiv sein", so Stegelmann, der in Europas Umwelthauptstadt 2011 "ideale Möglichkeiten zum Ausbau unseres Europageschäfts" erwartet.